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Medien: Die Sächsisten sind los

VORSICHT! WERBUNG Bis vor acht Jahren gab es eine Anzeigenkampagne, die fast alle Errungenschaften zeigte, die Sachsen in seiner Geschichte zu bieten hatte: vom Filter der Dame Melitta bis zu einem farbigen Polizisten.

VORSICHT! WERBUNG

Bis vor acht Jahren gab es eine Anzeigenkampagne, die fast alle Errungenschaften zeigte, die Sachsen in seiner Geschichte zu bieten hatte: vom Filter der Dame Melitta bis zu einem farbigen Polizisten. Möglich wurde die Kampagne, weil ein einziger Auftraggeber das Sagen hatte: die „Sächsische Zeitung“. Der andere Grund war, dass die Zeitung auf eine junge, hungrige Werbeagentur zurückgreifen konnte: Scholz & Friends Dresden. Heute ist die „Sächsische Zeitung“ froh, wenn sie ein paar Anzeigenspalten mit Inseraten für gebrauchte Fahrräder füllen kann. Für eine so schöne Sachsen-Kampagne wie damals hat sie kein Geld mehr. Und die Werbeagentur zählt inzwischen zu den Großen der Branche und ihr kreativer Chef, Sebastian Turner, ist vom Erfolg so korrumpiert, dass ihn schöne Sachsen-Anzeigen kaum noch interessieren. Er hat sich längst nach Baden-Württemberg orientiert, wo es viel mehr Geld zu holen gibt und wo ihn außerdem seine Mutti zur Welt brachte. Mittlerweile macht seine Agentur für Baden-Württemberg TV-Spots in Serie. Außerdem konnte er endlich den Spruch unterbringen, den er schon vor zwölf Jahren für Sachsen gebastelt hatte, den aber ein gewisser Kurt Biedenkopf nicht so recht mochte: „Wir können alles, außer Hochdeutsch.“ In Sachsen war man derweil nicht untätig.

In ganz Sachsen? Nein. Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee holte Sympathien und schaffte die gelungene Bewerbung Leipzigs als Olympiastadt. Doch parallel griff die Reklameagentur Publicis in die werbliche Sickergrube. Die Anzeigen sind zwar nur eine Viertelseite groß, aber vierfarbig, was auch an die 15 000 Euro kostet und angesichts des Ergebnisses viel zu viel ist: Irgendein blinder Mensch hat ein T-Shirt mit einem grünen, rauchenden Männchen auf die Wäscheleine gehängt. Daneben steht das Bekenntnis: „Ich bin ein Sächsist.“ Und drunter wird behauptetet: „Das haben Sie noch nie gesehen.“

Gemeint ist offenbar Oberwiesenthal, wo jeder, der will, Biathlet werden kann. Fremdenverkehrsleuten ist das nicht zu verübeln, die fallen auf einen solchen Schmarren gern rein. Dass diesen Schrott aber gelernte Werber produzieren, ist schon ein Sonderfall. Der zuständige Texter sollte den Rest seines Lebens in Oberwiesenthal verbringen müssen.

Reinhard Siemes

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