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Medien: Der Segensreiche

Norbert Thomma glaubt an den „Spiegel“-Papst Matthias Matussek

Der weiße Rauch stieg gestern auf über der Brandstwiete 19, Hamburg, gleich gegenüber der Speicherstadt, dort, wo Rauch sonst nur aus Schornsteinen von Schleppkähnen kommt, und der weiße Rauch, begleitet vom Glockenklang unzähliger Mobiltelefone, signalisierte: habemus papam. „Der Spiegel“ also hat einen neuen Papst, Matthias I., vormals Bürger Matussek.

Das wundert einen. Das Nachrichtenmagazin zeigte sich früher distanziert zur Kirche, von den vielen Verhältnissen Augsteins war das Verhältnis zum Glauben weniger intensiv ausgeprägt. Und von Stefan Aust heißt es, die Form des Kreuzes erinnere ihn zu sehr an Windmühlen, was ihn emotional eher abschrecke. Gottlob, diese Schwelle ist überwunden.

Denn gestern schrieb Matthias I. einen Kommentar bei „Spiegel-online“ mit der Überschrift: „Der deutsche Segen.“ Es war dies ein derartig patriotisch-religiöses Furioso, als müssten mit wenigen Zeilen die Sünden der vergangenen 50 Jahre aufgewogen werden. Schande über „die säkularen Zirkusnummern, die ansonsten die Schlagzeilen dominieren“! Ja, was war das? Kritik am Chefredakteur, am aktuellen Blatt? Dort ruft’s vom Titel großbuchstabig „Hatte Freud doch recht?“, unterm Fragezeichen räkelt lasziv eine Nackte, die Scham nur dürftig vom losen Stoffzipfel verhüllt. Soviel unselige Vermischung von wachem Geist und ungezügelter Lust – kein Wunder, da sehnt sich Matthias I. in „die unzeitgemäße Trutzburg aus Gebetstiefe, Kultur und Traditionen“.

Der Deutsche, klagt er: „trivial.“ Verbindet heutzutage mit Glauben nur „Priesterinnen, Kondome, Kommunion für alle“. Weiber unter der Soutane? Hostien für alle! Derlei modernistischem Schnickschnack hat der Hamburger Pontifex in seiner gestrigen Enzyklika eine klare Absage erteilt. Er sieht sich da charakterlich ganz eins mit dem römischen Benedikt, so „bescheiden und prinzipienfest“. So muss der Deutsche sein, denn bei ihm begann „das Drama der Modernität“. Hübsch formuliert.

Im Herbst wird Matthias I. die Leitung des Ressorts „Kultur“ in Hamburg übernehmen. Die erste Themenliste hat er schon aufgeschrieben: „die zehn Gebote, den sonntäglichen Kirchgang, die Sünde und die Beichte, den Rosenkranz...“ Mit seinem Segen wird das Ressort sich regen.

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