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Medien: Der Überallmann

Kein ARD-Moderator ist fleißiger als Jörg Thadeusz – er hat vier Sendungen in einer Woche

Jörg Thadeusz hat einen unglaublich spannenden Job, er muss hinter die Privatkulissen von Prominenten schauen. Der 35-Jährige ist der Mann, der für die Talkshow „Zimmer frei!" im WDR die Türen der Gäste öffnet. Doch weil nicht alle Prominente so offen sind, muss sich Thadeusz für die Homestory häufig eine Alternative einfallen lassen. So auch bei Christiane Paul. Der Außenreporter wählte für die Berlinerin ein kleines Café in Pankow. Dort ging die Schauspielerin gerne hin, als sie noch in der Nähe wohnte. Das Café gefiel Thadeusz dann so gut, dass er selbst nach Pankow gezogen ist.

Für Dietmar Schönherr flog Thadeusz sogar nach Ibiza, wo er den Zuschauern weismachen wollte, dass der Schauspieler dort in seinem Haus Touristen empfängt und rundum verwöhnt. Selbst den größten Unsinn präsentiert Thadeusz mit dem Ausdruck innerster Überzeugung. „Der Text entsteht immer spontan“, sagt Thadeusz. Er bekommt vor der Sendung ein Exposé über den Gast und lässt dann am Ort der Prominenz seinem trockenen Witz freien Lauf. Dieser satirische Ausflug ist ein fester Bestandteil der Talkshow, in der Götz Alsmann und Christine Westermann einen Mitbewohner für ihre virtuelle WG suchen. Ein Zimmer mit glorreicher Aussicht: Für die Drei gab es im Jahr 2000 einen AdolfGrimme-Preis.

Diese Auszeichnung hat Thadeusz für die Qualität seiner Arbeit bekommen, doch wenn es auch einen Preis für Quantität gäbe, wäre er ein Kandidat. Der Dortmunder ist omnipräsent. Das merkt man, wenn man am Sonntagabend statt um 23 Uhr zu „Zimmer frei!" schon um 21 Uhr 45 das WDR-Fernsehen eingeschaltet hat. Da moderiert Thadeusz „Sport im Westen“. Noch bekannter ist er allerdings als Gesicht für die Politsatire „extra 3“ beim NDR am Donnerstagabend.

Ein, maximal zwei Genres trauen sich die meisten Moderatoren zu, Thadeusz arbeitet auf vier Bühnen. Neben Politik, Sport und Unterhaltung klingt sein viertes Standbein fast exotisch: „Die Profis“ – eine Wissenschaftsshow am Sonnabend bei Radio Eins. Ein Biotop in der Medienlandschaft für anspruchsvolle Hörer, jenseits des Schwallfunks. Hier darf Thadeusz schon mal über das Sexleben der Pilze talken und selbst ein Gespräch über acht Minuten hat ihm Programmchef Helmut Lehnert nicht übel genommen. Auch bei NDR und WDR genießt er solche Freiräume.

Mit dem Engagement beim Radio ist der Moderator zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Nach einem abgebrochenen Geschichts- und Politikstudium hat Thadeusz seine journalistische Karriere mit einem Praktikum beim Lokalfunk des WDR in Dortmund begonnen.

Die Überschneidung der Arbeitsfelder führt auch zu Problemen. Gerade bei „Sport im Westen“ muss der bekennende Fan von Borussia Dortmund mit harter Kritik für seine unorthodoxe Moderation leben. Satire und Humor sind für die meisten Zuschauer in diesem Genre ungewohnt. Doch Tadeusz hat die Rückendeckung seiner Redaktion. Selbst anzügliche Witze mit einer Handballerin nehmen ihm die Kollegen, anders als vielleicht die Zuschauer, nicht übel. Er hat einfach das gesagt, was er in diesem Moment gedacht hat. Thadeusz ist ein Freund des Ad-hoc-Witzes. Aber auch er kennt, nach eigenem Bekunden, Geschmacksgrenzen, wie das Promiboxen bei RTL. „Da ist selbst mir das Lachen vergangen“, sagt Thadeusz, der als Jugendlicher selbst im Ring gestanden hat. Nach einer wenig ruhmreichen Karriere als Fußballer hat er mit seinem Bruder Frank das Boxen begonnen – aus gutem Grund. „Als dicker Junge brauchst du was, womit du auffällst.“ Doch auch das Boxen brachte nicht den erhofften Ruhm. „Gute Boxer schlagen nach einem Treffer gleich zurück.“ Es ist ein Reflex, Thadeusz hat, statt zurückzuschlagen, nach einem Treffer immer nur mit dem Kopf gewackelt. „Eine schlechte Angewohnheit.“ Für den großen Durchbruch fühlte er sich ein wenig zu feige. Immerhin hat er gelernt auszuteilen und einzustecken. Einen Vergleich zu seinen Moderationen lehnt er aber ab. „Wenn ich einen Vergleich ziehen würde, dann den: Beim Boxen wird nach festen Regeln gekämpft.“

Das Fairplay steht für Thadeusz auch in seinen Moderationen im Vordergrund. Er hat klare Grenzen: Wenn es um die Verletzung der Privatsphäre eines Menschen geht, hört der Spaß auf. Trotzdem haben es prominente Gäste aus dem Showbusiness leichter als Politiker. Die wollen Thadeuzs was verkaufen – und Thadeusz will das verhindern.

Damit er das verhindern kann, muss er in allen vier Sachgebieten auf dem Laufenden sein. Da die Redaktion die Beiträge erstellt und er sich nur um die Moderation kümmert, ergeben sich für ihn sogar Freiräume. „Das sieht nach mehr aus, als es ist.“ Erst wenn er mal merken sollte, dass es zuviel wird und er seinem eigenen Maßstab nicht mehr gerecht wird, dann will er mit einer Moderation aufhören.

Vier Sendungen sind offenbar keine Arbeitswoche. Deshalb hat sich Thadeusz – quasi nebenbei – auf Neuland gewagt. Am Montag ist sein erstes Buch erschienen: „Rette mich ein bisschen“. Darin hat er seine Erfahrungen aus 26 Monaten Rettungsdienst bei den Johannitern in Dortmund aufgeschrieben. Eingepackt in einen Roman. Jörg Thadeusz ist sich ganz sicher: „Es ist ein Sanitäterroman.“ Er schmunzelt ein wenig. „Allerdings sagen die meisten Frauen, es sei eher ein Liebesroman.“ Ein Geschichte, in der dann selbst das kleine Café in Pankow vorkommt.

Ingo Wolff

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