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Medien: Die Bilderhoheit

Per Internet-Fernsehen berichtet die Nato über ihre Auslandseinsätze.

Der Weltfrieden passt jetzt ins Bild, auch im übertragenen Sinne. Am vergangenen Mittwoch – zum Auftakt des Nato-Gipfels in Bukarest – hat das nordatlantische Militärbündnis seinen neuen Fernsehkanal im Internet freigeschaltet. „Natochannel.tv“ soll dem Publikum vor allem Hintergrundinformationen über die inzwischen zahlreichen Auslandseinsätze der Allianz liefern. „Wir senden keine Nachrichten im klassischen Sinne, sondern berichten über das, was die Öffentlichkeit sonst nicht zu sehen kriegt“, sagt die dänische Projektleiterin von Natochannel, Sissen Leidesdorff.

Die dänischen Streitkräfte, die unter anderem in der umkämpften afghanischen Südprovinz Helmand die Sicherheit des Nordatlantikbündnisses verteidigen, waren mit ihrem Internetsender „Forsvarskanalen“ Vorreiter des Nato-Kanals. Er ging vor zwei Jahren auf Sendung und bekam in der Heimat so viel Zuspruch, dass man in Brüssel auf die Idee kam, es den Dänen nachzutun. Dänemark hat der Nato dafür für die kommenden anderthalb Jahre 1,3 Millionen Euro aus dem nationalen Etat zur Verfügung gestellt. „Vor allem die Familien von Soldaten haben uns gesagt, wie wichtig es für sie ist, zu sehen, in welchem Umfeld ihre Liebsten viele Kilometer entfernt arbeiten“, sagt Leidesdorff. „Dabei geht es nicht nur um Kampfeinsätze und zivile Hilfsprojekte, sondern auch darum, was die Männer und Frauen in Uniform im Friedenseinsatz in ihrer Freizeit tun.“ So zeigt ein Beitrag bei Forsvarskanalen ein Interview mit zwei jungen dänischen Soldatinnen, die über ihre Erfahrungen als weibliche Mitglieder einer größtenteils männlichen Kampftruppe berichten – das überraschende Einsetzen der Monatsblutung an der Front eingeschlossen.

Derlei intime Einblicke in die Privatsphäre der Friedenssoldaten gibt es bei Natochannel bislang nicht. Derzeit finden sich auf der Homepage des Senders vor allem Mitschnitte von Pressebriefings und Politikerreden beim Bukarester Nato- Gipfel oder Pressekonferenzen aus dem Hauptquartier der Allianz in Brüssel sowie ein umfangreiches Online-Archiv, wo man nach Fotos aus längst vergangenen Nato-Zeiten suchen kann. Alles servicegerecht und für die Presse sogar in verschiedenen Formaten zum kostenlosen Runterladen, inhaltlich aber doch reichlich dröge.

Das Angebot an Reportagen über die Nato-Auslandsmissionen, dem Steckenpferd des Senders, ist dagegen bislang mau: Ein Beitrag zeigt die einheimische Bevölkerung und Soldaten der Afghanistan-Schutztruppe Isaf beim Neujahrsfest, eine Reportage liefert bewegte Bilder über die Winterhilfe der afghanischen Armee. Die Video-Clips, allesamt produziert von teils bei der Nato angestellten, teils freiberuflichen Journalisten, übermitteln in Bildern die neue Strategie für den Afghanistan-Einsatz, die das Nordatlantikbündnis beim Gipfel in Bukarest verkündet hat: Nicht mehr der Einsatz von Soldaten allein soll künftig die Friedensmission am Hindukusch bestimmen, sondern auch verstärkt zivile Aktivitäten.

Propaganda für den „umfassenden Ansatz“ also, wie das neue Konzept für die Afghanistan-Mission bei der Nato genannt wird? Nein, beteuert Projektleiterin Leidesdorff. „Wir wollen zeigen, was bei Auslandseinsätzen passiert“, sagt sie. „Gutes wie Schlechtes“. Bei der Themenauswahl und Berichterstattung seien die zwölf Reporter von Natochannel dabei völlig frei. Allerdings endet die journalistische Freiheit in Brüssel: Sämtliche Beiträge werden, wie Leidesdorff auf Nachfrage etwas kleinlaut zugibt, vor der Veröffentlichung im Internet von höchster Stelle überprüft. Von Zensur will die Projektleiterin aber keinesfalls sprechen: „Bisher sind alle im Auftrag von Natochannel produzierten Videos auch veröffentlicht worden.“

Veröffentlich vielleicht; ob die Internetberichte indes auch die erreichen, die sich tiefere Kenntnisse über die Auslandseinsätze oder einen heißeren Draht zu den dort eingesetzten Soldaten wünschen, wird schon durch die angewandte Technik infrage gestellt. Eigentlich sollen laut Nato-Marketing „ein Computer mit Internetzugang und ein paar Klicks“ genügen, um sich die englischsprachigen Video-Clips im Netz anschauen zu können. Allerdings bedarf es dafür bestimmter Zusatzprogramme, die unter Umständen erst umständlich heruntergeladen und auf dem Rechner installiert werden müssen. Unfreiwilliger- weise passt auch das zur neuen Nato-Strategie: Wer den Frieden will, muss viele Wege gehen.

www.natochannel.tv

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