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Medien: Die Kaputtmacher

Thierse rüffelt Medien für Umgang mit der Politik

Dass Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Bundestages, Deutschlands Medien und ihre Journalisten eher kritisch beurteilt, war schon bekannt. Doch neuerdings erscheint dem sozialdemokratischen Vordenker die Entwicklung des Medienwesens als geradezu antidemokratisch. Die „Boulevardisierung, Skandalisierung und Hysterisierung“ des politischen Geschehens durch die Medien erzeuge einen fortwährenden „Ansehensverlust der demokratischen Institutionen“ und bereite „populistischen Bewegungen“ europaweit den Boden, sagte Thierse am Sonntag bei einer Tagung des „Ost-West-Forums“, einer politischen Begegnungsstätte im sächsischen Gödelitz.

In einer Grundsatzrede wandte sich Thierse insbesondere gegen den Trend zur Unterwerfung der politischen Berichterstattung unter die Quotenlogik des Fernsehmarktes. In deren Folge werde Politik auf inszenierte Widersprüche, Sensationen und Katastrophen reduziert, während die wirklichen Interessenzusammenhänge sowie die tatsächliche Arbeit der Parlamentarier ausgeblendet blieben.

Als typisch für diese Fehlentwicklung beschrieb der SPD-Politiker die „Skandalisierung des Streits“. Eigentlich sei dieser „das Wesen der Demokratie“, eine „alltägliche und unausweichliche Normalität“. Doch auf der Jagd nach dem scheinbar Aufregenden werde jeder politische Dissens zur „Sensation umgedeutet“, um unterhaltender zu sein „und so, ganz nebenbei, die Aversion des Publikums gegen Streitereien tendenziell auf die Demokratie zu übertragen“, warnte Thierse. Das Ergebnis sei „das Schüren antidemokratischer Ressentiments“. Vor diesem Hintergrund sei es „bestürzend“ und „ein großer Irrtum“, wenn sogar der Intendant des Hessischen Rundfunks, Helmut Reitze, die Ansicht vertrete, die Quote sei „ein Indikator demokratischer Meinungsbildung“. Die Konsequenz sei „die Auslieferung des demokratischen Prozesses an schieren Populismus“.

Dabei bestritt Thierse nicht, dass zahlreiche Politiker den von ihm beklagten Trend selbst mit Pseudo-Nachrichten und Inszenierungen aller Art Vorschub leisten. Doch die Mitglieder seiner Zunft seien dabei fast immer „nur Getriebene, den Marktgesetzen der Medien Unterworfene“, behauptete er. Schließlich seien Politiker auf die Medien viel mehr angewiesen als umgekehrt.

Mit scharfen Worten beklagte der sozialdemokratische Vordenker zudem den von ihm ausgemachten Verlust an Qualität im politischen Journalismus. Zwar gebe es noch „erkennbare Bemühungen aufzuklären“ oder Lesern und Zuschauern „etwas zuzutrauen“. Doch das sei nur noch die Ausnahme. Viel häufiger würden heute „junge, ahnungslose Leute eingestellt, weil sie billig“ seien, Vertreter einer „Flat-Tax-Generation, deren Denken und Weltbild auf einem Bierdeckel Platz“ hätten, zitierte Thierse den Schweizer Publizisten Frank A. Meyer. Konkrete Vorschläge, was dagegen zu tun sei, blieb der politische Medienkritiker allerdings schuldig. Stattdessen appellierte er lediglich an die „journalistische und verlegerische Verantwortung“, die „nicht nur der Profitabilität“ ihrer Unternehmen, sondern auch der Demokratie gelte. Viel Hoffnung mochte Thierse seinen Zuhörern nicht machen. Denn, so erklärte er gleich dazu, „keine andere Berufsgruppe“ sei „so unfähig zur Selbstkritik wie die Journalisten“.

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