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Medien: Die Leine war zu kurz

Neuer Verlag, neues Layout, neues Glück, dachten die Macher der Schweizer Kulturzeitschrift „Du“. Jetzt haben sie gekündigt

Gerade einmal 13 Tage haben es die Redaktionsleitung und der neue Eigentümer der Schweizer Kulturzeitschrift „Du“, der Niggli Verlag, miteinander ausgehalten. Vergangenen Dienstag kündigten der Chefredakteur Christian Seiler, die Artdirektoren Wendelin Hess und Beat Müller sowie der Bildredakteur Andreas Wellnitz. Den Relaunch des Heftes haben sie noch fertig gestellt. Doch wenn in zwei Wochen die inhaltlich und grafisch runderneuerte „Zeitschrift der Kultur“ erscheint, steht der nächste Relaunch bevor: jener in der Führungsetage. Einen ungeeigneteren Zeitpunkt kann es nicht geben.

Sorgen haben die zehnmal jährlich erscheinende Zeitschrift von Anfang an begleitet. Denn Geld war mit der Mischung aus hochkarätigen Texten und Fotos zu einem Thema bisher nicht zu verdienen. Das Coffee-Table- Book für intellektuelle Augenmenschen (Auflage 2002: 17 600) leistete sich der Schweizer Zeitungskonzern Tamedia („Tages-Anzeiger“) als Aushängeschild. Als die Abonnentenzahlen zurückgingen, bestellte man im September 2002 Christian Seiler als Chefredakteur. Dann erreichte die Zeitungskrise auch die Schweiz. Tamedia gab bekannt, sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und „Du“ sowie die Kinderzeitschrift „Spick“ abzustoßen. Im Juni 2003 übernahm der kleine Niggli Verlag aus Sulgen „Du“ mitsamt der Redaktion.

Der Verlag, der neben Büchern über Architektur, Kunst, Design und visuelle Kommunikation auch die Architektur-Fachzeitschrift „Archithese“ produziert, galt einigen als idealer Partner. Andere fragten, ob das urbane Magazin in die Provinz passe und der neue Besitzer die Verluste schultern könne. Seit Anfang des Jahres gehört „Du“ zu Niggli. Die kommende Ausgabe (siehe Foto) hat ein neues Format und ist nicht mehr monothematisch. Neu sind Rubriken und Kolumnen, darunter ein „Philosophicum“ von Rüdiger Safranski, ein Episodenroman, ein Comic, eine virtuelle Bergtour. „Du“ wirkt aktueller und überraschender.

Die größte Überraschung produzierte die Führungsriege allerdings in eigener Sache. Weil Seiler und die anderen abtrünnigen Kollegen über die Kündigungen noch verhandeln und sie auch die nächsten Ausgaben noch produzieren werden, sind beide Seiten vorsichtig. Streit habe es nicht gegeben, sagte Niggli-Verlagsleiter Christoph Bürkle, die Neukonzeption werde nach Seilers Vorstellungen durchgeführt. Besorgnis erregte offenbar die fehlende Erfahrung von Niggli in der Aboverwaltung und der Anzeigenakquise. Doch vornehmlich waren die Schwierigkeiten wohl alltäglicher Art. „Man kann Gestalter als Dienstleister oder als Kompetenzpersonen sehen“, sagte Wendelin Hess dem Schweizer Branchenblatt „persönlich“. „Wir passen nicht zusammen“, ergänzte Christian Seiler. Bei Tamedia genossen sie eine Selbstständigkeit, die in dem kleinen, Eigentümer geführten Buchverlag fehlt, ihrer Meinung nach für eine Kulturzeitschrift wie „Du“ jedoch unabdingbar ist.

Jörg Plath

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