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Medien: Die rote Laterne

„Bericht aus Berlin“ liegt bei Quoten noch hinter „Wort zum Sonntag“ – wird er verlegt?

Der liebe Gott schlägt Kanzler Schröder. Schon eine Überraschung, dass „Das Wort zum Sonntag“ in der ARD ein größeres Publikum als der „Bericht aus Berlin“ findet. Ein Unglück eint die beiden Formate wiederum: Unter den regelmäßigen Primetime-Sendungen im Ersten sind sie unter den Schlusslichtern, was die Einschaltquoten angeht. Seit Jahresbeginn wird die Pfarrer-und-Pastorinnen-Sendung am Samstag im Schnitt von 1,81 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 8,3 Prozent) eingeschaltet, die Kanzler-und-Oppositions-Berichte am Freitag erreichen 1,53 Millionen (MA: 7,5 Prozent). In der ARD sind sie über diese Zahlen so erschrocken, dass Chefredakteur Hartmann von der Tann gleich nachschiebt: „Das ,Wort zum Sonntag’ profitiert eben von den quotenstarken Sendungen, deren Publika den Zwischenruf der Kirchen noch mitnehmen.“

Der „Bericht aus Berlin“ ist nicht irgendeine Sendung, das ist Herzblut, ein Prestigestück sondergleichen, ein besonderer Teil des ARD-Informationsprofils und ein Traditions-Titel. Der „Bericht aus Berlin“ wird seit 1999 als Nachfolger des „Berichts aus Bonn“ ausgestrahlt. Betreut und moderiert von Ernst Dieter Lueg und Friedrich Nowottny konnte die „Bonner Republik“ ohne die politische Freitags-Lese nicht ins Wochenende gehen. Bereits die erste Sendung im April 1963 hatte Schlagzeilen produziert, als Kanzler Adenauer erklärte: „Ich gehe im Herbst.“ Nowottny sagt, „wir hatten Einschaltquoten wie Gottschalk“. Aber, und das sagt er auch, schon Mitte der 80er Jahre bröckelte der Zuspruch: „Die Busenshows bei RTL nahmen uns mehr und mehr Zuschauer weg.“ Mit dem Aufstieg des Privatfernsehens und der öffentlich-rechtlichen Reaktion darauf wandelte sich das Fernsehen am Freitag zur Unterhaltungsmaschine. Der „Bericht aus Bonn/Berlin“ wurde zum Misanthropen, weiter isoliert durch eine programmliche Todsünde: Sein Starttermin lag und liegt irgendwo zwischen 22 Uhr 45 und 23 Uhr 16 (wie am letzten Freitag). Friedrich Nowottny schimpft das eine „gehobene Schwachsinns-Planung“.

Der „Bericht aus Berlin“ sitzt in der Wahrnehmungs-Falle. Und weil die Lage verzweifelt ist, Mitarbeiter der Sendung zunehmend über den Sinn und Zweck ihres Einsatzes nachgrübeln, muss eine Lösung her, die eines auf jeden Fall ausschließt – das Ende. Chefredakteur Hartmann von der Tann nennt drei Optionen: a) eine Verschiebung auf den Sonntag im Anschluss an den „Presseclub“ um 12 Uhr 45, b) eine Verlegung in den frühen Sonntagabend vor die „Lindenstraße“ (so gegen 18 Uhr 10), c) der „Bericht aus Berlin“ bleibt am Freitag auf dem unverrückbaren Termin um 22 Uhr 45 und bekommt im Vorlauf eine attraktive Unterhaltungssendung, die dem „Bericht“ eine stattliche Anzahl an Zuschauern übergibt. Die ausgelaufenen „Loriot“-Sketche haben dies nicht geleistet, jetzt müssen „Bunte-TV“ und von Januar an die Comedy „Heinz Becker“ ran. Das ist schon keine Ironie mehr im deutschen Fernsehen, dass Politik eine Unterhaltungs-Prothese benötigt, wenn eine politische Sendung laufen soll.

Der ARD-Chefredakteur sagt, jede Option hätte gewichtige Argumente für und gegen sich. Aus der Medienforschung kämen keine eindeutigen Signale. „Am Sonntagabend wäre das Publikum bestimmt größer, andererseits muss das Produkt besonders konkurrenzfähig sein.“ Der Chef des ARD-Hauptstadtstudios und Moderator der Sendung, Thomas Roth, hat sich festgelegt, er bevorzugt einen konsequent durchgehaltenen Startpunkt am Freitagabend: „Ob 22 Uhr 15 oder 22 Uhr 45, ist nicht entscheidend, entscheidend ist, dass der Zuschauer nach dem ,Bericht’ im Programm nicht suchen muss.“ Zudem liefere der Freitag als nachrichtenstarker Tag stets aktuelle Themen für die Berichterstattung. Für Roth ist es zweifelsfrei, dass sich der Zuschauer am späten Freitagabend noch nicht ins Wochenende verabschiedet hat. „Eine innenpolitische Berichterstattung, die nachfragt, einordnet und Orientierung bietet, ist jetzt noch wichtiger als früher.“

Ob Roth oder von der Tann, alle Betroffenen wollen eine rasche und konsequente Entscheidung. Angekündigt ist sie: Ende November suchen die ARD-Intendanten – zum wiederholten Mal – eine Lösung des Problems. Bei der Schwere ist klar, dass die Eingebung eine göttliche sein muss.

„Bericht aus Berlin“: 22 Uhr 45, ARD

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