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Mit vermeintlichen Sensationsmeldungen macht die Regenbogenpresse Auflage.

© Repro: Tsp

Die Mechanismen der Regenbogenpresse: "Kate: Das Baby ist da!"

Mit vermeintlichen Sensationen erzielt die Yellow Press eine hohe Auflage. Die Leserinnen scheinen sich an den Märchen nicht zu stören. Die Prominenten dagegen umso mehr.

In der Schmuddelecke des Journalismus ist immer etwas los: In atemberaubendem Tempo schreien Regenbogenhefte von ihren Titelseiten den neuesten Klatsch heraus, ohne sich dabei allzu sehr um die Wahrheit zu kümmern: „Kate: Mit Blaulicht in die Klinik“, „Christine Neubauer: Alles aus. Ihr Leben ist nur noch eine einzige Lüge“, „Til Schweiger: Angst um seine Kinder. Der Angriff in der Nacht“, sind durchschnittliche Beispiel-Schlagzeilen der vergangenen Wochen.

Während viele Magazine gegen sinkende Auflagen kämpfen, geht es den Regenbogenheften so gut wie eh und je. Mehr als eine halbe Milliarde Yellow-Press-Hefte werden Jahr für Jahr gedruckt, Woche für Woche kommen vermeintlich neue Skandale, Dramen und Schock-Geständnisse auf die Titel und in den Handel. Es gibt Hefte, deren Auflage mit der des „Spiegel“ konkurrieren kann, etwa die „Freizeit Revue“ aus dem Hause Burda, die im ersten Quartal 2013 mit rund 840 000 verkauften Heften nur knapp hinter dem Hamburger Nachrichtenmagazin mit 883 000 Exemplaren liegt. Die „Neue Post“ kommt auf 686 000 Hefte pro Woche.

Warum die Yellow Press eine so große Leserschaft erreicht, hat Medienwissenschaftler Andreas Vogel, der Professor an der Universität Bamberg und Gründer und Leiter des Wissenschaftlichen Instituts für Presseforschung und Medienberatung in Köln ist, untersucht. Die Mechanismen, mit denen die Redaktionen arbeiten, seien ziemlich einfach: Auf dem Titel werde eine angebliche Sensation versprochen, die im Heftinneren nicht eingelöst wird. Warum die enttäuschten Leser trotzdem treu bleiben? „An der Urteilskraft der Leser habe ich meine Zweifel“, lässt Vogel vorsichtig eine Spur Kulturpessimismus durchklingen. Es gehe bei den Heften vor allem um Unterhaltung. „Wer die Blättchen wöchentlich kauft, bekommt klassische Fortsetzungsgeschichten geliefert.“ In der Tat sind es immer wieder dieselben Gesichter, die die Titel zieren: Vom Kronprinzen über den Quizshowmoderator bis hin zum „Bauer sucht Frau“-Teilnehmer reicht das Beuteschema der Yellow Press.

Anwalt ist "der neue Mann" an Heidi Klums Seite

Manchmal muss man aber noch nicht einmal C-Promi sein, um in ihren Fokus zu rücken. Als „der neue Mann an Heidi Klums Seite“ wurde Ralf Höcker Lesern einmal vorgestellt. Was daran stimmte: Höcker ist ein Mann. Und neu an der Seite der Moderatorin. Unterschlagen wurde: Er war nur ihr neuer Medienanwalt. Solche kleinen Verdrehungen und vermeintlich beiläufige Ungenauigkeiten sind typische Werkzeuge der Regenbogenpresse.

Höcker, der auch Wettermoderator Jörg Kachelmann in dessen Prozess vertrat, kann über sie lachen. Seine Klienten eher weniger: Ihnen werden Alkoholsucht, Familienprobleme oder Ehekrisen angedichtet, oft ohne jede faktische Grundlage. Trotzdem geht Höckers Kanzlei nicht systematisch gegen die Regenbogenhefte vor: „Das ist ein Paralleluniversum. Die Hefte werden von einem Publikum gelesen, das mit meinen Mandanten und deren sozialem Umfeld kaum etwas zu tun hat. Sie tauchen auf unserem Radar überhaupt nicht auf“, sagt Höcker.

