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Der Ball ist ECKIG: Der Morgen danach

Ein EM-Spiel der Deutschen zu verpassen, rangiert auf dem gleichen Niveau wie Silvester vor Mitternacht ins Bett zu gehen. Mit einem Unterschied: Nie bekommt man die Feier zur Jahreswende am Morgen danach so perfekt nachbereitet.

Sieben Uhr noch was, Fernseher an, Dunja Hayali vom „ZDF Morgenmagazin“ begrüßt zu diesem „wundervollen Freitag“, und schon ist man im Bilde, für die Blöden wird das Signalwort „Sommermärchen“ binnen einer Minute nachgelegt. Es folgt ein Best-of-Gehäcksel von Deutschland gegen Portugal, videoclipartig zum Muntermachen. Oder zappelt die Kamera so, weil sie vor Aufregung nicht stillhalten kann? Wer mehrere Stunden nichts sagen durfte zum Thema Fußball, läuft schließlich schier über vor Informationen: Um 1 Uhr 54 seien die Spieler im Hotel angekommen, bestimmt hätten sie noch ein paar Drinks zu sich genommen, sagt der N24-Reporter vor Ort. Abgesehen von dem Schluck Alkohol geht alles runter wie Muttermilch an diesem Morgen, „Poldi macht zu Schweini, der macht rein – fein“, reimt der Kommentator kleinkindtauglich, das kann die ganze Familie am Frühstückstisch nachsingen. Auf den Ernst der Sendung weist Toni Schumacher hin. Vor prächtiger Berg- und Seekulisse hat er sein Flipchart aufgebaut, darauf steht die Mannschaftsaufstellung, wie er sie am Morgen des Spiels vorschlug. Und so standen die Spieler dann wirklich! Nun weiß man nicht nur, was die Spieler um 1 Uhr 54 machen, sondern auch, was der Trainer morgens um acht tut: ferngucken, Strategietipps abgreifen. Die eigene Bilanz vom Frühstücksfußball enthält gefühlte 37 Mal das Spiel, mit einem Unterschied: Statt Spielminuten tickt am Bildrand die Uhrzeit weg. Um 9 Uhr geht man und nimmt ein wenig Rührung mit angesichts dieser Beschwörung eines zweiten Sommermärchens, dieser störrischen Sehnsucht nach Rausch. Verena Friederike Hasel

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