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Anna, Musical-Darstellerin und Dozentin an einer Schauspielschule, lacht und weint viel vor der Kamera.

© dpa

"Die Bachelorette" auf RTL: Im Schlaraffenland möglicher Beziehungsanbahnung

Nachdem "Der "Bachelor" auf RTL quotenmäßig immer besser funktioniert, zieht der Privatsender mit "Die Bachelorette" nach und dreht den Spieß um. Das ist mal erfrischend launig und mal zum Fremdschämen peinlich. Warum schauen sich immer mehr so etwas an?

Sind jetzt endlich die Männer dran, sich vollkommen lächerlich zu machen? „Die Bachelorette“ - ein Blondine namens Anna, Musical-Darstellerin und Dozentin an einer Schauspielschule. Sie lacht und heult viel vor der Kamera und kommt schon in den ersten Sekunden extrem sympathisch rüber. Sie darf in diesem Schlaraffenland möglicher Beziehungsanbahnung jede Menge leckere Kerle ausprobieren.

Und muss dann trotzdem gnadenlos aussortieren. Und weil auch bei den Bachelorette-Männern keiner gerne rausfällt, putzen sie sich heraus, als sei metrosexuell noch immer ganz en vogue. Sie schlüpfen in die Macho- oder die Gentleman-Rolle. Sie lassen Guter-Freund-Charme oder Lausbuben-Nettigkeit durch den Raum schweben. Nur hin und wieder durchbricht jemand die Richtige-Männer-Konvention. Polizist Maik will den ersten Brief von Anna mit nach Hause nehmen und aufhängen. Und der UFC-Fighter Pascal versucht mit einem Kompliment zu punkten. „Du warst heute Abend mit Abstand die bestaussehendste Frau hier.“ Eigentlich eine Streicheleinheit mit doppeltem Boden, Anna ist ja das einzig Weibliche vor Ort. Aber mit so feiner Ironie haben es die anderen Macker nicht so. Da rollen mitleidvoll Augen. Oder es wird mit Abscheu vor dieser Schleimerei genervt zur Zimmerdecke gestarrt.

Spritzende Sektflaschen und feuchte Schlammfahrten

Ansonsten die selben Regeln wie beim männlichen Sendungs-Pendant. Die Kandidaten werden zu zweit vorgefahren. Ein kurzer Talk. Mal erfrischend launig und dann wieder zum Fremdschämen peinlich. Großes Meeting im Haus. Zwanglose Gespräche mit leichten Anfällen von Rivalität. Am Ende 16 Rosen für 20 Männer. Vier müssen nach Hause. Man spürt den Aussortierten an, dass sie die Schmach kaum oder nur mit gespielter Überheblichkeit akzeptieren können. Nächste Woche, zur selben Zeit - spritzende Sektflaschen, feuchte Schlammfahrten und Bauingenieur Thomas will Anna den ganzen Hals abschlecken.

Die vier Staffeln „Der Bachelor“ funktionieren quotenmäßig immer besser. Also warum nicht das Ganze umdrehen? 2004 ging RTL mit dem Ableger „Bachelorette – Die Traumfrau“ ziemlich unter. Immer weniger Zuschauer taten sich diese Frau-wählt-Mann-Kuppelshow an. Das RTL es jetzt nochmal versucht, ganz schön blöd oder ganz schön clever? Klar, der Zeitgeist hat sich seit damals verändert. Die „menschenverachtendste und verkommenste TV-Sendung seit Menschengedenken“ wurde zu einem Zuschauerhit.

Feldversuche mit Kamera

Nur warum schauen sich immer mehr so etwas an? Weil sie eh dumm sind? Weil man Scheiße fressen soll, da sich Millionen Fliegen nicht irren können? Nein! „Der Bachelor“ und „Die Bachelorette“, das sind mediale Versuchsanordnungen, Feldversuche mit Kamera. Dabei edel aufgehübscht und mit farbkorrigierten Kitsch-Touch garniert. Cabrio, Kerzen, Sekt und Kaminfeuer. Dazwischen nur attraktive Menschen. Es geht um Selbstbild und Fremdbild. Um den ersten Eindruck und ob der stimmt. Optische Klischees und ihre Widerlegung. Für den Friseur mit Ganzarm-Tattoo sind die Eltern das Wichtigste. Der Ultimate Fighter spielt Klavier und liebt seinen Hund. Und der Polizist verschenkt Komplimente und einen kleinen Teddybären. Nach zwei Stunden Herzklopfen à la RTL werden ein paar No Goes klar. Baseball-Kappen mit Schirm auf der Seite – grauenhaft. Kerle mit kurzen Hosen und Sakko – gewöhnungsbedürftig. Und die Ausdrücke „Alter“ und als Steigerung „alter Schwede“ sollten mit Rosamunde Pilcher-Konsum nicht unter drei Stunden bestraft werden.

Das Fernsehpublikum jedenfalls mochte sich am Mittwochabend noch nicht so recht mit dem Thema anfreunden: 2,57 Millionen Zuschauer verfolgten ab 20 Uhr 15 den Start der neuen, auf sieben Teile angesetzten RTL-Kuppelshow.

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