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Medien: Die Parteiliche

ORF-Intendantenwahl: Scheitert Monika Lindner?

Die wirtschaftlichen Eckdaten klingen etwas bescheiden: 4500 Mitarbeiter hat der staatliche österreichische Sender ORF, das ist gerade mal ein Viertel der Mitarbeiterzahl der öffentlich- rechtlichen Sender in Deutschland. Der ORF produziert zwei TV-Vollprogramme, dazu kommen neun regionale und drei nationale Radiowellen. Die Fernsehprogramme haben derzeit einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent, die Regionalradios sind in ihren Bundesländern jeweils klarer Marktführer, darum gilt der ORF-Chef als der einflussreichste Medienposten im Land. Und darum ist der heutige Donnerstag für Österreich ziemlich wichtig. Denn es wird ein neuer ORF-Chef gewählt.

Sechs Kandidaten stehen zur Wahl. In einem ziemlich eigenartigen Wahlprozedere, bei dem jeder Kandidat einzeln zur Wahl steht und so lange gewählt wird, bis einer der Kandidaten eine absolute Mehrheit hat, müssen sich die 35 ORF-Stiftungsräte auf eine Person einigen. Formal ist dieser Stiftungsrat ein unabhängiges Gremium, tatsächlich wird es von den Parteien kontrolliert. 14 Stiftungsräte stellt die regierende ÖVP, fünf der Juniorpartner BZÖ, elf die SPÖ, je einen die Grünen und die FPÖ. Drei Stiftungsräte sind tatsächlich unabhängig. Die Wahl des neuen ORF-Chefs ist eine politisierte Angelegenheit, im Grunde ist es die letzte wichtige politische Entscheidung, die die rechtskonservative Regierung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel vor der Nationalratswahl am 1. Oktober zu treffen hat.

Schüssel hat sich schon früh auf die derzeitige ORF-Chefin Monika Lindner als ihre eigene Nachfolgerin festgelegt. Tatsächlich ist Lindner schwer durchzusetzen: Sie hatte in ihrer ersten Amtszeit den ORF ziemlich regierungsfreundlich geführt. Zusammen mit ihrem Chefredakteur Werner Mück, den sie nun zum Infochef machen möchte, wurde vor allem in den Nachrichtensendungen überproportional viel Regierungspropaganda gesendet, zudem hatte Mück mit oftmals frauenfeindlichen Aussagen in internen Sitzungen für Unmut gesorgt. Erst im Juni hatte es deswegen eine Protestwelle im Land gegeben, fast 100 000 Österreicher hatten sich unter dem Titel „SOS ORF“ zu einer Plattform für einen unabhängigen ORF gefunden. Eine interne Untersuchungskommission hatte Mück längst nicht so reingewaschen, wie sie nach Meinung der ÖVP hätte tun sollen.

Als aussichtsreichster Kandidat gilt derzeit der ORF-Finanzchef Alexander Wrabetz, der erst vergangene Woche seine Kandidatur bekannt gegeben hat. Wrabetz, in seiner Jugend Chef der Sozialistischen Studenten, hat zwar ein SPÖ-Parteibuch, hat aber auch glänzende Beziehungen zur FPÖ und zum BZÖ. Zudem gilt er als ausgewiesener Medienmanager, der den ORF in einer Phase des wirtschaftlichen Umbaus führen könnte. Am Tag vor der Wahl glaubte Wrabetz, 20 der 35 Stiftungsräte hinter sich zu haben.

Sollte es zu einem Patt zwischen Lindner und ihrem derzeitigen Manager kommen, dann könnten sogar zwei in Deutschland bekannte Personen in die ORF-Spitze aufsteigen: Sowohl Rudi Klausnitzer, einst Sat-1-Chef, als auch Helmut Brandstätter, zuletzt als Chef des Nachrichtensenders n-tv in Deutschland aktiv, haben sich um den Job beworben. Sie gelten beide als bürgerliche Kandidaten, haben aber auch gute Kontakte zur SPÖ.

Markus Huber[Wien]

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