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Medien: Der Fall „Hoxha“

Ließ sich das ZDF in Kosovo-Berichterstattung auf unseriösen Mitarbeiter ein?

Wer hat versagt? Als Mitte März dieses Jahres Unruhen im Kosovo ausbrachen, schienen NatoKräfte und Uno-Verwalter wie gelähmt vom Schock. Zehn Albaner und neun Serben starben, serbische Häuser und Klöster gingen in Flammen auf, und all das geschah vor den Augen der internationalen Schutzherren. Seither hagelte es viel Kritik – und es kursieren viele Deutungen der Ereignisse.

Zuletzt versuchten zwei ZDF-Sendungen vom 18. und 20. November eine Antwort, Reportagen im „heute-journal“. Angelegt als große Enthüllungsstory beschrieben Ulrich Gack, Redakteur des ZDF, und Franz-Josef Hutsch, Militärexperte und freier Autor, die Rolle, die ein ehemaliger V-Mann des Bundesnachrichtendienstes bei den Unruhen gespielt haben soll: Samedin Xhezairi, ein Kosovo-Albaner, den der BND als Informant angeheuert hatte, soll wesentlicher Drahtzieher der Unruhen im Kosovo gewesen sein. Die ZDF-Berichte etikettierten den Mann als Islamisten mit Kontakt zu Al Qaida. Es wird suggeriert, dass das Kosovo von Islamisten unterwandert ist und dass der BND deren Treiben duldet. Doch vieles an dem ZDF-Bericht ist fragwürdig.

In einem Telefonat, das Geheimdienst und Bundeswehr mithörten, habe Xhezairi, so die Reportage, den Aufruhr im März angekündigt. Reagiert darauf hätten die westlichen Beobachter nicht. Samedin Xhezairi, so wird in dem ZDF-Film behauptet, sei ehemaliger UCK-Kommandant gewesen mit dem Kampfnamen „Hoxha“. Im Kosovo soll er eine Terror-Zelle aufgebaut haben, Kontakt zu Al Qaida pflegen und als Drahtzieher hinter dem Aufruhr vor allem in der Region Prizren stehen, wo deutsche Nato-Truppen das Kommando haben. Übersehen westliche Geheimdienste, wissentlich oder naiv, dass das Kosovo von verschwörerischen Terroristen und Islamisten infiltriert wird? Die Beiträge weckten den Argwohn von Sicherheitsexperten mehrerer Parteien im Bundestag, die eine Untersuchung der Vorgänge im Kosovo fordern. Kommentatoren auf serbisch-nationalistischen Websites greifen die ZDF-Geschichte begierig auf.

Gestern stand in der „Zeit“, der Präsident des BND August Hanning habe eingeräumt, es sei bekannt gewesen, dass Xhezairi Islamist und im organisierten Verbrechen aktiv war, das abgehörte Telefonat aber habe man aber nicht ernst genommen. Doch sofort dementierte der BND diese Meldung über dpa. Weder dem BND noch der Nato scheint vollkommen transparent, was im Kosovo wirklich geschah und geschieht, so viel räumen auch Mitarbeiter ein. Sprachbarrieren und eine eng geknüpfte Sozialstruktur machen es Westlern nicht leicht, sich in „Balkanien“ zu orientieren. Sicher, nirgends mehr gibt es Zweifel, dass der Aufruhr im Kosovo von zahlreichen Gruppen unzufriedener Kosovo- Albaner geplant oder doch angestachelt wurde. Darüber wurde viel berichtet. Aber Islamisten, gar Al Qaida, direkt oder indirekt in diesem Kontext zu nennen, galt bislang als Privileg serbischer Hetzpresse. Das ZDF schließt sich dem an. War es vorschnell? Hat sich der Sender von einem freien Mitarbeiter oder gar von serbischen, nationalistischen Gruppierungen funktionalisieren lassen?

Die Fragwürdigkeit der ZDF-„Enthüllung“ liegt auch an deren Autor Franz Josef Hutsch. Hutsch, 1963 geborener ehemaliger Major der Bundeswehr, arbeitet seit 1995 als freier Journalist vor allem für Blätter wie den schweizerischen „Sonntagsblick“. Mitte Oktober trat er als Zeuge der Verteidigung des jugoslawischen Expräsidenten Milosevic in dessen Prozess am Haager Uno-Tribunal auf. Er blieb dort, wie häufig in seinen Aussagen, zweideutig und nicht festlegbar.

Claus Kleber, der engagierte und erfahrene Leiter des „heute-journals“, lernte Hutsch auf einer Afghanistan-Recherche kennen. Er ist von dessen Glaubwürdigkeit überzeugt. „Herr Hutsch erschien mir als ein besonnener und zuverlässiger Journalist, der besonders viele Fakten und Hintergründe kennt“, sagte er.

Doch die Zweifel an der Sache Hutsch- Xhezairi-Kosovo lassen sich nicht ohne weiteres aus dem Weg schaffen, vor allem, was die angeblich prominente Rolle des Samedin Xhezairi im Kosovo betrifft. So erklärt Agron Bajrami, Chefredakteur von Koha Ditore, der wichtigsten Zeitung in Prishtina: „Uns in der Redaktion war Herr Xhezairi völlig unbekannt, bis der Bericht im ZDF kam. Während des Krieges gab es in der Region zwei UCK-Kommandanten mit dem Spitznamen Hoxha. Einer kam in Mazedonien ums Leben, der andere ist heute Parlamentarier. Von diesem dritten hatten wir noch nie gehört.“

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