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Medien: Der Cowboy aus dem Irak

Mit Westerntanz gegen Vorurteile: Ein ARD-Film zeigt, dass gute Unterhaltung nicht dümmer machen muss

Zu r Freude vieler im Voraus planender Fernsehfilmfans unterscheiden sich Fernsehfilme am Mittwochabend im Ersten von denen am Freitagabend hinsichtlich ihres Anspruches. Wer schon mal einen von der ARD-Tochter Degeto produzierten Streifen vom Anfang bis zum Ende gesehen hat, weiß, wovon hier die Rede ist. Der ist reif für jede Telenovela. Am Mittwochabend hingegen schadet ein gewisser geisteswissenschaftlicher Background nicht, was all den „Blochs“, Götz-George-Studien und Familienpsychodramen manchmal eine gewisse Schwere verleiht, die sich so gar nicht mit dem verdienten Feierabendgefühl vor der Glotze vertragen will. Nicht so bei „Willkommen im Westerwald“, einer willkommenen Erfrischung im öffentlich-rechtlichen Sommerloch.

Was hätte man bei dem Exposé nicht alles falsch machen können: Irakischer Asylbewerber, der im Irak von einem (später gefallenen) US-Soldaten in die Geheimnisse des Line Dance eingeweiht worden ist, kommt in deutsche Provinz und verliebt sich dort in blonde Kneipenbesitzerin. Dazu ein dicker, renitenter Bürgermeister, der gerne Rotkohl isst und Posaunespielen lehrt, ein eifriger Dorfpolizist, der von Kindesbeinen an heimlich in die Kneipenbesitzerin verliebt ist und sich den neuen Nebenbuhler mit einer schnellen Abschiebung vom Halse halten könnte sowie ein Leiter der Asylanten-Aufnahmestelle, der seine Gäste gerne beim Klauen erwischen würde – erstaunlich, wie sicher Drehbuchautorin Beate Langmaack („Guten Morgen, Herr Grothe“) und Regisseur Tomy Wigand all die Klippen umschiffen, die Political Correctness und Erwartungshaltung nach der 1001. Liebeskomödie im Hinterwald bereitstellen.

Der Film macht einfach gute Laune. Eine verrückte Geschichte vom Zusammentreffen der Kulturen, von Liebe, Eifersucht, Solidarität und Heimat. Das Westerwälder Tourismusbüro wird sich freuen. Das liegt auch an Katja und Ahmad, den Hauptdarstellern Pasquale Aleardi und Lisa Martinek. Aleardi, halb griechischer, halb italienischer Abstammung, spielt seinen irakischen Kurden, der mit der Leidenschaft für Westerndance ein ganzes Dorf auf den Kopf stellt, mit so viel Glutäugigkeit wie nötig und so viel Betroffenheit wie möglich. Okay, manchmal geht da zu viel Winnetou im schönen Aleardi durch, aber gut, sei’s drum. Schließlich, wann hat es das, so viel politische Wirklichkeit, in einer deutschen Liebeskomödie zur Primetime schon mal gegeben: dass die Geschichte eines Asylbewerbers auserzählt wird, dessen Familie im Irak einen Anschlag zum Opfer fiel, weil er für die Besatzungsarmee als Übersetzer gearbeitet hat.

So weit liegen Bagdad und der Westerwald also gar nicht mehr auseinander. Zumindest nicht so weit wie solche Fernsehfilme von den meisten Degeto-Schmonzetten am Freitagabend.

„Willkommen im Westerwald“,

ARD, 20 Uhr 15

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