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Medien: Der kleine Kochshow-Führer

Schon mal Bouletten auf asiatisch probiert? Nein? Da hilft nur eins: Fernseher einschalten. Mittlerweile hat jeder Sender seine eigene Kochshow. Bernd Matthies hat diese Sendungen getestet und verrät Ihnen, wo es die besten Rezepte gibt und wo man sich eher den Magen verdirbt

Ein erfolgreicher Fernsehkoch muss an die niedersten Instinkte seiner Zuschauer appellieren. Den Flirt mit dem getrüffelten Hecht im Artischockensud kann er gleich wieder vergessen, denn zu seiner typischen Sendezeit sitzen keine spezialisierten Hobbyköche vor der Glotze. Bouletten aber, beispielsweise, laufen wie der Teufel, wenn Deutschlands Hausfrauen auf Inspiration hoffen. Zwei Millionen Rezeptabrufe im Internet in zwei Monaten hat der WDR gezählt, nachdem Martina Meuth und Bernd NeunerDuttenhofer ihre Sendung „Servicezeit Essen & Trinken“ im Regionalprogramm dem Fleischklops in all seinen Schattierungen gewidmet hatten - die dienstältesten Fernsehköche Deutschlands, die in 15 Jahren vor der Kamera alles erlebt haben, ahnten das voraus. „Das ist wieder mal so ein Alltagsgericht, das wir in allen Variationen durchgemengt haben", sagt Neuner-Duttenhofer, der im Fernsehen nur „Moritz" heißt, „wer kennt schon Bouletten auf asiatisch?"

Die beiden gelernten Journalisten, die ihre spontanen Kabbeleien vor der Kamera zur Kunstform kultiviert haben und kulinarische Probleme lieber öffentlich ausdiskutieren, als Manuskripte vorzutragen, haben Erfolg – Marktanteile von bis zu zwölf Prozent bei der Erstausstrahlung sprechen für sich, und viele andere Regionalprogramme, auch der RBB Berlin, übernehmen die Sendung. Meuth/Neuner-Duttenhofer sind auch als Seiteneinsteiger eine Ausnahme, denn fast alle anderen Fernsehköche haben zunächst im Kochberuf Karriere gemacht, bevor das Fernsehen sie ins Studio zerrte. Vielen merkt man an, dass sie dort nicht wirklich zu Hause sind – oder sich wie der penetrant dauergrinsende Johann Lafer nur eine semiprofessionelle Fassade zugelegt haben.

Wer die perfekten Fernsehköche will, muss lange suchen. Als der Sender Vox das aus England übernommene Format „Ready, steady, cook“ zum „Kochduell" eindeutschte, wurden vorher 700 kochende Bewerber so intensiv gecastet, als ginge es um die Hauptrolle einer Abendserie. Nur die Tauglichsten, Telegensten, Schlagfertigsten kamen durch, und sie haben sich behauptet, wie der andauernde Erfolg der Serie beweist.

Der nett schwiegersohneske Alexander Herrmann, die coole Susanne Vössing, der perfekt radebrechende Sante de Santis und ihre Kollegen haben der Nation vor allem klargemacht, dass Kochen längst nicht mehr das sture Zelebrieren bekannter Rezepte ist, sondern eine reizvolle Beschäftigung für Abenteuerlustige. Wer es nicht schafft, aus Senfgurken, Bandnudeln, Entenbrust, Kiwis und Popcorn in 20 Minuten ein Menü hinzustellen, der hat verloren – und diese Erkenntnis passt genau zum Alltag der besseren deutschen Restaurantköche, die nur noch Erfolg haben, wenn es ihnen gelingt, einen persönlichen, kreativen Stil zu entwickeln.

Das „Kochduell“, von der Branche lange als chaotische Lustbarkeit für Ignoranten abgetan, markiert den Durchbruch einer neuen Generation im Fernsehkochen, stilistisch ebenso wie beim Alter der handelnden Personen. Es ist kein Zufall, dass dieses Format in England, dem wohl fernsehkochverrücktesten europäischen Land entwickelt wurde. Die Spitzenkräfte der Insel genießen Starruhm, wie ihn in Deutschland allenfalls der Nicht-Koch Alfred Biolek erreicht. Der derzeit bekannteste, Jamie Oliver, hat eine ganze Welle von Nachahmern hochschwappen lassen. Köche in der ganzen Welt haben die weiße Kluft weggeworfen und die Mütze verschenkt, und sie arbeiten nun wie Oliver, der lümmelhafte „Naked Chef", in hippen Alltagsklamotten, sackbeutelförmigen Hosen und mürben T-Shirts. Alles wird gut, Leute, suggeriert uns diese neue Köchegeneration, wenn ihr nur ein wenig zuhört und was Ordentliches einkauft.

