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Medien: Der Zuschauer will Live-Sport

Wer braucht noch das hintergründige „ZDF-Sportstudio“ am Samstag um 23 Uhr?

Sportlich gesehen ist es eine Niederlage. Das „ZDF-Sportstudio“ hat seinen Stammplatz an einen erfahrenen Spieler von der Ersatzbank verloren. Es ist seit kurzem samstags erst um 23 Uhr zu sehen, denn nach dem „heute-journal“ zeigt das ZDF lieber eine Wiederholung von „Ein Fall für zwei“. Das verspricht die bessere Quote. Am vergangenen Samstag zum Beispiel schauten sich 3,5 Millionen Menschen die Krimiserie an, eine Quote, die das „Sportstudio“ schon lange nicht mehr erreicht hat. Für das „Sportstudio“ entschieden sich nur noch 2,1 Millionen Zuschauer.

Es sind jedoch nicht nur die Verschiebung des Sendetermins in die Nacht hinein und die Quote, die den aktuellen Zustand des „Sportstudios“ beschreiben. Die Sendung befindet sich mindestens in einer schwierigen Lage, wenn nicht längst in einer Identitätskrise. Die Distanz ist groß zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und dem Glanz, in dem sich die Sendeverantwortlichen im vergangenen Jahr sonnten, als sie den 40. Geburtstag des „Sportstudios“ feierten.

Die Lage des „Sportstudios“ ist auch deshalb so schwierig, weil es die Sportredaktion offenbar nicht mehr selbst in der Hand hat, die Krise zu meistern. Der stellvertretende Redaktionsleiter Dieter Gruschwitz sagt jedenfalls: „Die gesamte Gestaltung des Samstagabends in der Gesellschaft hat sich verändert. Die privaten Sender zeigen deshalb von 22 Uhr an Shows, Quizsendungen oder gute Spielfilme. Darunter hat das Sportstudio gelitten.“

Die Aufregung um den nach hinten verschobenen Sendetermin können sie beim ZDF dennoch nicht verstehen. „Wir haben schon von Dezember 2002 bis Februar 2003 im Schnitt erst um 22 Uhr 32 angefangen. Und jetzt auf einmal gibt es ein großes Hallo“, sagt Joachim Günther von der Redaktionsleitung des „Sportstudios“.

In der Tat ist der neue Sendetermin auch nur der jüngste Anlass für Fragen, denen das „Sportstudio“ schon länger ausgesetzt ist. Wie groß ist das Bedürfnis der Zuschauer nach einer Nachberichterstattung der Fußball-Bundesliga? Und vor allem: Wie groß ist ihr Interesse an Hintergrundberichten?

Wenn das „Sportstudio“ gesendet wird, hatten die Zuschauer schon mehrere Male die Gelegenheit, sich alle Tore der Liga in frei empfangbaren Kanälen anzuschauen. Die ARD-„Sportschau“ zeigt sie ausführlich, die „Tagesschau“ bietet Höhepunkte an und moderiert auch noch ein bisschen um die Spieler herum. Selbst der Nachrichtensender n-tv hat schon das Wichtigste vom Spieltag gezeigt, bevor das „Sportstudio“ beginnt.

Zu Recht beansprucht die Sendung, von den Spielen nicht nur zu berichten, sondern sie einzuordnen oder sie sogar als hübsche Geschichten zu erzählen. Die Stücke von Bela Rethy etwa gehören zum Besten, was der deutsche Fernseh-Sportjournalismus zu bieten hat. Regelmäßig findet in der Redaktion eine Sprachkritik statt, um Stilblüten erst gar nicht aufkommen zu lassen. Für die Interviews mit ihren Gästen nehmen sich die Moderatoren mehr Zeit als bei anderen Sendern und fragen über den Tag hinaus.

Gleichwohl ist ein Widerspruch aufgetreten: Seit der Sender vor vier Jahren im Zuge einer Neuordnung das „Aktuelle Sportstudio“ in „Sportstudio“ umbenannt hat, ist es aktueller denn je. Regelmäßig bettet es die Redaktion in Ereignisse ein, vor allem in Boxwettkämpfe. Die Quoten übertreffen die des Standard-„Sportstudios“ deutlich, das inzwischen öfter aufgezeichnet wird, um den Gästen und Zuschauern im Studio die späte Anreise zu ersparen.

Wird die journalistische Qualität der Sendung, wird die Hintergrundberichterstattung also überhaupt noch vom Zuschauer gewürdigt? „Die Akzeptanz bei Hintergrundberichten hat nachgelassen. Die Zuschauer haben eine klare Präferenz für den Live-Sport“, sagt Gruschwitz. Es ist eine Entwicklung, die sich seit der Einstellung des „Sportspiegels“ im ZDF und von „Sport unter der Lupe“ im Südwestfunk immer weiter fortsetzt. Offenbar gibt es eine zunehmende Arbeitsteilung zwischen den Medien: Das Aktuelle in Fernsehen, Radio und Internet, die Hintergründe und Geschichten in Zeitungen und Magazinen.

Das „Sportstudio“ kann oder will sich aber zwischen Aktualität und Zeitlosigkeit nicht recht entscheiden und will sich auch nicht auf bestimmte journalistische Stilformen festlegen. Bis zur vergangenen Saison gab es noch einen Bundesliga-Kommentar im „Sportstudio“. Jetzt gibt es ihn nicht mehr. Michael Palme hatte ihn häufig gesprochen. Am Freitag hatte Palme seinen letzten Arbeitstag. Er ist vorzeitig in den Ruhestand gegangen.

Die Aufregung um den späten Sendetermin ist auch deshalb verständlich, weil das „Sportstudio“ dabei an den Maßstäben gemessen wird, die es selber aufgestellt hat. Es wollte immer journalistisch sein und zugleich zur großen Samstagabendunterhaltung gehören. Nun hat es unter seinen Ansprüchen zu leiden und unter der großen Tradition, angefangen von der Titelmelodie bis hin zur Torwand. Dabei gab es sogar intern schon Diskussionen, das „Sportstudio“ auf den Sonntag zu verlegen, wenn das ZDF die Erstverwertungsrechte für die beiden Sonntagsspiele der Bundesliga erwirbt. Doch diese Pläne hat das ZDF nicht weiter verfolgt.

Hinter vorgehaltener Hand sagt einer aus der Redaktion, sie wunderten sich sowieso schon, warum das „Sportstudio“ überhaupt noch in dieser Form bestehe.

„Sportstudio“: ZDF, 23 Uhr

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