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Medien: „Der Tourismus verfälscht alles“

Deswegen wird das „Auslandsjournal“ auch nach dreißig Jahren weiterhin gebraucht. Meint Peter Scholl-Latour

Herr SchollLatour, dreißig Jahre „Auslandsjournal“: ein Grund zum Feiern?

Ja, natürlich. Obwohl ich dem „Weltspiegel“ der ARD persönlich mehr verdanke. Der „Weltspiegel“, für den ich seit 1965 regelmäßig aus Vietnam berichtet habe, hat mich bekannt gemacht. Damals war ich fast jede Woche zu sehen.

Aber dann wechselten Sie zum ZDF.

Im ersten „Auslandsjournal“ vom 5. Oktober 1973 war ich mit einem Bericht aus Burma vertreten. Ich wollte zu den letzten versprengten Resten der Kuomintang-Truppen, die natürlich nicht mehr kämpften, sondern längst vom Drogenhandel lebten. Wir sind mit Pferden von Thailand aus über die burmesische Grenze gegangen und haben tatsächlich die letzten Überlebenden aufstöbern können.

Wie lang war ihr erster Beitrag im „Auslandsjournal“?

Sechs oder sieben Minuten. Länger waren die Reportagen nie. Aber das war mir egal. Für mich waren alle meine Reisen nicht nur bloßer Journalismus, sondern immer auch persönliches Erlebnis.

Was hat Sie in die Welt getrieben?

Der französische Philosoph Montaigne hat gesagt: „Ich belehre nicht, ich erzähle.“ Das ist auch mein Motto: Ich erzähle nun mal für mein Leben gern. Journalismus war für mich immer Mittel zum Zweck. Große Botschaften zu verkünden, war nie mein Anliegen.

Haben Korrespondenten es heute schwerer, bekannt zu werden?

Eindeutig ja. Als John F. Kennedy Berlin besuchte, war Peter von Zahn als Reporter mit dabei. Die Menschen kannten ihn und haben ihm beinahe ebenso zugejubelt wie dem amerikanischen Präsidenten. Das ist heute unvorstellbar. Die Gesichter der Korrespondenten prägen sich nicht mehr so ein, weil die Korrespondenten nicht mehr so lange an einem Ort sind. Ich könnte Ihnen im Augenblick nicht sagen, welcher Korrespondent wo sitzt.

Ist die große weite Welt nicht auch kleiner geworden?

So ist es. Vor dreißig Jahren brachten die Berichte aus Paris oder London noch Welt-Flair in die Wohnzimmer. Das Europa von heute ist viel enger zusammengerückt.

Haben Sie als Korrespondent je erlebt, dass man Sie politisch an die Kandarre nehmen wollte?

Es gab nie den Versuch, meine politische Tendenz zu beeinflussen. Vielleicht deshalb, weil ich den Ruf habe, schwierig zu sein. Man kann als alter Mann altersmilde werden. Mir gefällt es allerdings besser, meinen Alterszorn zu kultivieren. Was ich mir gelegentlich erlaube, ist eine grimmige Heiterkeit.

Sehen Sie nicht auch die Tendenz, Korrespondenten zu Erfüllungsgehilfen der Mächtigen zu machen?

Die gab es immer. Aber ich habe noch niemandem nach dem Maul geredet. Und trotzdem immer ein Visum für den Irak bekommen, obwohl ich Saddam Hussein regelmäßig als Massenmörder bezeichnet habe. Niemand zwingt Sie, sich missbrauchen zu lassen.

Sie fordern in einem Beitrag zum 30. Geburtstag des „Auslandsjournals“, nicht die Spaßgesellschaft zum Maß aller Dinge zu machen.

Als ich Fernsehdirektor des WDR war, habe ich das durchgesetzt, was ich für interessant und wichtig hielt. Wir haben auch gefördert, was mir persönlich nicht so lag, Fassbinder zum Beispiel. Nach der Quote hat keiner gefragt, auch nicht, wenn es um neue Formen der Unterhaltung ging. Wir haben es eben probiert. Trotz der teilweise entsetzlichen Quoten. Mir war das aber vollkommen gleichgültig. Mit den Privaten kam die Quote – aber die Quote ist nun wirklich nicht alles.

Fehlt den Fernsehgewaltigen der Mut?

Das vielleicht nicht. Aber alle suchen nach einer Mixtur, die beim breiten Publikum ankommt. Ich glaube allerdings, in meinen Filmen ein bestimmtes Niveau nie unterschritten zu haben – und trotzdem schalten Millionen ein.

Robert Bachem, der Leiter des „Auslandsjournals“, hat seine Vision eines runderneuerten Journals so beschrieben: „Kein Minderheitenprogramm für außenpolitische Feinschmecker“. Wie gefällt Ihnen das?

Das ist möglicherweise etwas vorschnell formuliert. Aber erwarten Sie von mir bitte keine Kollegenschelte.

Das „Auslandsjournal“ hat an Bedeutung verloren. Sehen Sie das auch so?

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde das „Auslandsjournal“ in der Primetime ausgestrahlt. Dann musste es auf Wanderschaft gehen. Das hat dem Magazin ohne Zweifel geschadet. Außerdem kommt heute eine solche Flut an Informationen über uns, dass sich eine Sendung wie das „Auslandsjournal" sehr mühen muss, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden.

Hat sich das „Auslandsjournal“ überlebt?

Man könnte es immer noch so machen, dass es spannend ist. Eines muss man aber sagen: Es ist heute schwieriger denn je, eine interessante Sendung zu gestalten.

Der Zuschauer erwartet immer mehr. Weil er mehr weiß?

Nur weil die Touristen überall gewesen sind, heißt das doch noch lange nicht, dass ihr Wissen über die Welt zugenommen hätte. Der Tourismus verfälscht alles. Für mich wird ein Land erst dann wieder interessant, wenn die Touristen verschwunden sind.

Sie bereisen die ganze Welt. Sagen Sie uns: Wie gut ist das deutsche Fernsehen?

Das französische Fernsehen hat stark nachgelassen, und die BBC ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Sie werden es nicht glauben: Ich halte das deutsche Fernsehen für das beste der Welt. Auch wenn die Nachrichtensendungen immer seichter werden.

„Im Seichten kann man nicht ertrinken“, hat Helmut Thoma gesagt, Ex-Chef von RTL.

Es hat einen französischen Minister gegeben, der in einem Tümpel von gerade mal sechzig Zentimetern Tiefe ertrunken ist. Da hat man allerdings ein wenig nachgeholfen.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber .

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