In Deutschland hat es unter den gelernten Köchen allenfalls Johann Lafer beim ZDF zu vergleichbarer Medienpräsenz gebracht, und zumindest sein sprachlicher Einfluss auf die Branche („ich habe jetzt hier unseren Saibling und wende ihn kurz in unserem Mehl...") kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Doch seine besten Tage scheinen vorüber. Ihm hängt der Ruf an, auf all zu vielen Küchenhochzeiten zu tanzen und das Restaurantgeschäft, die Basis allen Fernsehtreibens, zu vernachlässigen - den zweiten Michelin-Stern hat er längst verloren. Und auch beim Merchandising, dem wichtigsten Ertragszweig der Fernsehprominenz, ist nicht mehr viel zu holen, nachdem sich nun längst alle Fans mit Lafer-Töpfen und Lafer-Mixstäben und Lafer-was-auch- immer eingedeckt haben.

Ein ähnliches Problem hat Vincent Klink, der ohnehin lieber auf der Querflöte dilettiert oder mit seinem Freund Wiglaf Droste Dichterlesungen hält, als mühsam sein Stuttgarter Luxusrestaurant auf Kurs zu halten; er hat überhaupt keinen Stern mehr. Doch das schert ihn offensichtlich wenig, denn im Fernsehen kommt seine bräsig-gemütliche Art an, vor allem im Regionalprogramm des SWR als auch im mittäglichen „ARD-Buffet", der prototypischen Magazin-Sendung, die die Köche als Beiwerk nutzt. Wenn er rasch ungeplant aus dem Bild verschwindet, um mal eben Rosmarin zu holen, fühlen sich die Zuschauer ganz wie zu Hause.

Ein möglicher Nachfolger Lafers kommt aus Berlin. Kolja Kleeberg, der Chef vom „Vau", ist nicht nur ein glänzender Koch. Er bringt als gelernter Schauspieler auch Bildschirmpräsenz und Wortgewandtheit mit, und er bekocht bei seinen Auftritten im Frühstücksfernsehen von Sat 1 längst ganz Deutschland. Effektiver als er kann derzeit kein deutscher Koch in fünf Minuten nicht nur die reine Kochtechnik darstellen, sondern dabei durchaus unterhaltsam wirken - das scheint zukunftsträchtig auch in der Ära der Hip-Hop-Küchenmeister. Kleebergs Vorgänger bei Sat 1, Armin Roßmeier, hat jetzt beim ZDF angemustert, wo er vor allem durch exzessives Entgegenkommen gegenüber den üblichen Sponsoren auffällt. Penetranter als in „Volle Kanne Service" werden wohl nirgendwo Küchengeräte mitsamt Markennamen in die Kamera gehalten, penetranter als dort darf nirgendwo die CMA, die allgegenwärtige Marketingkolonne des deutschen Nährstands, ihre Gurken- und Paprikaberge aufschichten.

Die Ära der Jamie-Oliver-Epigonen hat in Deutschland kürzlich mit Ralf Zacherl begonnen, dem Küchenchef vom Berliner „Rutz“. Er kann kochen – das hat er bewiesen, als er einst im Rheingau mit 24 Jahren der jüngste deutsche Sterne-Koch wurde. Doch vor der Kamera wirkt er noch recht befangen, oft allein gelassen von der offenbar fachlich wenig versierten Redaktion. Die schwierige Aufgabe, nicht nur zu kochen und locker drüber zu plaudern, sondern auch die ziemlich willkürlich hergesuchten Gäste ins Gespräch zu ziehen, würde auch routinierte Fernsehleute überfordern.

Es wird deutlich, dass bei „Zacherl - einfach kochen“ (Pro 7) die Suche nach einem bestimmten Typ im Vordergrund stand, den er – Ziegenbärtchen, Glatze, Ohrring – perfekt verkörpert. Insofern ist es für seine Sendung, die mittags von Montag bis Freitag läuft, kein Vorteil, dass RTL 2 am Sonnabend mittag das Original aufbietet – Jamie Oliver selbst, der mit seiner flapsigen Hier-komm-ich-Show auch in der deutschen Bearbeitung glänzend überkommt.

Am Samstagabend versucht sich auf Viva ein anderer Neuling in Olivers Fußstapfen und scheitert kläglich: Tobi Schlegl, der sich am Herd mit allerhand Musikern herumschlagen muss und weder interessante Gespräche noch passable Gerichte hinbekommt. Diese Variante des Kochens im Fernsehen nutzt das Thema allenfalls als Oberflächenreiz und legt den Verdacht nahe, dass sie bei Viva einfach auch einen Koch haben wollten, ohne zu wissen, was er dort eigentlich soll.

Wie sieht denn nun der spezifisch deutsche Stil aus? Bislang dominiert noch der Gemüsestadl in seinen vielfältigen Ausprägungen, das Kochduell dürfte Ausnahme bleiben, die Hip-Hopper-Episode. Sicher ist jedoch, dass die Sender auch in den kommenden Jahren noch viel herumprobieren werden an diesem erfolgreichen Thema. Und dass Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer noch ein ganze Weile die Stubenältesten bleiben.

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