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Medien: Die Königsmacherin

Niemand beeinflusst seine Zuschauer mehr als US-Talkerin Oprah Winfrey. Jetzt will sie Barack Obama ins Weiße Haus bringen

Wenn die Damen flache Schuhe tragen, ist das völlig okay. Herren ohne Krawatte sind ebenfalls herzlich willkommen. Aber wer die Veranstaltung „Spendengala“ nennt, der wird schief angeschaut. Oprah Winfrey ist da empfindlich. Die kleine Gartenparty, die sie am 8. September für ihren Freund Barack Obama auf ihrem Anwesen vor den Toren von Los Angeles für 1.500 Auserwählte gibt, ist laut Einladung schlicht eine „Celebration“ – eine Feier. Gefeiert wird, dass der Senator aus Illinois sich um das Amt des amerikanischen Präsidenten bewirbt. Und es würde nicht verwundern, wenn über der Veranstaltung der Hauch einer Inthronisierung liegt.

Königsmacherin zu sein, ist für die Talkshow-Magnatin Oprah Winfrey keine ungewohnte Rolle. Wen oder was sie anfasst, verwandelt sie in Gold: Empfiehlt Winfrey in ihrer täglichen Sendung ein Buch, erscheint es am nächsten Tag auf allen Bestsellerlisten. Äußert sie sich lobend über einen Künstler, braucht der sich um seine finanzielle Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Gibt sie öffentlich ihr Gütesiegel für die Passform eines BH’s, ordern die Kaufhäuser noch am selben Tag Nachschub. Erzählt sie über ihre Erfahrungen mit einer speziellen Diät, machen es ihr Millionen nach. Was auch immer sie anpreist, die amerikanischen Frauen zücken ihre Kreditkarten und rennen raus, um es zu kaufen. Manchmal funktioniert das allerdings auch andersherum. Texanische Rinderzüchter verklagten Winfrey einst auf 12 Millionen Dollar, den Betrag, um den der Verkauf von Rindfleisch gesunken sei, nachdem ihre Sendung den Rinderwahn zum Thema hatte und sie verkündete, sie werde keinen Burger mehr anrühren.

In den USA ist das Phänomen schlicht als „O-Faktor“ bekannt. Mit 14 Millionen Zuschauern pro Tag ist die „Oprah Winfrey Show“ das meist gesehene Talk-Format im Land, besonders großen Einfluss hat sie bei den über 35-jährigen Frauen mit überdurchschnittlichem Einkommen. Denen gibt die Moderatorin nicht nur materielle Ratschläge, sie fungiert auch als moralische Institution – und als größte Psychocouch des Landes. Zu ihr kommt, wer etwas zu beichten hat, ob prominent oder unbekannt. Tom Cruise hüpfte auf dem Möbelstück herum wie ein wild gewordener Affe, um seine Liebe zu Katie Holmes zu illustrieren. Wer zu gestehen hat, dass er lesbisch ist oder schwul oder abhängig von irgend etwas oder besessen vom Ehemann der besten Freundin, wer einen Putzfimmel bekämpft oder eine düstere Erinnerung an seine Kindheit – sie alle sind willkommen. Das „Wall Street Journal“ gab der Form der öffentlichen Beichte als Therapie gar einen eigenständigen Namen: Oprahfication.

Alles sprach dagegen, dass sie eine der reichsten und einflussreichsten Frauen der Welt werden könnte, als Oprah Gail Winfrey am 29. Januar 1954 in Kosciusko, Mississippi geboren wurde. Ihre Eltern waren noch Teenager und trennten sich alsbald, sie wuchs in bitterer Armut auf. Erst bei ihrer Großmutter in Mississippi, dann bei ihrer Mutter in Milwaukee, schließlich bei ihrem Vater in Nashville, Tennessee. Als Kind missbrauchten sie ein Onkel und ein Cousin sexuell (was sie viele Jahre später in ihrer Show offenbarte), als Teenager brachte sie ein Baby zur Welt, das nach wenigen Tagen im Krankenhaus starb (was sie später in ihrer Show offenbarte). Mit 18 gewann sie einen Schönheitswettbewerb, das College schloss sie als Klassenbeste ab, danach ging sie zum Lokalfernsehen. 1983 übernahm sie eine Morgenshow im Radio in Chicago, die sich innerhalb kürzester Zeit zum Quotenrenner entwickelte. Am 8. September 1986 wurde die erste Oprah Winfrey Show ausgestrahlt.

Seitdem scheffelte sie Millionen, sie produziert ihre eigene Sendung, längst gibt es die Magazine zur Show („O – The Oprah Magazine“ und „O at Home“), die Bücher (fünf) und die Webseite (www.Oprah.com). Ihr Vermögen schätzt das Forbes Magazin auf 1,5 Milliarden Dollar, „Time“ kürt sie regelmäßig als die „einflussreichste Frau der Welt“. Winfrey gibt großzügig und häufig, ihr größtes Projekt ist die Oprah Winfrey Leadership Academy for Girls in der Nähe von Johannisburg, Südafrika, für die sie 45 Millionen Dollar spendete. Wenn sie sich einmal zur Ruhe setzt, hat sie gesagt, will sie auf dem Campus leben, in ebenso einfachen Verhältnissen wie die Schülerinnen. Ihr Engagement würdigte Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela so: „Sie ist ein Vorbild für uns alle, das zeigt, was eine einzelne Person tun kann für das Leben anderer. Deshalb ist sie für uns eine unserer Heldinnen.“

Aus amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfen hielt sie sich bislang heraus. Das änderte sich erst, als Barack Obama auf der Bildfläche auftauchte. Im Oktober vergangenen Jahres gestand er auf ihrer Couch: „Oprah, du bist mein Mädchen.“ Die Zuneigung ist ganz offensichtlich beiderseitig und mit der „Feier“ im September macht sie Obama ein großes Geschenk. George Clooney, Halle Berry, Jamie Foxx und Beyoncé Knowles werden ebenso erwartet wie die Hollywood-Magnaten David Geffen und Jeffrey Katzenberg. Zwischen zwei und drei Millionen Dollar werden zusammenkommen, mehr erlaubt das Parteispendengesetz nicht. Viel wichtiger aber ist die moralische Autorität, die Winfrey Obama verleiht, vor allem bei den Frauen und bei den Schwarzen, zwei Wählerpotenziale. Bei denen hatte bislang Hillary Clinton, Obamas Konkurrentin, die Nase vorn.

„Mein Geld wird keinen Unterschied machen“, sagte Winfrey kürzlich bei CNN-Talk-Kollege Larry King, „aber dass ich ihn schätze und ihn unterstütze, ist für Barack wahrscheinlich mehr wert als jeder Scheck, den ich ihm schreiben könnte.“ So sehen das auch die meisten politischen Analysten. Larry Sabato von der Universität Virginia sagt: „Das ist mehr als eine schlichte Celebrity-Empfehlung. Die meisten Stars sind nur Namen, aber sie kann ihm Stimmen in entscheidenden Bereichen wie den Frauen und den Afro-Amerikanern bringen.“

Hillary Clinton übrigens wird wenige Tage später eine Party geben, im ähnlich prächtigen Haus des ebenfalls schwer populären schwarzen Basketball-Stars Magic Johnson. Aber das ist nur eine schnöde „Spendengala“.

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