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Der Ball ist ECKIG: In der Zeitschleife

Früher, das gehört zu den unumgänglichen Allgemeinplätzen dieser Sportart, war Fußball die schönste Nebensache der Welt. Heute ist das anders, heute ist Fußball die schönste Hauptsache der Welt.

Früher, das gehört zu den unumgänglichen Allgemeinplätzen dieser Sportart, war Fußball die schönste Nebensache der Welt. Heute ist das anders, heute ist Fußball die schönste Hauptsache der Welt. Morgens Zeitungen lesen, die EM-Beilagen, natürlich alle, dazu mal eine „B.Z.“-Titelseite, die die Gesichtszüge von Ballack vor dem Österreich-Spiel analysiert, oder die „taz“-Titelseite, die „exklusiv Jogi Löws Geheimplan“ hat. Dann arbeiten, Kinder betreuen, sich fragen, wie wirklich diese Nebensachen eigentlich sind, und dann wieder in die Echtzeit, zur wahren Realität: vor den Fernseher, mit dem man gerade eine libidinöse Beziehung pflegt. Kerner, Klopp und Meier in Bregenz vor diesem beknackten ZDF-Auge, endlich, Klopp und Meier dem schönen Wetter entsprechend in strahlend weißen Hemden, nur Kerner in grau. Und dann gleich die Frage von Kerner, immer um Aufklärung bemüht, stellvertretend für uns, für die Nation: „Wie kommt es, dass zwei Topstürmer wie Klose und Gomez so außer Form sind?“ Natürlich haben Klopp und Meier keine Antwort darauf. Doch darum geht es nicht. Sondern um das Dehnen der Zeit, darum, das sonst so geschwind dahinfließende Leben in die Breite zu ziehen, oder auch: in die Tiefe des Raums zu verlagern. Schon 90 Minuten Fußball verändern das Gefühl für die Zeit, doch 90 Minuten Vorberichterstattung haben es auch in sich. Aus dieser Zeitschleife kommt keiner raus: Drei mal Mutu in den Armen von Buffon. Dann Katrin Müller-Hohenstein, die Cassano, den italienischen Stürmer, erwähnt, unter einem Regenschirm übrigens, es regnet in Zürich. Dann Donadoni zu Cassano, dann Béla Réthy zu Cassano. Réthy verspricht: Zu Cassano später mehr. EM-Vorberichterstattung, das ist die Wiederholung des Immergleichen, das Aufbereiten von wenig bis nichts zur schönsten Hauptsache der Welt. Es folgt: das Wetter von morgen. Gerrit Bartels

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