zum Hauptinhalt

Medien: "Deutsche Welten": Hanoi in der Platte

"Wo viele Vietnamesen sind, da sind immer ein paar schwarze Schafe." Die Reportage über das Leben von Vietnamesen in Deutschland beginnt fast standesgemäß: mit einem Vorurteil.

"Wo viele Vietnamesen sind, da sind immer ein paar schwarze Schafe." Die Reportage über das Leben von Vietnamesen in Deutschland beginnt fast standesgemäß: mit einem Vorurteil. Doch der Satz stammt von einem Vietnamesen, der einen asiatischen Großmarkt in Berlin-Marzahn betreibt - ein "Klein-Hanoi", mitten im Plattenbaugebiet. Hier trifft sich jeden Tag die Berliner Gemeinde aus Nordvietnam. Sie besteht aus ehemaligen DDR-Vertragsarbeitern, die sich heute als Händler und Köche durchschlagen. Oder als schwarze Schafe.

Der letzte Film in der ARD-Reihe "Deutsche Welten" (heute, 23 Uhr) ist eine Annäherung an ein abgeschottetes Reich. Es existiert parallel neben dem deutschen Alltag - mit buddhistischen Tempeln und eigenen Fußballvereinen. Doch die Vietnamesen sind keineswegs eine homogene Gruppe. Es gibt einerseits die vom Sozialismus angeheuerten Nordvietnamesen, die in Ostdeutschland leben, und andererseits die Südvietnamesen, die vor dem Kommunismus in den Westen flüchteten. Beide haben nur eines gemeinsam: Sie gelten bei vielen Deutschen als "Fidschis", die mit geschmuggelten Zigaretten handeln.

Die Autorin Ulrike Baur taucht Stück für Stück in die abgeschottete Welt ein. Mit ruhiger Kamera porträtiert sie den Alltag der deutschen Vietnamesen. Da ist der Polizeibeamte Dang, der tagsüber Berliner Straßen absperrt und abends im Karaoke-Club Heimatlieder singt. Oder der frühere Militärarzt Dr. Duong, der in einem Asylbewerberheim Landsleute behandelt. Seine Familie wartet in Vietnam auf ihn, seit zehn Jahren schon.

Die unaufgeregte Darstellung ist die Stärke des Films. Erhobene Zeigefinger kommen nicht vor. Leider werden Fragen nach den Gründen des "Fidschi"-Hasses ausgeblendet. So bleibt der Zuschauer zuweilen ratlos, etwa bei der Geschichte des Sozialarbeiters Thinh aus Rostock-Lichtenhagen. Er musste im Sommer 1992 um sein Leben rennen, als Jugendliche sein Wohnheim abfackelten. Vom Dach aus sah er, wie die Nachbarschaft Beifall klatschte. Herr Thinh lebt seit 17 Jahren in Rostock. "Hier wird meine Heimat sein", sagt er mit gesenktem Blick, "Vietnam ist einfach zu weit weg."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false