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Miriam Meckel

© Promo

''Der Spiegel''': ''Ein Leitmedium braucht eine Leitfigur''

Was war, was kommen muss: Miriam Meckel über Stefan Aust und den künftigen „Spiegel“.

Frau Meckel, war es die richtige Entscheidung, den Vertrag von „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust zum 31. Dezember 2008 auslaufen zu lassen?

Stefan Aust ist ein profilierter Journalist und vermutlich kein einfacher Chef. Ich bezweifele, dass eine allzu geländegängige Persönlichkeit in der Lage ist, den „Spiegel“ zu führen. Ein Leitmedium braucht eine Leitfigur. Dabei gilt: Der Bessere ist der Feind des Guten, der Schlechtere allerdings erst recht.

Wie hat sich der „Spiegel“ unter Austs Führung entwickelt?

Meiner Beobachtung nach hat Stefan Aust ein außergewöhnliches Gespür für Themen, die die Gesellschaft in Erregung versetzen. Das hat natürlich auch zum wirtschaftlichen Erfolg des „Spiegel“ beigetragen. Das Magazin ist damit allerdings auch populärer, manchmal sogar populistischer geworden. Ich habe mich schon zuweilen gewundert, wie flach ein journalistischer Anflugwinkel auch beim „Spiegel“ sein kann. Franziska Augstein hat das 2005 auf dem Verlegertag in Berlin heftig kritisiert: Der „Spiegel“ habe seinen Platz als „Leitmedium“ verloren. Die eigentliche Agenda setzt übrigens heute längst Spiegel Online und nicht mehr die gedruckte Version.

Wo sehen Sie Veränderungsbedarf beim gedruckten „Spiegel“?

Mir fehlt in Deutschland insgesamt ein Medium, das die erschlaffte deutsche Gesellschaft mal wieder in Diskussionswallung bringt. Wer führt denn die Debatten über die wirklich spannenden Fragen in Politik, Wirtschaft und Kultur? Den konstruktiven Kampf der Positionen, den Wettstreit der Meinungen zu beleben und voranzutreiben, das stünde dem „Spiegel“ gut an. Da gibt’s eine echte Marktlücke in Deutschland. Macht das „Cicero“? Nein, nun wirklich nicht.

Die Entscheidung der Mitarbeiter KG zielt auf eine jüngere Leserschaft. Ist das die richtige Marschrichtung für den „Spiegel“?

Es kann nicht einziges Ziel sein, auf die jüngere Leserschaft zu zielen. Das macht Spiegel Online längst wirklich gut. Allerdings ist die Themenauswahl und -rangfolge dort auch nicht mehr so, wie wir es aus den klassischen Printmedien gewohnt sind. Die jungen Leser kommen über die Website zum Heft und bleiben ihm vielleicht sogar über ihren medialen Lebenszyklus hinweg treu. Dafür muss der „Spiegel“ dann anderes bieten als Spiegel Online: Vertiefung statt Verflachung, Positionen statt Populismus.

Ist es notwendig, dafür einen Nachfolger Austs außerhalb des „Spiegel“ zu suchen?

Extern ist nicht zwangsläufig besser. Der „Spiegel“ hat hervorragende Leute, denen man nur wünschen kann, dass ihre Namen nicht zu oft öffentlich genannt werden, dann sind sie nämlich schnell verbrannt. Die Kernfrage lautet: Wofür soll der „Spiegel“ künftig stehen? Dafür muss es dann ein offenes Verfahren der Besetzung geben. Nach dem Motto: Person folgt Aufgabe – nicht umgekehrt.

Steht der „Spiegel“ vor turbulenten Zeiten?

Das Magazin hat schon viele wilde Zeiten überstanden. Wichtig ist doch, dass der „Spiegel“ ein Qualitätsmedium ist, das die Chancen auf einen anderen Journalismus bietet, als wir ihn heute als Produkt der Medienmaschinerie finden. Dafür muss er als Produkt und Marke gepflegt werden. Journalismus ist aber nicht Themenmarketing in verlängerter Wertschöpfungskette, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. Das mag bräsig klingen, ist es aber nicht. Wir brauchen Plattformen, auf denen die Gesellschaft sich verständigen kann. Ich würde mir wünschen, der „Spiegel“ würde hier die nächste Stufe zünden.

Das Interview führte Sonja Pohlmann.

Miriam Meckel ist Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen und Kommunikationsberaterin.

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