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Medien: Der ist nicht komisch

Der designierte US-Präsident Barack Obama lässt die Satiriker in den US-Medien verzweifeln

In den vergangenen acht Jahren sind die amerikanischen Komiker selbstgefällig, fett und faul geworden. Das gibt niemand bereitwilliger zu als Bill Maher, der beim Kabelsender HBO seinen Schabernack treibt: „Es ist immer leichter für uns, wenn der Präsident dumm ist und fett, oder wenn seine Frau ihn betrügt, oder er wütend ist oder falsch.“ Bei George W. Bush sei seine Arbeit so einfach gewesen, als habe ihn jemand beauftragt, in einer Regentonne auf Fische zu schießen, sagt Jon Stewart, Chef der satirischen Nachrichtensendung „The Daily Show“ – egal, wo man hinzielt, man trifft immer einen. „Dieser Typ hat nichts von allem – und das ist wirklich ungerecht“, flucht er. „Dieser Typ“, also der frisch gewählte nächste US-Präsident Barack Obama, mag das Land vor der Wirtschaftskrise retten, aber für professionellen Spaßvögel ist er der reinste Albtraum.

Nighttalker Jay Leno fasste die verzweifelte Lage seines Berufsstandes bereits vor der Wahlentscheidung so zusammen: „Wenn ich mich über John McCain lustig mache, heißt es, ich diskriminiere Senioren, wenn ich Witze über Hillary Clinton mache, heißt es, ich sei frauenfeindlich, und bei Witzen über Obama gelte ich sofort als Rassist.“ Michael Musto, Satiriker beim New Yorker Szene-Blatt „Village Voice“, bläst ins gleiche Horn: „Obamas Wahl ist großartig für das Land, aber schlecht für die Komiker. Der Präsident ist eine ernsthafte, intelligente Person, und das ist überhaupt nicht so rasend komisch, wie wir uns das wünschen.“

Also muss man seinen Grips wieder etwas stärker bemühen, dann wird das auch etwas mit dem politisch korrekten Angriff auf die Lachmuskeln. Ausgerechnet das schräge Satireblatt „The Onion“ machte den Etablierten vor, wie es gehen kann. Nach Obamas Wahlsieg titelte es: „Afro-amerikanischer Mann Barack Obama, 47, hat den im ganzen Land am wenigsten begehrenswerten Job bekommen, als er am Dienstag zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde.“ Von hinten durch die Brust ins Auge, dann klappt es auch mit der Sittenpolizei, die in Obamas Fall offensichtlich besonders sensibel reagiert.

Ein gutes Beispiel war dafür der „New Yorker“, der im Vorwahlkampf der Demokraten versuchte, die üblen Verzerrungen der Konservativen aufs Korn zu nehmen. Barry Blitt zeichnete ein Cover, das Barack und seine Ehefrau Michelle Obama im Oval Office zeigt. Er trägt traditionell arabische Kleidung inklusive Turban. Sie posiert im Tarnanzug mit Riesenafro und Kalaschnikow auf dem Rücken. Sie geben sich einen „fist bump“, eine rituale Begrüßung, Osama Bin Laden schaut via Ölgemälde zu. Der Sturm der Entrüstung hätte kaum größer ausfallen können. Statt die von den Republikanern verbreiteten Vorurteile und Falschheiten zu konterkarieren, öffne das Magazin der Propaganda Tür und Tor, wetterten die Leser.

Dem Vorwurf, unterschwellig rassistisch zu sein, will sich niemand aussetzen – zumal die meisten erfolgreichen US-Komiker weiße Männer weit jenseits der 40 sind. Andy Borowitz, der sich einst als Erfinder der Serie „The Fresh Prince of Bel-Air“ mit Will Smith einen Namen machte, rettete sich in seinem satirischen Blog mit einem Kunstgriff. Kürzlich überschrieb er einen Beitrag so: „Obama erlässt Liste mit erlaubten Witzen über ihn selbst.“ Die Satire-Institution „Saturday Night Live“ wiederum löste die prekäre Situation, indem sie sich nicht über Obama, sondern über die gnadenlose Anhimmelung der amerikanischen Journalisten lustig machte. Und zum Glück gab es im Wahlkampf ja auch noch Sarah Palin, Gouverneurin aus Alaska mit erstaunlichem Showtalent.

Die republikanische Kandidatin für die Vizepräsidentschaft schaffte es in kürzester Zeit, in die Fußstapfen von George W. Bush zu treten, zumindest was ihre Beliebtheit als Opfer der Komiker anging. Nun allerdings zieht sie zurück nach Alaska. Zudem stellt sich inzwischen heraus, dass sie vielleicht doch nicht ganz so unmöglich ist, wie es kolportiert wurde.

Das Gerücht, sie habe nicht gewusst, dass es sich bei Afrika um einen Kontinent handelt, nicht um einen Staat, entpuppte sich jedenfalls in den vergangenen Tagen als geschickt lancierte Falschmeldung. Ted Mulkerin, ein führender Autor für Craig Fergusons „The Late Late Show“ auf CBS gleich nach David Letterman, sieht die Zukunft so: „Im Augenblick glüht Palin nach. Dann werden die Alles-muss-raus-Bush-Witze kommen, schließlich wird Vizepräsident Dick Cheney aus dem Graben klettern und sein Nachfolger Joseph Biden hineinsteigen.“ Dann, und erst dann werde die Komikergemeinde die Aufmerksamkeit voll und ganz Obama widmen.

Sie drücken schon mal die Daumen, dass Barack Obama bis dahin wenigstens ein paar Fehler unterlaufen. Fehlerchen, ein Versprecher hier und dort. Irgendetwas, aus dem sich etwas stricken lässt, es muss ja nicht gleich ein abendfüllender Spott sein. Jay Leno sagt zudem: „Wenigstens hat Gott uns Biden gegeben.“ Der ist nicht nur ein älterer weißer Mann und damit zum Abschuss frei, er hat auch die Gabe, sich in seinen eigenen Aussagen zu verheddern.

Der designierte US-Präsident tat Lenos Berufsstand zudem den Gefallen, Rahm Emanuel als seinen Stabschef zu berufen. Der Mann, den sie im Kollegenkreis wegen seiner forschen Art „Rahmbo“ rufen, gilt als Großmeister der falschen Metapher. Das ist doch ein Anfang. Bill Maher will die Sache trotzdem vorsichtig angehen: „Wir haben Obama schon so oft kritisiert und am Ende hat sich herausgestellt, dass er schlauer ist als wir. Ich mache jetzt erst mal Urlaub.“

Kollege Paul Slansky, der für das „Time Magazin“ einen satirischen Blog betreibt, sieht das genauso: „Wenn Bush nicht mehr ist, konzentriere ich mich auf mein Privatleben. Während Clinton Präsident war, habe ich es geschafft, zu heiraten und eine Tochter zu bekommen.“ D. L. Hughley, der seit kurzem bei CNN eine Satireshow betreibt, provoziert derweil den eigenen Berufsstand: „Sind wir nicht alle glücklicher, weil wir kein so leichtes Ziel mehr haben? Wenn man sich selbst einen Komiker nennt, kann man dem mächtigsten Mann der Welt keinen Freifahrtsschein geben.“ Hughley hat gut reden, schließlich ist er schwarz und damit zumindest des Rassismus unverdächtig.

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