Sein Kollege Christian Schertz, zu dessen Mandanten Moderator Günther Jauch und Sänger Herbert Grönemeyer gehören, fährt eine andere Strategie. Die Arbeit gegen die Regenbogenblätter ist Tagesgeschäft für ihn, zahlreiche Schreiben sendet seine Berliner Kanzlei pro Tag an die Redaktionen der Yellow Press, schätzt er: „Wer sich massiv gegen die Berichterstattung wehrt, von dem lässt der Boulevard die Finger.“ Vielleicht ein Grund, warum die erste Prominenten-Liga seltener im Fokus steht als die zweite oder dritte Reihe. Der Leser bekommt von den juristischen Auseinandersetzungen allerdings nur dann etwas mit, wenn die Hefte Gegendarstellungen abdrucken müssen. Doch diese Gelegenheiten halten sich in Grenzen.

"Das ist das reine Befriedigen der Sensationslust“

Häufig geht es bei den Gegendarstellungen um den Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte. Grundsätzlich muss niemand hinnehmen, dass über sein Privatleben berichtet wird. Es sei denn, er stimmt einer Berichterstattung zu. Auch wenn ein Prominenter sein Privatleben öffentlich ausschlachtet, verwirkt er in diesen Bereichen den Schutz seiner Persönlichkeitsrechte. Oder wenn es ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse an der Berichterstattung gibt – etwa wenn bekannt wird, dass jemand Steuern hinterzogen hat. In vielen Texten der Yellow Press sucht man ein öffentliches Informationsinteresse jedoch vergeblich. „Hier geht es nicht um Pressefreiheit. Das ist das reine Befriedigen der Sensationslust“, sagt Schertz. In seinen Augen treten die Blätter der WAZ-Woman-Group, zu der Titel wie „die aktuelle“, „Das goldene Blatt“ oder „Frau im Spiegel royal“ erscheinen, besonders dreist auf.

Eine Anfrage nach der Arbeitsweise der Redaktionen bleibt von einem Sprecher des WAZ-/Funke-Medienkonzerns unbeantwortet, ebenso eine Anfrage an die Bauer Media Group, die unter anderem „Freizeit Woche“, „Neue Post“ und „Super Revue“ unter ihrem Verlagsdach vereint. Zusammen mit den Verlagen Klambt, Deltapark, Burda und Alles Gute machen sie den Großteil des deutschen Marktes unter sich aus. Die Hefte kosten am Kiosk selten mehr als einen Euro, die „Freizeit Revue“ ist mit 1,60 Euro am teuersten. In den Redaktionen beliefern die Redakteure häufig mehr als eine Zeitschrift, das hält die Preise am Kiosk niedrig.

Wie genau die Regenbogenredaktionen arbeiten, analysieren seit einigen Wochen die Dortmunder Journalistik-Studenten Mats Schönauer, 24, und Moritz Tschermak, 25. Sie haben den Blog topfvollgold.de gestartet, in dem sie unter anderem die „Verrenkungen der Woche“ küren: So verbirgt sich hinter der „Pikanten Enthüllung“ um Markus Lanz und der Frage „Steht seine Ehe jetzt vor dem Aus?“ die Frage, ob er mit seinen riskanten „Wetten, dass?“-Wetten seine Ehe gefährdet. Schließlich müsse seine Frau mit ansehen, wenn er in der Show „sein Leben aufs Spiel“ setzt. Die Quelle, aus der angebliche Spekulationen kommen: „Böse Zungen“. Ein anderes Beispiel ist die „geheime Sehnsucht“ von Hansi Hinterseer. Das ist nämlich das Meer.

Solche und andere Absurditäten graben die Topfvollgold-Macher Woche für Woche aus. „In der Regenbogenpresse wird die Wahrheit nicht nur verdreht. Oft sind die Geschichten auch ganz klar erlogen“, sagt Schönauer. Momentan bereiten er und Tschermak sich auf ein Großereignis vor: Die Geburt des ersten Kindes von Catherine, Herzogin von Cambridge. Schon vor Wochen hatte „Die Aktuelle“ verkündet: „DasBaby ist da“. Das Kind hatte allerdings nicht Kate, sondern bloß eine Freundin bekommen.

Fritz Habekuß

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