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Medien: Der Kommissar, der langsam kaputt geht

Eigentlich ist er ja schon im Ruhestand. Zum Bedauern seiner unzähligen Fans.

Eigentlich ist er ja schon im Ruhestand. Zum Bedauern seiner unzähligen Fans. Kurt Wallander, dieser reichlich schwermütige, koffeinsüchtige Kommissar aus Südschweden. Im Buch hat er bereits seinen letzten Fall gelöst: Sein Schöpfer, der schwedische Romanautor Henning Mankell erbarmte sich seines von Selbstzweifeln zerfressenen Ermittlers und setzte mit "Die Brandmauer" der nervenaufreibenden Arbeit des Kommissars ein Ende. Demnächst übernimmt seine Tochter Linda den Job, der ihren Vater in nur zehn Dienstjahren so erschöpft hat. Doch nur auf dem Papier ist für Kurt Wallander erstmal Ruhe. Denn fürs Fernsehen muss er noch mal ran. Das ZDF hat in einer Koproduktion mit dem Schwedischen Fernsehen (SVT) begonnen, die Mankell-Krimis zu verfilmen.

Die Reihe startet mittendrin in der Wallanderschen Karriere; mit seinem fünften Fall: "Die falsche Fährte" (drei Teile à 55 Minuten, heute 22 Uhr 15, Samstag und Sonntag, jeweils 22 Uhr). Im Frühjahr folgt "Die fünfte Frau", danach "Mittsommermord". Die Neuverfilmungen nehmen sich des älteren Kommissars an, denn von den ersten Fällen gibt es bereits schwedische Filme aus den 90er Jahren: "Mörder ohne Gesicht", "Hunde von Riga" und "Die weiße Löwin". Sie sollen am Ende der Reihe in rund zwei Jahren ausgestrahlt werden.

ZDF und SVT knüpfen bewusst nicht an die früheren TV-Krimis an. "Wir wollten einen filmischen Neuanfang", sagt ZDF-Redaktionsleiter Klaus Bassiner. Neue Darsteller wurden ausgesucht, allesamt aus Schweden, wo auch gedreht wurde. Der einzige aus der alten Crew ist Hauptdarsteller Rolf Laasgard. Mankells absolute Wunschbesetzung: "Ich würde keinen anderen in dieser Rolle akzeptieren", sagt er. Laasgard, den Deutschen aus der schwedischen Krimi-Reihe "Kommissar Beck" bekannt, scheint der ideale Wallander: Mit einem Gesicht, das zu jeder Tageszeit müde und verknittert wirkt, und aus dem die kleinen Augen mürrisch bis verzweifelt auf das grausame Treiben in Schwedens Süden blicken. Es ist aber auch wirklich ungeheuerlich, was sich an Wallanders Einsatzort, in und um das südschwedische Provinznest Ystad so alles abspielt. Ständig passieren grausamste Morde.

Und meistens fängt alles ganz harmlos an. Wie bei "Die falsche Fährte": "Ich hab eigentlich für sowas keine Zeit", mault Wallander, als er den Anruf vom Präsidium bekommt. Ein Bauer hat die Polizei um Hilfe gebeten, weil eine junge Frau in seinem Rapsfeld herumläuft und sich merkwürdig verhält. Eher eine Aufgabe für die Streife findet der Kommissar, lässt sich dann aber doch breitschlagen. Nun steht er auf dem Rapsfeld und muss zusehen, wie die Frau sich selbst mit Benzin überschüttet und bei lebendigem Leib verbrennt. Vor seinen Augen, und vor den Augen der Zuschauer. Drastische Bilder gleich in den ersten Minuten, ganz wie man es von Mankell erwartet. Der Autor schrieb gemeinsam mit Regisseur Leif Magnusson das Drehbuch. Die beiden verknappten die verzweigte Handlung der Romanvorlage und änderten den Schluss der Geschichte, "wir wollten mit einen kleinen Hoffnungsschimmer enden", sagt Magnusson. Trotzdem blieb einiges von Mankells Düsternis erhalten, vor allem in der heutigen ersten Folge: Wallander bleibt keine Zeit, sich vom Anblick des brennenden Mädchens zu erholen, schon gibt es einen neuen Mordfall. Dem ehemaligen schwedischen Justizminister wurde eine Axt in den Rücken gerammt, anschließend skalpierte ihn sein Mörder. Kurz darauf stirbt ein Kleinganove auf ähnlich grausame Art. Der Zuschauer ist Zeuge, kennt den Täter von Anfang an. Das tut der Spannung aber keinen Abbruch. Denn das Motiv des 15-Jährigen, der mit stoischer Ruhe sein brutales Ritual vollzieht, bleibt zunächst mysteriös. Mit Henrik Persson ist die Rolle des jungen Mörders Stefan glänzend besetzt.

Den Kommissar nehmen die Morde wie immer sehr mit. Er kann nicht schlafen, brüllt seine Kollegen an, trinkt zu viel Kaffee und Hochprozentiges und vergisst darüber, seine Tochter vom Flughafen abzuholen. Der mollige Laasgard gibt den kaputten Ermittler dabei wunderbar selbstironisch. Alles in allem ist es ein packender erster Teil. Die beiden anderen Folgen kommen da nicht ganz heran. Es müssen noch zwei weitere Männer sterben, bis der Kommissar entdeckt, dass das Mädchen im Rapsfeld ebenso wie Stefans Schwester etwas mit dem Fall zu tun hat. Mädchenhandel steckt dahinter. Wallander ist zuweilen etwas langatmig auf der falschen Fährte unterwegs. Der unterhaltsame, private "Kurt" zeigt sich seltener als im ersten Teil. Zudem geht der Film recht stiefmütterlich mit dem Ermittler-Team um. Die Kollegen Wallanders tauchen immer wieder auf, bleiben aber blass.

Nur einer nicht, ein nahezu genialer, sehr dicker Kommissar aus Malmö. Er macht im Grunde die ganze Drecksarbeit für Wallander. Nebenbei vereitelt er dessen Plan, mit dem Rauchen aufzuhören. Gerade gewöhnt man sich an das skurrile Gespann, da wird der Mann aus Malmö angeschossen und ward seither nicht mehr gesehen. Kein kurzer Blick ins Krankenzimmer, nichts! Man stelle sich das bei einem "Tatort"-Team vor. Aber auch wenn Teil zwei und drei nicht so gelungen wie der Auftakt sind, geben sie manches her: düstere Bilder, eine beklemmende Kameraführung, überzeugende Hauptdarsteller und der trockene schwedische Humor stimmen erwartungsvoll für den nächsten Fall.

Iris Ockenfels

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