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Medien: „Die Frauen müssten wir erst herstellen“

Wo die Gäste männlich sind: Das „Philosophische Quartett“ mit Safranski und Sloterdijk geht ins dritte ZDF-Jahr

Von Thomas Eckert

und Joachim Huber

Die Herren Philosophen trinken Rotwein. South Africa Red, Leuwenkop, Western Cap. Und der Kulturchef des ZDF spricht in die versammelte Runde: Innehalten, Anhalten, Sendepause. Mahlstrom, Testbild, Moratorium. Denkbild, Suchbild, Vexierbild. Gelassenheit, Wahnsinn, Feldwege (Heidegger!). Gelassenheit. Staunen, Philosophie.

Stille. Pause. Halt!

Ihre Fragen bitte.

Pressekonferenz beim ZDF. Es geht um das „Philosophische Quartett“ mit den Philosophen Rüdiger Safranski und Peter Sloterdijk. Schnittchen, Kaffee, Selter für die Presse. Wein für die Herren. Wie sieht es denn nun mit der Quote aus, Herr Kulturchef? „Wir hängen nicht von der Quote ab”. Aber werden nicht auch Sie an der Quote gemessen? „Ich sage nein.” Aber: „Natürlich wollen auch wir gute Quoten erreichen”. Haben Sie schon mal etwas von der Ampelliste Ihres Programmdirektors Thomas Bellut gehört, der Sendungen, die keine Quote schaffen, auf die rote Liste der bedrohten Arten setzt? „Davon ist mir nichts bekannt”, sagt der Kulturchef. Er heißt Hans Helmut Hillrichs, und wer seine brausende Vorrede durch vulgäre Nachfragen entweihen will, der soll nur kommen.

Was halten Sie von einem Umzug Ihres Quartetts zu 3sat, doch auch ein schöner Sender? Vielleicht mit einer Startzeit schon um 20 Uhr 15. Zu früh, zu spät, was weiß die Presse schon? „Nichts”, sagt der Kulturchef. Und außerdem: „Uns liegt kein Angebot von 3sat vor.” 3sat wird im ZDF auch als „Kulturdeponie“ gefürchtet. Wieviele Zuschauer hat denn das „Philosophische Quartett" im Schnitt? „Mehrere 100 000”, sagt Werner von Bergen, der verantwortliche Redakteur. „So viele, wie kein Professor mit seinen Vorlesungen je erreichen könnte”. Sagt der Kulturchef. Höchstens bei 3sat, der Kulturdeponie.

Peter Sloterdijk, der Philosoph, spricht: „Wir wollen Debatten anregen, bevor sie da sind. Vielleicht waren wir dabei manchmal ein bisschen zu schnell.” Das ist schon wahr, weswegen die künftigen Themen genauer justiert werden. Heute wird darüber diskutiert, ob Demokratie dumm mache – es geht um „Bildung in Deutschland”. Rüdiger Safranski fragt: Warum diese Spirale der Egalisierung nach unten? Bildung heiße doch, von sich selbst nicht gelangweilt zu sein. Bildung in Deutschland – und wieder sitzen keine Politiker auf dem Quartett-Sofa. „Politiker haben bei uns Auftrittsverbot”, sagt Safranski. „Weil wir keinen Streit nur des Themas wegen wollen”, sagt Sloterdijk. Und schon gar keine quotenfängerischen Manöver.

Zufrieden zeigen sich die Herren Philosophen mit dem Sendetermin ihres Quartetts, mit einer Anfangszeit zwischen 23 und 24 Uhr könne man sehr gut leben. „Wir beobachten schwedische Kommissare bei ihren melancholischen Ermittlungen – und schließen nahtlos daran an”, sagt Sloterdijk. „Nur ermitteln wir bei uns keine Täter”, sagt Safranski. Man schmunzelt.

Was haben die Herren nach zwei Jahren Fernsehen gelernt? Sie sagen nicht, sie senden, also sind sie. Das denken sie, vielleicht, kategorisch ausgeschlossen ist es nicht. „Dass es für mich zu spät ist, Krawatte zu lernen”, sagt Sloterdijk. Und warum, meine Herren, waren bei Ihnen in zwei Sendejahren insgesamt nur drei Frauen unter den reflektierenden Gästen? Gute Frage. „Hat sich so ergeben”, sagt Safranski, „ich weiß auch nicht warum”. „Die Frauen, die wir einladen wollten, müssten wir erst selbst herstellen”, sagt Sloterdijk. „Wenn alles mit rechten Dingen zuginge, wären wir selbst zwei Frauen.” Moderation sei, wie alle zentralen kommunikativen Funktionen, weiblich codiert.

Ja. Aber: können Frauen überhaupt Philosophie? Die Herren Philosophen trinken Wein, einen tiefen Schluck. Sloterdijk sagt, er bevorzuge in dieser Angelegenheit einen „gelassenen Elitismus”. Und was könne man schon tun, wenn die meisten der eingeladenen Frauen absagten? Hilflose Philosophen. Aber doch entschlossen, die besten Gäste (Kompetenz vor Prominenz!) für die Denkexpeditionen, gerne auf den wilden Kontinenten des Unbewussten, zu gewinnen.

Und wie könnte die Zukunft, im dritten Sendejahr mit sechs Sendungen, aussehen? „Wir wollen mehr riskieren”, sagt Sloterdijk. Das wahre Leben aber beginne erst, wenn die Studiolichter ausgehen. Die schönsten Momente, sagen die Herren Philosophen, ereigneten sich immer erst nach der Sendung. Das Thema einer der nächsten Sendungen aus der VW-Autostadt in Wolfsburg soll lauten: Wie frei ist das Gehirn? Gute Frage.

„Das Philosophische Quartett“: 23 Uhr 55 im ZDF

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