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Medien: Der Krieg, von Katar aus gesehen

Wie neutral ist Al Dschasira? Der arabische Sender zeigte Bilder toter US-Soldaten, die Bush-Regierung protestierte

Die Bilder waren aufwühlend. Fünf verängstigte US-Soldaten, die von der irakischen Armee gefangen genommen wurden, sollen ihre Namen nennen und erklären, warum sie gegen den Irak kämpfen. Zuvor waren bereits die Leichen von fünf US-Soldaten gezeigt worden, sie wurden vor laufender Kamera umgedreht, einem von ihnen wurden persönliche Briefe aus der Tasche gezogen.

Gesendet hat diese Bilder das irakische Staatsfernsehen. Sie waren auch auf dem irakischen Satellitensender zu sehen. Doch um die Welt gingen sie unter dem Signum von Al Dschasira, dem arabischen Nachrichtenkanal aus Katar. Die US-Regierung protestierte gegen diese Aufnahmen und sah darin einen Verstoß gegen die Genfer Konventionen über die Behandlung von Kriegsgefangenen. Im amerikanischen Fernsehen wurden nur die Interviews gezeigt, die Toten gar nicht oder lediglich in Einstellungen, auf denen man keine Gesichter erkennt.

Hat sich Al Dschasira mit der vollständigen Ausstrahlung zum Propaganda-Instrument des irakischen Regimes gemacht, so wie die US-Regierung dem Sender die Unterstützung von Terrorismus vorwarf, als er die Reden von Taliban-Führer Osama Bin Laden um die Welt schickte? Der jordanische Anwalt und Menschenrechtler Assem el Omari findet das nicht. „Al Dschasira hat ebenso wie alle amerikanischen Sender auch die irakischen Soldaten in Großaufnahmen gezeigt, die sich in den ersten Tagen ergeben haben. Sie waren barfuß, Hände zitterten, sie mussten niederknien. Das ist doch das Gleiche“, sagt er. Man könne nicht nur amerikanische Kampfjets und vorrollende Panzer zeigen, dies sei die andere Seite des Krieges. Assem el Omari glaubt auch, dass die Bilder von amerikanischen Opfern wichtig seien, weil sie der arabischen Welt zeigten, dass die Iraker sich trotz der militärischen Überlegenheit der US-Armee wehren – und das nicht ganz ohne Erfolg.

Generell kann man sagen, dass Al Dschasira daran interessiert ist, der arabischen Welt auch jene Seiten des Krieges zu zeigen, die Amerika am liebsten verstecken würde. So hatte der Sender die Emotionen in der arabischen Welt mit den Live-Bildern von Palästinensern während der zweiten Intifada angeheizt. Auch jetzt wird Al Dschasira zivile Kriegsopfer zeigen. In der Nacht zum Sonntag strahlte er zum Beispiel Aufnahmen von toten Zivilisten in Basra aus. Angesichts der Bilder von teilweise zerstümmelten Leichen fragten sich Beobachter in der arabischen Welt, welche Bomben die Amerikaner dort eingesetzt haben. Diese Bilder müssten die Amerikaner mehr stören als die ihrer toten Soldaten, denn sie fachen die Emotionen in den arbaischen Ländern zweifelsohne an.

Trotz der neuen Konkurrenz auf dem arabischen Fernsehmarkt hat Al Dschasira eine dominierende Stellung. Der Sender hat als einziger einen Korrespondenten in Basra, der die ersten Bilder von Bombenangriffen auf die Stadt lieferte. Am Montag interviewte er live den Kommandeur der 51. irakischen Panzerdivision in der größten Stadt im Süden Iraks, die sich nach westlichen Meldungen längst ergeben haben soll. Auch in Mosul im Norden ist Al Dschasira vertreten, in Bagdad arbeiten sieben Korrespondenten und etwa dreißig Mitarbeiter. Der Sender hat enge Kontakte zum Regime von Saddam Hussein und genießt daher auch größere Freiheiten im Irak, wo Journalisten streng kontrolliert werden. Aber Al Dschasira zeigt auch die andere Seite: Jede Pressekonferenz aus Washington ist ebenso live zu sehen wie die des irakischen Verteidigungs- oder Informationsministers. Und in einem Bericht über eine Pro-Kriegs- und Anti-Kriegs-Demonstration in den USA wurden sogar zwei Exil-Iraker interviewt, die über das irakische Regime herzogen.

Auch wenn Washington jetzt über Al Dschasira verärgert ist, so hat die US-Regierung doch beschlossen, in diesem Krieg mit dem arabischen Sender zu kooperieren. US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hat dem Sender letzte Woche ein exklusives Interview gegeben. Ein so genannter „Liaison-Offizier“ des Pentagon hilft dem Sender in Katar bei Interviews mit US-Vertretern, berichtete die „New York Times“. Und US-Presseoffiziere sollen letzte Woche sogar zum Grillabend im Haus von Al-Dschasira-Nachrichtendirektor Omar Beck erschienen sein.

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