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Die Erben im Visier. Kommissar Lanner (Florian Lukas) und Polizistin Carola (Anna Fischer) auf dem Weg zur Villa des ermordeten Bauunternehmers.

© rbb/ARD Degeto/Julia Terjung

"Der König von Berlin": Die Stadt als Rattennest

„Wat?“ „Eben.“ „Wie?“ „Nö“: Im ARD-Krimi "Der König von Berlin" wird der "Mythos Berlin" aufgedröselt. Den Helden spielt Florian Lukas als Kommissar Lanner.

Eigentlich müsste dieser Film „Der Rattenfänger“ heißen, denn der Held, Kommissar Carsten Lanner, macht genau dies: Er jagt Ratten, echte und menschliche. Der den Titel gebende „König von Berlin“, Erwin Machalik, Großunternehmer auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung, liegt hingegen tot im Bett, als der Film beginnt. Lanner beugt sich über die Leiche, liest die Spuren nach CSI-Art – Loch in der Stirn, Blut im Gesicht, Schmauchspuren an der Hand – und erkennt auf Mord. Aber Lanner ist aus Cloppenburg und gar nicht zuständig, er macht in Berlin bloß eine Weiterbildung. Kommissar Kolbe, dessen rechtmäßiger Fall der tote „König“ ist, weist den Zugereisten barsch zurecht. Der Selbstmord sei offensichtlich. Düpiert, doch fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, macht sich Lanner außerhalb der Dienstvorschriften an die Arbeit. Polizistin Carola ist beeindruckt und hilft.

Kolbe weist Lanner einen Akten-Abstaub-Job zu. Der Ärmste nimmt es klaglos hin, zumal Carola ihn dort aufspürt und sich bereit erklärt, mit ihm an den Tatort, die Protzvilla des Opfers, zurückzugehen. Der Tod ereilte den Unternehmer auf seiner Geburtstagsparty, die gedeckte Tafel – alles noch da. Nachdem Lanner die Putzfrau daran gehindert hat, die Spuren zu verwischen, nimmt er Proben aus den Gläsern. War Gift im Spiel? Und Machalik längst tot, als er erschossen wurde? Die Söhne des Dahingeschiedenen kreuzen auf. Sind nicht sie die Nutznießer dieses Abgangs? Zumal sie ihren Vater „Doppelarschloch“ nennen?

Klar ist dieser „König von Berlin“ – Buch und Regie: Lars Kraume, nach einem Roman von Horst Evers – keine übliche Kriminalkomödie. Er ist ein ziemlich bizarres Gemisch aus Parodie, Schwank, Nonsens und Fantasy. Die Ratten sind hier überall: Millionen total enthemmter, Gift-resistenter kleiner grauer Viecher im Untergrund Berlins, und einige wenige große, dicke, reiche Ratten in den höheren Rängen von Politik, Polizei und Wirtschaft mit ihren ebenfalls versteckten Kanälen. Und das aufrechte Pärchen der Retter und Rächer, Carsten Lanner (Florian Lukas) und Carola (Anna Fischer), ist ganz allein, dafür aber clever und kühn.

Er ist der Simplicius Simplizissimus

Tempo des Films und Knappheit seiner Dialoge: „Wat?“ „Eben.“ „Wie?“ „Nö“, verweisen parodistisch auf den klassischen Polizeifilm und zitieren genüsslich die Berliner Schnauze. Ein paar schöne Karikaturen sind da entstanden: Der Bürgermeister (Uwe Preuss) weiß nie von nüscht, der Polizeipräsident (Hendrik Arnst) steckt sowieso tief drin, und der „König“ selbst (Karl Heinz Choynski) darf in einer Rückblende noch mal auferstehen und zeigen, was er an Schimpfwörtern so drauf hat. Nach und nach wird der „Mythos Berlin“ aufgedröselt und einer realistischeren Lesart zugeführt.

Ein Rattennest ist diese Stadt, ein Hort des Bösen und Gemeinen, aber solange aus Cloppenburg ein unerschrocken-naiver Held zureisen darf und eine reizende Heldin, deren Fahrstil die Berliner Verkehrsteilnehmer zu den übelsten Beleidigungen veranlasst, mitmacht, kann es noch glimpflich ausgehen. Oder? Die letzte Einstellung lässt nichts Gutes ahnen. Aber auch sie ist ein Zitat (aus einem Horrorfilm).

Fürs Dranbleiben sorgt vor allem die Figur des Lanner, gespielt von Florian Lukas. Der ist der einzige, der keine Witzfigur liefert, sondern für den Grundsatz einsteht, dass der Spaß aus dem Ernst kommt, mit dem er dargeboten wird. Lukas gibt mit Bravour den unerschütterlichen Provinzler, der sich von der Metropole beeindrucken, aber nicht hinters Licht führen lässt. Er ist der Simplicius Simplizissimus, um den herum der wilde Reigen böser Buben und falscher Fuffziger aufgeführt wird, ohne dass der Mann aus Cloppenburg aus dem Tritt geriete.

So behält auch diese schräge Krimi-Variante jene Schwerkraft, die bei aller Lust am Durchbrechen von Genregrenzen erhalten bleiben muss, damit neben der Laune auch Spannung aufkommt. Der Dienstweg ist Lanner dabei schnurz. Als er nach getaner Arbeit von Carola zum Hauptbahnhof begleitet wird, merkt er plötzlich, dass es ihm gefällt, Abschiedsbussis mit ihr zu tauschen. Er macht den Vorschlag, wiederzukommen. Nur zu. Berlin braucht Typen wie ihn. Und es gibt hier jede Menge Weiterbildungen.

„Der König von Berlin“, Samstag, ARD, 20 Uhr 15

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