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Medien: Die Auserwählten

Elitär und angepasst: Die White-House-Reporter stehen in der Kritik

Vor knapp einem Monat stand in der „New York Times“ eine bemerkenswerte Schlagzeile: „Bush verbietet das Bezahlen von Kommentatoren.“ Auf einer Pressekonferenz sagte der US-Präsident: „Wir werden keine Kommentatoren bezahlen, damit sie für unsere Agenda werben.“ Zuvor soll er seinem Kabinett die Leviten gelesen haben. Steuergelder dürften nicht für Regierungspropaganda missbraucht werden. Dennoch wollen zwei Senatoren der oppositionellen Demokraten, Edward Kennedy aus Massachusetts und Frank Lautenberg aus New Jersey, demnächst einen Gesetzentwurf im Kongress einbringen. Dessen Titel spricht für sich: „Stop Government Propaganda Act“.

Was war passiert? Eine Reihe von Skandalen erschüttert seit einiger Zeit das Verhältnis zwischen der US-Regierung und den amerikanischen Medien. Mindestens sechs Journalisten wurden enttarnt, die entweder direkt Gehälter von der Regierung bezogen oder für Unternehmen arbeiteten, die sich die Verbreitung der Regierungsideologie zur Aufgabe gemacht haben. Das Bildungsministerium zahlte Tausende Dollar an Armstrong Williams, einen konservativen Autoren und Radioreporter, damit der Reklame für die neue Schulpolitik des Weißen Hauses macht. Maggie Gallagher wiederum, deren Editorials im ganzen Land gelesen werden, stand auf der Gehaltsliste des Gesundheitsministeriums. Dort zahlte man für ihren Rat in Sachen Ehepolitik 21500 Dollar. Die entsprechenden Initiativen der Regierung lobte sie daraufhin nach Kräften.

Es scheint etwas faul zu sein im Verhältnis zwischen amerikanischer Regierung und amerikanischen Medien. Und wie immer, wenn Geld fließt, müssen sich beide Seiten kritische Fragen gefallen lassen: Wollte der Geber bestechen? Ließ sich der Nehmer bestechen? Immer mehr Geld jedenfalls pumpt die Bush-Regierung in ihre PR-Arbeit. Rund eine Viertelmilliarde Dollar sollen es im vergangenen Jahr gewesen sein. Davon wurden 88 Millionen an Privatfirmen gezahlt. Im Jahr zuvor waren es nur 64 Millionen. Frisch in Erinnerung ist auch die Blamage, die das Pentagon einstecken musste. Dessen ambitionierte Pläne für ein „Office of Strategic Influence“, das zur Not auch frisierte Nachrichten an ausländische Medien verteilen sollte, mussten 2002 fallen gelassen werden. Die Empörung war zu groß.

Die jüngste Affäre trägt den Namen „Gannongate“. James Guckert, alias Jeff Gannon, hatte sich knapp zwei Jahre lang Zugang zu den Pressekonferenzen im Weißen Haus verschafft. Angeblich arbeitete er für zwei Online-Magazine. Die allerdings sind weder unabhängig noch besonders relevant, sondern streng auf republikanischer Linie. Gannon war aufgefallen, weil er, statt Fragen zu stellen, meist nur konservative Statements abgab. Ins Weiße Haus kommen nur sorgfältig ausgewählte Reporter. Wer hatte Guckert, alias Gannon, den Zutritt verschafft?

Heute fällt das Pressekorps des Weißen Hauses in Mainz ein. Ist es zu willfährig, naiv und unkritisch? Sind die Star-Journalisten Amerikas zu Sprachrohren der Regierung geworden? Den Präsidenten begleiten sie auf Schritt und Tritt. Doch die Skandale enthüllen andere. Das hat Gründe. Die „White-House-Reporter“ verstehen sich nicht in erster Linie als Enthüller, sondern als Faktensammler, die durch geschicktes Fragen die Regierung unter Erklärungsdruck setzen. Sie üben sich nicht im ideologischen Pingpong – „wie konnten Sie es wagen, den Irak anzugreifen“. Statt dessen suchen sie nach Informationen – „wann fiel der Entschluss, wer wurde wann informiert“.

Das Prestige dieses Presseklüngels ist immer noch hoch. Das Gehalt ist üppig, die Karriere gesichert. Was im Fernsehen nie gezeigt wird, ist der Kontrast: Vorne steht, vor einem blauen Samtvorhang, der Sprecher des Weißen Hauses oder der Sicherheitsberater. Zu deren Füßen sitzen in einem niedrigen, dunklen Raum auf verranzten Klappstühlen die Reporter. An den Seitenwänden stehen Mülleimer, die meist voll mit Pappbechern sind. Im Hintergrund surrt der riesige Kaffee-Apparat. Die Atmosphäre hat den Charme eines Kinos nach dem zweiten von vier Filmen der „langen Gruselnacht“.

In den Privilegienclub aufgenommen zu werden, ist schwer. An etwa zwei Dutzend Reporter werden Tagesausweise verteilt. Um solche hatte sich auch Guckert, alias Gannon, beworben. Das Prozedere für Tagesausweise ist relativ unkompliziert. Geprüft werden Name, Sozialversicherungsnummer, Geburtsdatum, dann entscheidet ein Presse-Mitarbeiter des Weißen Hauses. Höchst begehrt dagegen ist der „hard pass“. Er erlaubt regelmäßigen Zutritt. Wer sich um einen „hard pass“ bewirbt, wird vom Secret Service und dem FBI genauestens überprüft. Wer es geschafft hat, gehört dazu. Er hat die Ehre, eventuell dem Präsidenten bei einer live übertragenen Pressekonferenz eine Frage stellen zu dürfen. Und der weiß, wen er drannimmt – auch heute wieder in Mainz. Alle anderen sind Statisten.

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