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Medien: Die Entdeckung der Lustigkeit

Corinna Harfouch kommt als Kommissarin Eva Blond zurück ins Fernsehen

Von Barbara Nolte

Die Berliner Sat-1-Zentrale am Hausvogteiplatz, 15 Uhr. Es läuft die Stunde sechs des Interviewmarathons. Corinna Harfouch sitzt vor einer bunten Plakatwand, von der Alexandra Neldel und Alissa Jung lächeln, die Sat-1-Serienheldinnen. Sie wirkt überraschend gleichmütig und trotzdem fremd hier im Herzen des deutschen Privatfernsehens mit ihrem schwarzen ärmellosen Kleid, das nach Theatermatinee aussieht; fremd wegen des ganzen künstlerischen Anspruchs, den sie ausstrahlt, auch wenn sie gerade nur einen Pappbecher Milchcafé in beiden Händen hält. Dabei ist Corinna Harfouch selbst eine Sat-1-Serienheldin: Sie ist Eva Blond, die Kommissarin. „Als ich mit der Serie anfing“, sagt sie, „wusste ich gar nicht, was der Sender hier so macht.“ Sie lächelt: „Ich kann Sat 1 immer noch nicht von RTL oder Vox unterscheiden.“ Als PR-Zugpferd ist sie nicht wirklich kalkulierbar. Sie sehe überhaupt kein fern, sagt sie noch. Nur zur WM sei der Fernseher, der in ihrem Wohnzimmer steht, sporadisch zum Einsatz gekommen. „Ich mag die Beschäftigung nicht: das passive Herumsitzen auf dem Sofa. Schon als Kind konnte ich es nicht leiden, dass alle wie ein paar Schafe nach vorne schauten, und sonst passierte nichts mehr.“

Warum spielt sie dann ausgerechnet im ureigensten Fernsehgenre mit: der Serie?

„Die Rolle der Eva Blond hat mich interessiert, weil es eine humorvolle Figur ist“, antwortet sie.

In Nico Hofmanns „Solo für Klarinette“ war sie Götz Georges mysteriöse Geliebte, in Bernd Eichingers „Großem Bagarozy“ eine spröde Psychologin. Corinna Harfouch hat harte, ehrgeizige, gebrochene, traurige, böse Frauen gespielt, nur keine liebenswerten oder komischen. Bis zum Angebot von Sat 1.

Das Angebot kam zu Beginn des Jahrtausends, in der Zeit, in der die Frauen die Fernsehkommissariate übernahmen, genauso wie die Polittalks des Landes. Iris Berben wurde „Rosa Roth“, Hannelore Hoger „Bella Block“. Ein Engagement in einer Krimi-Reihe ist bei Schauspielern beliebt, weil es das Jahr strukturiert, aber noch genug Platz für andere Projekte lässt. Und Corinna Harfouch durfte sogar bei der Wahl der Regisseure und bei den Facetten von Eva Blonds Charakter mitreden. „Das Interessante an so einer Figur ist, dass sie anfangs in Abgrenzung zu anderen Serienfiguren konzipiert wird, letztlich aber ein Eigenleben entwickelt“, erklärt sie. „Gewisse Albernheiten schleifen sich ab, die Figur wird erwachsen.“

In den neuen zwei Folgen wird Eva Blond Chefin ihrer Abteilung, was sie unbeholfen, aber charmant erledigt. Für den ersten Mord, den sie aufzuklären hat, muss sie in ein altertümliches Filmstudio in die brandenburgische Provinz. Endlose Schundserien, die im kolonialen Laos und im Mexiko des frühen 20. Jahrhunderts spielen, werden hier gedreht. Die Folge leiht sich die Bild-Ästhetik von Edgar- Wallace-Filmen. Die Szenerie und die Figuren sind skurril, die Serie hat wie immer ihren ganz eigenen Stil. An manchen Stellen ist es ein bisschen übertrieben, aber immerhin ragt die Serie aus dem Sat-1-Programm heraus, das nicht nur eine Fernsehverweigerin wie Corinna Harfouch zurzeit nur schwer von der Konkurrenz unterscheiden kann. Harald Schmidt ist zur ARD abgewandert, seit dieser Saison hat der Sender auch noch die Champions League verloren. Bleibt nur Thomas Kausch, der profilierte Nachrichtenmoderator, dessen Bild der Sender gerade an den Litfasssäulen des Landes plakatiert hat. Dort sieht man ihn hängen, nur im Fernsehen sieht man ihn eher selten. Die Sat-1- Nachrichten liegen einfach zu früh am Abend.

Es ist also nur verständlich, dass Sat 1 für Corinna Harfouch, den einzig echten Star, mit dem der Sender wuchern kann, einen Interviewtag hollywoodschen Ausmaßes organisiert hat. Bis sieben Uhr abends wird sie hier noch sitzen. Eine Pressedame mit der Unerbittlichkeit eines Ringrichters beim Boxen wacht darüber, dass keiner der Journalisten überzieht. „Früher“, sagt Corinna Harfouch und zündet sich eine Zigarette an, „tat ich mich mit Interviews oft schwer. Jetzt nehme ich sie als normale Unterhaltungen.“ Sie lässt die Gespräche mäandern. Mal in Richtung US-Kino, mit dem sie, wie sie sagt, wenig anfangen kann. Dann hin zu Angela Merkel, mit der sie die Generation und die ostdeutsche Herkunft verbindet und offenbar auch der Wille zum Erfolg im Westen. Corinna Harfouch schüttelt den Kopf. „Im Grunde ist mir Merkel komplett fremd. Gerade in ihrer Art, sich durchzuwurschteln. Sie steht erstaunlicherweise immer da, wo einer umfällt, und dann erscheint sie.“ Sie holt aus, um ihren eigenen Weg in den Westen zu erklären, als die Pressefrau hereinschaut. „Einen Moment noch!“ sagt Corinna Harfouch. „Ich hätte mir gewünscht, dass zur Wende kurz die Zeit stehen bleibt, dass man darüber redet: Was lief falsch und was soll sein. So muss man ein Leben lang mit einem unvollkommenen Zustand leben.“ Sie ist unzufrieden mit der Aussage: Sie will 17 Jahre nicht auf drei Sätze bringen. So wenig wie zu Sat 1 passt Corinna Harfouch zu Fließband-Interviews. Doch heute spielt sie mit, verabschiedet sich, um den nächsten Journalisten zu begrüßen. Das Ende ihres Ausflugs ins Privatfernsehen ist absehbar. Diese beiden Folgen „Eva Blond“ werden die letzten sein.

„Blond! Eva Blond: Der Mörder spricht das Urteil“, Sat 1, 22 Uhr 15; die neuen Folgen ab nächsten Mittwoch

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