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Medien: „Die Osbournes sind eine intakte Familie“

MTV-Chefin Catherine Mühlemann über Vorbilder, Datingshows und Snoop Dogg bei „Curry 36“

Frau Mühlemann, hier in Ihrem Büro steht ein ausgeschalteter Fernseher. Wie oft schauen Sie MTV?

Selten, schließlich bin ich beruflich viel unterwegs und zu Hause verbringe ich die Zeit mit meiner Familie. Aber die Programme der Sender kenne ich natürlich genau, schließlich ist das Programm die Seele eines TV-Kanals. Meine Aufgabe ist aber vielmehr, das Unternehmen zu managen, und das seit nunmehr sechseinhalb Jahren. Worüber übrigens viele Leute falsche Vorstellungen haben. Ich treffe mich nicht dauernd mit Künstlern oder bin auch nicht jede Nacht auf Konzerten unterwegs – auch, wenn ich letzteres gerne öfters täte.

Heute verleiht MTV in München die „Europe Music Awards“. Wie teuer ist so ein Spektakel?

Das darf ich leider nicht im Detail verraten. Aber seien Sie versichert, es ist sehr teuer, eine solche Veranstaltung zu realisieren.

Freuen Sie sich schon darauf, den vor kurzem wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilten Snoop Dogg kennenzulernen?

Snoop Dogg ist auf jeden Fall eine der spannendsten Persönlichkeiten der Musikbranche, aber ich werde mich ihm sicher nicht aufdrängen. Er wird mit den Vorbereitungen für die Show als Moderator bestimmt genug zu tun haben. Das ist eine Frage des Respekts. Ich gehe nicht davon aus, dass, nur weil ich MTV-Chefin bin, die Künstler Zeit mit mir verbringen wollen. Ich finde, dass Zurückhaltung in vielen Bereichen, zwischenmenschlich wie professionell, eine heutzutage vernachlässigte Tugend ist.

Was würden Sie Snoop Dogg sagen, wenn er jetzt in Ihr Büro käme?

Ich würde ihn in Berlin willkommen heißen und ihn, wenn er Lust hat, auf eine Currywurst zu „Curry 36“ einladen.

Am 17. November startet MTV Arabia. Werden dort auch Frauen moderieren?

Ja, natürlich.

Immerhin dürfen Frauen in Saudi-Arabien bis heute nicht Auto fahren.

Es gibt große Unterschiede zwischen Dubai, Kairo und Riad. Wir bemühen uns, zusammen mit den arabischen Lizenznehmern einen gemeinsamen programmlichen Nenner zu finden. MTV Arabia wird größtenteils nationale Acts spielen und dabei gleichzeitig versuchen, das Publikum auch an internationale Stars heranzuführen. Statt einer Datingshow wie „Dismissed“ läuft wohl eher eine tägliche Live-Show mit Publikum wie zum Beispiel „TRL“. Videos von Rappern wie 50 Cent …

… in denen nackte Frauen gezeigt werden …

… laufen dort sicher nicht.

Ist der typische MTV-Zuschauer immer noch männlich?

Die Datingshows am Nachmittag haben mehr weibliche Zuschauer, wobei die Musik-Formate eher von Jungs gesehen werden. In der Gesamtheit sind bei MTV ungefähr 60 Prozent der Zuschauer männlich und 40 Prozent weiblich. Bei Viva ist es genau umgekehrt. Wir haben die Sender seit der Viva-Akquisition so positioniert, dass sie sich ergänzen.

Seit Jahren sendet Ihr Sender Shows wie „Pimp my ride“, „Date my Mom“ oder eben „Dismissed“. Was macht diese Formate zu Dauerbrennern?

Grundsätzlich muss man mit dem Thema einer Show ins Herz der Zielgruppe treffen. Für die jungen MTV-Zuschauer sind Themen wie Beziehungen, Individualität und Abgrenzung von den Eltern immer aktuell. Das Interesse an Datingshows ist absolut natürlich, weil man sich in diesem Alter extrem für das andere Geschlecht interessiert. Hinzu kommt, dass wir diese Themen stets auf die MTV-typische Art aufgreifen und behandeln, getreu dem Motto „be different“.

Und die jungen Menschen denken dann, eine Verabredung müsste grundsätzlich im Whirlpool enden, bei Erdbeeren und Champagner?

Ich glaube, sie sind sich bewusst, dass das nicht die Realität ist. Aber wer schaltet schon den Fernseher ein oder geht ins Kino in einen Liebesfilm, um ein Abbild der Realität sehen? Die Kids wollen sich gut unterhalten, über die Protagonisten der Shows lachen oder sie sexy finden und sich mit ihnen identifizieren. Vielleicht übernehmen sie gewisse Redewendungen, aber einen grundlegenden Einfluss auf unsere nationale Verabredungs-Kultur gestehe ich den Shows nicht zu.

Halten Sie die Debatte um geschmackliche und moralische Grenzen des Fernsehens für wichtig?

Auf jeden Fall. Ich frage mich manchmal: Wann wird es so weit sein, dass das Sterben eines Menschen im Fernsehen gezeigt wird? Wir Fernsehmacher müssen uns ständig fragen, wo die Würde des Menschen dem Programm und der redaktionellen Freiheit Grenzen setzt. Und man muss nicht zwangsläufig immer näher an die Grenze gehen, um Erfolg beim Publikum zu haben. Nach dem Erfolg einer ja ziemlich umstrittenen Show wie „Jackass! war unser nächster Hit auf MTV eine Reality-Doku über eine amerikanische Musikerfamilie. Der Erfolg dieser Familien-Doku hat auch mich überrascht.

Sie zeigten das Familienleben des Altrockers Ozzy Osbourne.

Obwohl diese Familie nun wirklich nicht ganz den Standardvorstellungen einer glücklichen Familie entspricht, war sie doch intakt.

Wie bitte? Es gab ständig Schlägereien zwischen Alt und Jung, zu essen gab es nur Burritos, Hunde machten ins Wohnzimmer.

Ja, aber in dieser Familie wurde wenigstens geredet. Ich hätte mich gefreut, wenn es bei mir früher so offen zugegangen wäre wie bei den Osbournes.

Welchen Trends sind Sie als Jugendliche gefolgt?

Keinen. Das hat mich nie interessiert. Alles in allem gehöre ich einer eher langweiligen Generation an. Die 68er waren schon lange vorbei, es gab höchstens noch einzelne Ausläufer in Form von Blumenkindern. Eine große Punk-Szene gab es in der Schweiz nicht, auch wenn die autonome Szene in Bern relativ stark war. Die nächste große Bewegung, die ich mitbekommen habe, war dann Techno. Da war ich aber schon zu alt. Im Rückblick würde ich sagen: Bei meiner Generation kam nichts von innen heraus, sie hat nichts Eigenes hervorgebracht.

„MTV Europe Music Awards“, um

20 Uhr, MTV

Das Interview führten Esther Kogelboom und Ulf Lippitz.

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