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Medien: Der Koloss von Köln

Vom „Frühschoppen“ bis Harald Schmidt: Der WDR, die größte und kreativste ARD-Anstalt, wird 50

Ein „Freund in der Not“ wollte er sein, der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Einer, der auch in weniger guten Zeiten „das Erhabene und Schöne, die Kraft des Gedankens und die Macht der Kunst tröstend zu spenden“ weiß. So formulierte Intendant Hanns Hartmann am Neujahrsmorgen 1956 die Ziele des neu gegründeten Westdeutschen Rundfunks (WDR). Im Programm folgte, erhaben und schön, Mozarts Kleine Nachtmusik. Für die Kraft des Gedankens war später Werner Höfer zuständig, mit seiner Journalistenrunde im „Internationalen Frühschoppen“.

Den „Frühschoppen“-Nachfolger „Presseclub“ gibt es immer noch, auch leistet sich der Sender weiterhin ein Sinfonieorchester, und für den „Freund in der Not“ könnte man vielleicht Jürgen Domian halten, jedenfalls wenn man gerne nachts seine intimen Geheimnisse preisgibt. Dennoch ist es wohl etwas anders gekommen, als Hartmann ahnen konnte, der vor der Nazizeit die Theater in Hagen und Chemnitz und nach dem Krieg das Berliner Metropol-Theater geleitet hatte. Damals bedeutete Rundfunk vor allem eines: Radio. Auch der „Frühschoppen“ startete 1952 erst einmal im Radio.

Das Fernsehen war noch in seinen Anfängen, und der Kölner Intendant Hartmann hielt nicht allzu viel davon: Diese „Teufelserfindung“ diene der „Narkose und Suggestion“, schimpfte er. Während in der Hamburger Zentrale des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) schon seit 1948 mit Bildern experimentiert wurde, hatte man sich darum in der Kölner Filiale „nicht sehr bemüht“, erzählt Gerd Ruge, damals ein junger NWDR-Reporter und bei der WDR-Gründung am 1. Januar 1956 bereits als Hörfunk-Korrespondent in Köln angestellt. Allerdings mochte sich auch Hartmann nicht abhängen lassen, und so standen am ersten WDR-Sendetag drei Fernsehsendungen auf dem Programm: neben dem bimedialen „Frühschoppen“ der „Jahres-Rückblick 1955“ und eine freilich in Hamburg produzierte Peter-Frankenfeld-Show.

Der WDR feiert ab dem Neujahrstag 2006 ausgiebig seinen 50. Geburtstag, er hat zum Programmschatz des deutschsprachigen Rundfunks eine Menge beigetragen: im Radio mit dem „Mittagsmagazin“, der ersten aus Musik und Wort gemischten Sendung, außerdem mit „Hallo Ü-Wagen“ mit Carmen Thomas und der Fußballkonferenz in „Sport und Musik“. Im Fernsehen mit „Weltspiegel“ und „Monitor“, den Filmen von Wolfgang Menge und Heinrich Breloer, der „Lindenstraße“ und der „Sendung mit der Maus“, „Klimbim“, Schimanski und Alfred Biolek. Einige jung gebliebene Klassiker sind darunter, wie gerade die mittlerweile kommerziell finanzierte „Sportschau“ bewiesen hat. Auch ist Harald Schmidt gerade zu seinem alten Arbeitgeber WDR zurückgekehrt, und Gerd Ruge reist 77-jährig unverdrossen um den Globus.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein ganz vitaler Faktor in der Entstehung und Entwicklung der demokratischen Gesellschaft“, sagt der derzeit amtierende WDR-Intendant Fritz Pleitgen, und man kann ihm da, jedenfalls bezogen auf die Nachkriegszeit, nicht widersprechen. Freilich spiegelte sich in ihm auch manche Fehlentwicklung. Werner Höfer, der als Journalist und späterer Fernsehdirektor lange Zeit der prägende Kopf des Senders war und 1987 wegen seiner in der Nazizeit verfassten Zeitungsartikel die Leitung des „Frühschoppens“ abgeben musste, nannte den WDR 1977 „ein von Grund auf liberales, potentes, aber wegen seiner Unübersichtlichkeit auch gefährdetes Haus“. Seither ist der WDR liberal geblieben, mit einem Etat von knapp über zwei Milliarden Euro die finanziell mit Abstand potenteste der neun ARD- Landesrundfunkanstalten, aber noch unübersichtlicher geworden. Wie schwer die Kontrolle fällt, hat der Schleichwerbeskandal bewiesen, in den die Bavaria, eine Tochter von WDR und anderen ARD-Sendern, sowie die Bavaria-Tochter Colonia Media verwickelt waren.

Von Anfang an musste sich der WDR gegen die Einflussnahme der Parteien wehren. Neben der Motivation, einen eigenen Landessender für Nordrhein-Westfalen zu schaffen, wollte die in Düsseldorf regierende CDU Mitte der 50er Jahre auch den vermeintlichen Hamburger „Rotfunk“ loswerden. 20 Jahre später war der WDR selbst zum roten Tuch für die Konservativen geworden.

Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler, hätte den Rundfunk gerne unter der Fuchtel des Bundes gehabt. Ausgerechnet Adenauer war freilich dafür verantwortlich, dass der Sender seit den frühen Radio-Jahren seinen Standort in Köln hat. Als Oberbürgermeister setzte er 1926 durch, den Sitz der Westdeutschen Funkstunde AG (Wefag) nach dem Ende der britischen Besatzungszeit im Rheinland von Münster nach Köln zu verlegen. In Köln wurde der Sender bereits in Westdeutsche Rundfunk AG umbenannt; der WDR könnte 2006 also ebenso gut seinen 80. Geburtstag feiern.

Das Auftauchen privater Konkurrenz Mitte der 80er hat auch den WDR durchgeschüttelt, besonders augenfällig geworden ist dies in der Unterhaltung. Der WDR, der einst mit Rudi Carrells „Am laufenden Band“und Alfred Bioleks „Bios Bahnhof“ große Publikumserfolge hatte, kann im Quotenrennen nicht mithalten. Qualität findet sich immer noch – an den Programmrändern, wie Olli Dittrichs „Dittsche“ beweist. Die schwierigste Aufgabe in der Zukunft sei es, sagt Fritz Pleitgen, jüngeres Publikum an den Sender zu binden. Im Fernsehen gelingt dies selten, im Radio besser. Allerdings zu dem Preis, dass das öffentlich-rechtliche Etikett gleich ganz verschwunden ist. 1956 wurde nur das „N“ getilgt, 1995 der Rest, jedenfalls im Jugendradio: WDR 1 heißt seitdem, ganz modern, Eins Live.

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