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Die EM-Quoten: Deutschland Spitzenreiter

© . Tsp/Bartel

Die EM im Fernsehen - eine Zwischenbilanz: Der Fußball schlägt sich selbst

Experten, Analysen, Außenseiter: Mit durchschnittlich rund elf Millionen Zuschauern ist diese EM erfolgreicher als die vor vier Jahren. An dem einen oder anderen TV-Format muss allerdings noch gefeilt werden.

Das Fernsehen hat in diesen Wochen Pause – außer, wenn Fußball läuft. Zur Hauptsendezeit am Donnerstagabend war das Interesse an Serien, Krimis und Shows so mau wie selten. Die Unterhaltungssendungen kamen selbst in der Spitze auf nicht mehr als 3,5 Millionen Zuschauer, eine Ausnahme machten nur die Nachrichtenformate. Schon am Samstagnachmittag geht es mit den EM-Achtelfinalspielen wieder in die Vollen, acht Begegnungen an drei Tagen!

Bei der Rekord-EM zeigen die Fernsehsender ein Rekord-Programm mit 51 Live-Übertragungen. Nach der Vorrunde sind ARD und ZDF zufrieden mit den hohen Einschaltquoten. 10,79 Millionen Zuschauer, das war der Durchschnittswert für alle Übertragungen der öffentlich-rechtlichen Sender, der Durchschnitts-Marktanteil: beachtliche 44 Prozent.

Zeit für eine Zwischenbilanz – wie hat sich das Fernsehen bei diesem Turnier bislang geschlagen? Was waren die Topps und Flopps?

Die deutschen Spiele. An drei Tagen mehr als 25 Millionen Zuschauer, da lautet das Fazit „sehr zufrieden“, sagt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Und sein Chefredakteur Peter Frey jubelt: „Der Spaß am Fußball setzt sich durch.“

Dies sei keine EM wie gewöhnlich: Terrorangst, Hooligans, soziale Ausschreitungen – das habe den Start schwierig gemacht.

„Die deutschen Spiele sind sehr erfreulich“, und der Zuspruch sei sogar noch höher als 2012, fügt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky hinzu: „Die Marktanteile liegen derzeit rund fünf Prozentpunkte über der letzten EM.“ An der Spitze der TV-Hitparade rangiert das 0:0 gegen Polen mit 27,34 Millionen Fans. Nicht berücksichtigt sind dabei die Daumendrücker beim Public Viewing. Das verläuft im Vergleich zur WM 2014 etwas schleppend, was wiederum den TV-Quoten zugute kommt. In der K.o.-Runde dürften sie nochmals steigen.

Marktanteile von regelmäßig mehr als 30 Prozent

Die Spiele der Anderen. Die Aufblähung der EM mit insgesamt 51 Spielen scheint die deutschen Fans ebenso wenig zu schrecken wie zahlreiche torarme Partien. „Die neu eingeführten 15-Uhr-Spiele liefen gut. Die Quoten waren erfreulich“, Balkausky freut sich über Marktanteile von regelmäßig mehr als 30 Prozent.

Bei den 18-Uhr-Spielen gab es einen leichten Rückgang von durchschnittlich fünf Prozentpunkten gegenüber 2012. Das am meisten gesehene Spiel ohne deutsche Beteiligung war das Auftaktspiel von Frankreich gegen Rumänien. 15,47 Millionen sind mehr als jeder ARD-„Tatort“. 13 Spiele übertrafen die ominöse Zehn-Millionen-Marke.

Wie lief es bei Sat 1? Eher mies. Erstmals zeigte Sat 1 Spiele einer EM, war aber ohne Chance auf gute Zahlen. ARD und ZDF durften sich die attraktiveren der parallelen Gruppenspiele aussuchen, Sat 1 musste nehmen, was übrig blieb. Selbst in der Summe der sechs Spiele kam der Privatsender nicht auf zehn Millionen Zuschauer. Bestwert waren die 2,62 Millionen beim 1:0-Sieg von Irland gegen Italien, Tiefpunkt die 260 000 bei der Partie Ukraine gegen Polen, die zeitgleich zum Deutschland-Spiel gegen Nordirland lief. Jede Sat-1-Spielshow hätte da wohl mehr Zuschauer gehabt.

Alexander Rösner, Senior Vice President Sport von ProSiebenSat1, gibt sich dennoch zuversichtlich: „Mit den ersten Liveübertragungen einer Fußball-Europameisterschaft in Sat 1 sind wir aus redaktioneller sowie produktionstechnischer Sicht sehr zufrieden – bei den Quoten erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle – mit einem versöhnlichen Abschluss.“ Sublizenzen bei Sat 1 - ist das ein Modell für die Zukunft, für die WM 2018 beispielsweise? „Das schauen wir uns dann genau an, so wie wir jedes fürs Free-TV interessante Rechtepaket prüfen.“

„Asoziale Kritik in den sozialen Netzwerken“

Die besten Experten. Die einen sagen so (Mehmet Scholl!), die anderen so (Olli Kahn!) Letzterer erinnerte im Zusammenspiel mit ZDF-Moderator Oliver Kahn manchmal an die „heute-show“. Dafür hatte die ARD das neue Packing-Analyse-Verfahren, das misst, wie viel Gegner auf dem Weg zum Tor überspielt werden, das ZDF das neue Konzept mit den Gesprächsrunden vor der LED-Wand mit einem unternehmungslustigen Taktik-Analysten Holger Stanislawski. ARD-Mann Tom Bartels bleibt zumindest in Zuschauerumfragen Lieblings-Kommentator, vor Béla Réthy.

Shitstorm des Turniers. TV-Kritik gehört zu einem großen Turnier wie Schiedsrichter-Schelte. „Es fühlen sich einige immer bemüßigt, die Kommentatoren zu kommentieren“, sagte Balkausky. Er ärgerte sich vor allem über den Shitstorm, der nach dem erstmaligen Einsatz einer Frau bei einer Männer-EM aufkam. Die Beschimpfungen der ZDF-Kollegin Claudia Neumann im Internet fand er „einfach nur ätzend“.

Die unflätigen Pöbeleien bezeichnete ZDF-Sportchef Gruschwitz als „asoziale Kritik in den sozialen Netzwerken“. Neumann blieb gelassen: „Sonst kriegen meine männlichen Kollegen das alles ab. Ich habe sie dieses Mal ein bisschen entlastet.“ Reinhold Beckmann hat mit seiner „Sportschule“ spät am ARD-Abend keinen Shitstorm abbekommen, dafür viel Medien-Kritik.

Beim digitalen Begleitprogramm überzeugte die ZDF-App. Unter verschiedenen Kameraperspektiven kann man zwar auch beim Online-Auftritt des Ersten auswählen, doch die permanente Coach-Cam bietet nur das ZDF. Selbst Joachim Löw, dem die Dauerbeobachtung einige negative Schlagzeilen einbrachte, beschwerte sich nicht über diesen Service. Für den Zuschauer war es eine willkommene Abwechselung vor allem bei den torarmen Begegnungen, zumal es mit der Spider-Cam und dem Taktikblick Alternativen gibt. Auf Abruf stehen zudem die besten Szenen aus mehr als zehn Perspektiven rund um das Spielfeld zur Verfügung. Auf die TV-Quoten hat dieses Angebot keine direkte Auswirkung. Die hängen vor allem vom weiteren Abschneiden der deutschen Mannschaft ab. Das Spiel gegen die Slowakei am Sonntag um 18 Uhr wird wieder vom ZDF übertragen.

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