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Medien: Der ewige Provokateur

Arte widmet Rosa von Praunheim zu seinem 60. Geburtstag einen Themenabend

Im soften Rhythmus wiegen sich männliche Paare, knutschen ein bisschen, zeigen knackige Hintern und gucken ganz lieb. Wie doch die Zeit vergeht. Was einstmals die Republik erschütterte – igitt, Schwule zeigen sich, reden über sich, nehmen kein Blatt vor den Mund – wirkt mittlerweile ziemlich bieder und ganz niedlich. Was bloß soll ein Berufsprovokateur heute noch tun, wenn schon in den Nachmittags- Talkshows die abstrusesten Sexualpraktiken friedlich durchdiskutiert werden? Zurückschauen mit leiser Elegie und großem Stolz. Warum nicht. Immerhin war Rosa von Praunheim der Erste, der mit ungebremstem Ego jede Scham ablegte und die Bürger gründlich verschreckte mit seinem Hohen Lied der gleichgeschlechtlichen Liebe.

Dieses Lied – und das ist seine ungewöhnliche Qualität – singt er immer wieder voller Vergnügen. So geht er auch in seinem Selbstporträt „Pfui Rosa!“, in dem er sich anlässlich seines 60. Geburtstages so genüsslich wie schrankenlos offenbart, nicht gerade schonend mit sich um (im Rahmen des Arte-Themenabends um 22 Uhr). „Meine Filme haben die Qualität von Müll: klein und dreckig“, sagt er und kramt dabei eifrig in Mülleimern herum. Verschmitzt hält er eine verblühte Sonnenblume in die Kamera – „Ist sie nicht so wie ich: ehemals schön und strahlend und noch immer ansehbar?“

Ja, auch er hat die beste Zeit hinter sich, unrasiert, mit schlechter Haut und Brille vor den leuchtenden Kinderaugen, zeigt er die Zeugnisse seiner einstigen Schönheit und seiner mittlerweile stumpf gewordenen Provokationslust.

Rosa von Praunheim lässt die Reihe seiner Lebenspartner aufmarschieren, weint bitterlich vor einer leeren Wand, wo einst die Fotos der beiden Liebenden hingen. Er räsonniert über Aids, das scheinbar doch nicht so schwierige Altern als Homosexueller, den Ruhm und wieder und wieder über Sex mit ungeniertem Verbal-Exhibitionismus. Trotz aller ruppigen formalen Unordnung in diesem „Selbstporträt“ nutzt er doch ganz brav die üblichen Mittel. Blättert mit Mama im Fotoalbum der Kindheit. Plaudert vorm Elternhaus mit der Sandkastenfreundin. Lässt die Reihe seiner Werke nebst schriller HauptdarstellerInnen (Luzi Kryn, Dietmar Kracht, der Mann mit der verbrannten Haut, und natürlich Lotti Huber) Revue passieren und kichert mit Werner Schroeter über alte Zeiten.

Eigentlich, das zeigt sich in diesen 70 bunten Minuten, hat sich Rosa von Praunheim gar nicht verändert – nur die Welt, in der er lebt. Und dass die sich – jedenfalls im Verhältnis zu den Schwulen – verändert hat, daran trägt er nicht wenig Verantwortung. Darauf ist er stolz, mit Recht. Nur wenn dann im Anschluss an „Pfui Rosa!“ die alten Trash-Werklein wie „Affengeil“ und „Die Bettwurst“ über den Arte-Bildschirm laufen, zeigt sich, dass die wilden Jahre des Auf- und Ausbruchs mit ihrer hemmungslosen Lust an Geschmacklosigkeiten, am Baden in Kitsch und falschen Tönen schon sehr lange vorbei sind. Auch das kann trösten.

Mechthild Zschau

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