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Die "heute-show" mit Oliver Welke.

© Tsp

Deutsche Salafisten: Die mediale Aufregung um die Scharia-Polizei ist nicht übertrieben

Bei allen Empörungswellen: Die breite Berichterstattung über die Scharia-Polizei war wichtig. Sie macht deutlich, in welchem Elend wir Muslime uns befinden.

„Wir wollen niemanden auf den Keks gehen“. Das waren vor knapp zwei Wochen die Worte von Sven Lau, dem deutschen Salafistenprediger und Initiator der selbst ernannten Scharia-Polizei, mit der er deutsche Medien beglückte. Zur Erinnerung: Radikalislamistische Salafisten waren in Wuppertal in orangefarbenen Westen als „Scharia-Polizei“ aufgetreten und nachts durch die Straßen patrouilliert. Die Scharia ist das islamische Recht, das von Salafisten extrem konservativ ausgelegt wird.

Muslime und Medien also – die m&m Deutschlands. Wer von beiden der Naiv-Trottelige in dieser Aufstellung ist? Entscheiden Sie selbst. Eines steht fest. Beide brauchen einander. Sie sind Bündnispartner im Kampf gegen Auflagen-, Klick- und Zuschauerschwund. Denn auf die Rezipienten ist immer Verlass: Irgendeine Seite ist immer empört. Ein Automatismus, der sich zu einem kalkulierten Spiel entwickelt hat. Wie jüngst in der „Bild am Sonntag“, mit Nicolaus Fests Zeile, der „Islam ist ein Integrationshindernis“. Für die Empörungswelle nimmt „Bams“ eine Presseratsrüge in Kauf. Dafür war man in aller Munde, das zählt im Medienbetrieb. Ein gefährliches Spiel, in dem die Salafisten mitmischen wollen.

Nicht immer haben sich die Medien rühmlich im Zusammenhang mit dem Thema Muslime verhalten. Zwangsheirat oder Kriminalität wurden häufig als Eigenart der Muslime dargestellt, bis ein Teil der Bevölkerung dem Glauben schenkte. Die NSU-Berichterstattung – Stichwort „Dönermorde“ – ist Zeugnis dieses rassistischen Denkens. Heute sind Muslime in den Medien angekommen. Angekommen in den Redaktionen oder als Ansprechpartner. Nun mag mancher aufspringen und sagen, stimmt nicht. Schließlich hat in den Medien nur jeder 50. Journalist einen Migrationshintergrund. Wer davon Muslim ist, muss noch ermittelt werden. Ich bleibe dabei: Die Berichterstattung über und die Medien-Zeiten für Muslime haben sich geändert – und zwar zum Positiven.

Niemand hat Einfluss auf seine Herkunft.

Über Muslime wird nicht mehr berichtet, als wären sie gerade aus einem unzivilisierten Loch gekrochen. Was eigentlich nicht zu kritisieren wäre. Niemand hat Einfluss auf seine Herkunft. Auf sein eigenes Handeln schon. Das ist auch der springende Punkt: Was machen wir Muslime daraus? Konvertiten wie Sven Lau und Pierre Vogel haben Blut geleckt. Endlich haben sie ihre Rolle im Leben gefunden. Allah ist barmherzig und verzeiht im Gegensatz zu ihnen die Überforderung mit Freiheiten wie Alkoholkonsum, Sexualität, unbedecktem Haar und Religionsfreiheit. All das, womit die Konvertiten und ihresgleichen nicht umgehen können, wollen sie der gesamten Menschheit verbieten. Damit gehen sie einem nicht nur auf den Keks. Sondern kübeln ihre gefährliche Einfältigkeit, die zum Kalkül geworden ist, in alle neuen Medienkanäle. „Was passiert mit dem, der die ganze Zeit unterdrückt wird, (…) der wird der wahre Starke, und das ist nicht im Sinne der meisten“, sagt Lau in einem Video über die Scharia-Polizei.

So instrumentalisieren deutsche Salafisten die Diskriminierung der muslimischen Einwanderer und geben sie in den neuen Medien als die ihre aus. Alles für ein wenig Aufmerksamkeit, die in ihrem Leben zu fehlen scheint. Im Namen Allahs. Zwar hat er das Universum erschaffen. Aber ohne die Konvertiten und ihre Nachahmer wäre der Islam verloren. Vieles kann man dieser Truppe im Dunstkreis von Vogel, Lau & Co. vorwerfen. Nicht, dass sie keine Ahnung von neuen Medien hätten. Niemand hätte von der Scharia-Polizei erfahren, hätten sie ihre Aktion nicht via Youtube dokumentiert. Was ihre Medienkompetenz angeht, sind sie besser organisiert als mancher Islamverband, der nicht in der Lage ist, eine pünktliche Pressemitteilung zu versenden. Geschweige denn, den Koordinationsrat im Vereinsregister anzumelden und im Sinne der deutschen Muslime zu arbeiten, anstatt wie ihre verpönten Glaubensbrüder Kameralinsen hinterherzuhecheln. Diese neue Muslim-Generation will mitmischen im Medienbetrieb der Großen. Das Internet ist dabei ein wichtiger Teil. Muslim-Promis müssen sich warm anziehen und kriegen junge Konkurrenz.

Die Salafisten dokumentieren alles

Die breite Berichterstattung über die Scharia-Polizei war wichtig. Sie macht deutlich, in welchem Elend wir Muslime uns befinden. Wir lassen ignorierend zu, dass diese Gruppen an Zulauf gewinnen. Kein toleranter Muslim kann morgen behaupten, er habe nicht gewusst, was Salafisten hinter verschlossenen Türen aushecken. Denn sie dokumentieren alles. Es ist Zeit, uns klarzumachen, dass die Wortführer der Salafisten zwar zu keinem Terror aufrufen, aber durchaus mit ihrem Schwarz-Weiß- Denken nicht nur den Islam missbrauchen, sondern auch eine Brücke zum menschenverachtenden Terror bilden. Liebe geht durch den Magen und zahlreiche Isis-Kämpfer durch die unerträglichen Predigten von Vogel & Co.

Wer heute als Muslim sagt, er müsse sich nicht von der Isis distanzieren, verschließt die Augen vor der Realität. Sie oder er hat nicht begriffen, dass wir Muslime die Leidtragenden sind. Eltern haben ihre Kinder an diese Ideologen verloren oder sind gerade dabei. Wegzuschauen, nicht aktiv zu werden, ist egoistisch und genauso unreif, wie die Macher der Scharia-Polizei, die heute Pro-Halal heißt und morgen Inschallah-Hirntod.

Die Autorin ist Herausgeberin und Chefredakteurin von „Gazelle“, einer multikulturellen Frauenzeitschrift. Im Herbst 2010 erschien ihr Buch „Muslim Girls: Wer wir sind, wie wir leben“.

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