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Medien: „Die sind so mutig, so beknackt da drüben!“

Anke Engelke ist die neue Stimme von Marge Simpson. Ein Gespräch über Sozialkritik, Kollegen und sensationell gutes Fernsehen

Wollen wir erst über Ihre Rolle als Marge Simpson sprechen und dann...?

...och, nö. Eigentlich finde ich es immer super, wenn ich nur über eine Sache rede, sonst franst das so aus.

Warum hat Alice Schwarzer Sie kürzlich...

...Aaah!

...als Ihre Nachfolgerin vorgeschlagen?

Stopp!

Schade, das wäre ein schöner Übergang geworden: Marge Simpson als Typ Frau, gegen den ihre Freundin Alice Schwarzer ihr Leben lang angeschrieben hat.

Ach so. Na ja, manchmal muss man seine schönen Übergänge über Bord werfen.

Dann erzählen Sie doch mal: Wie synchronisiert man Marge Simpson?

Es ist dunkel. Man ist recht allein im Studio. Man steht vor einem Pult, darauf der Text, vor der Nase der Monitor. Viele Menschen denken ja: Das ist da so ’ne lustige Truppe. Falsch. Das Alleinsein ist wichtig, wegen der Konzentration. Andererseits ist es schwer, weil man trotzdem ernsthaft spielen muss. Große Gefühle, leise Töne, das volle Programm.

Stehen oder sitzen Sie?

Man steht immer, damit die Säule da ist.

Aha.

Zwerchfell, Lunge, Hals – muss alles frei sein. Dann habe ich drei Tasten: gelb, grün, rot. Ich drücke eine und höre den O-Ton von Marge. In meinem Fall von der großartigen Julie Kavner, die... Wollen Sie das wirklich alles wissen?

Sie erzählen...

...und Sie schlafen kurz, okay. Sie können auch was kochen (lacht). Also, Julie Kavner: Ich fand die schon als Schauspielerin super. Die spielt immer bei Woody Allen mit und sagt (mit kratziger Stimme): What are you doin’? Why are you doin’ this to me? Why are you talkin’ to me like that? (Wieder normal) So spricht auch Marge. Nur rauchiger. Dann drücke ich auf den zweiten Knopf, um eine andere Figur zu hören.

Wofür ist der dritte Knopf da?

Keine Ahnung, den benutze ich nie.

Sie waren die Synchronstimme von Tarzans Jane, Sie waren ein Fisch und eine Eisbärenmutter. Jetzt Marge Simpson – eine Ikone der Popkultur. Sind Sie aufgeregt oder sagen Sie: Och, na ja?

Och, na ja? Was ist denn das für eine doofe Haltung? Das würde ich nie sagen. Ich würde aber auch nicht sagen, dass das jetzt ein Riesensprung ist. „Tarzan“ und „Nemo“ waren genauso wichtig und schön. Ich freue mich, weil mir die „Simpsons“ sehr gut gefallen. Die sind so mutig, so beknackt da drüben. Das muss so ein kluger Haufen sein!

Harvard-Absolventen.

Knaller! Die Serie ist das Sozialkritischste, was ich je gesehen habe.

Ein Beispiel?

Marge und Homer sind bei einem wohlhabenden Paar zum Essen eingeladen, der Mann ist Footballsuperstar. Alle sitzen auf der Terrasse, auf einem Hügel über Springfield, und Marge sagt: „Schön ist das hier. Sie hatten bestimmt einen tollen Blick auf die Rassenunruhen von hier oben!“ Da geht es nicht darum, den schnellen Karnevalswitz abzuschießen. Da erzählt jeder Satz drei Geschichten.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Marge Simpson und Anke Engelke?

Den Familiensinn. Aber dann hört’ s auch schon auf. Die Toleranz, die sie ihrem Mann gegenüber hat, ist ja unermesslich.

Kennen Sie die Folge, in der sie eine Scheinehe mit einem anderen Mann führt?

Sorry, ich kenne nicht alle 17 Staffeln.

Dann wird’s aber Zeit.

Jaja. Aber nur auf Englisch, sonst komme ich ganz durcheinander. Elisabeth Volkmann, die erste Marge, hat das ja super gemacht und hat die Rolle ganz neu gestaltet. Aber ich muss meine eigene Marge entwickeln.

Viel Erfolg! Darf ich jetzt noch ein paar andere Fragen stellen? Mein Ressortleiter bat darum.

Und mein Ressortleiter hat gesagt: auf keinen Fall! Ihr Zeitungsfritzen sagt immer: eine Frage noch – und dann wirste verarscht. (Pause) Ich bin einfach zu naiv für diesen Job. Also, los!

Außer den Simpsons: Worüber können Sie lachen im Fernsehen?

Ich gucke ja nicht viel fern. Mit Schulkindern will man da nachts nicht noch... und tagsüber schon gar nicht. Wollen Sie was vorschlagen?

Viele finden, dass Harald Schmidt, den Sie mal beerben wollten, brav geworden ist.

Ich habe ihn 2006 echt nicht viel gesehen. Im Zweifel ändert sich ja der Inhalt seiner Birne nicht. Und die finde ich eigentlich zuverlässig gut. Einmal hab’ ich ihn gesehen, da war Kurt Krömer da.

Der ist nicht brav.

Der ist super, super, super!

Der neue Sat 1-Chef Matthias Alberti gilt als Fan von Ihnen. Wird 2007 ihr Jahr?

Fest steht, dass „Ladyland“ mit zwölf neuen Folgen kommt. Und im ZDF wird es ein neues „Blind Date“ mit Olli Dittrich geben. Wann, weiß ich aber noch nicht. Wir planen immer nur eine Folge, weil das vom Aufwand her so ein fetter Brocken ist. Olli hat ja kaum Zeit im Moment. Ich kann warten.

Und ein neues Format?

Da gibt es viele Ideen.

Mal böse gefragt: Das Feuilleton mag Sie. Anke Engelke macht Humor für Erwachsene, liest man. Trotzdem sind Sendungen, wo Ihr Name draufsteht, nie von Dauer. Sind Sie zu gut für modernes Comedy-TV?

Fand’ ich gar nicht so böse gefragt. Oder ich bin blöd. Sie wollen jetzt... aha, ich weiß schon. Also, zu gut für dies, zu schlecht für das: So bewerte ich das nicht, die eigene Arbeit schon gar nicht. Ich kann nur das, was ich mache.

Und was können Sie nicht?

Ich bin nicht der Typ, der sich auf die Bühne stellt und die Welt erklärt. Ich bin ein Teamplayer.

Sie sind nicht Hape Kerkeling.

Der kann das, stimmt. Und das Schöne ist: Er hat nicht diese Macke, die viele haben und hält sich für den Größten. Hape Kerkeling ist extrem geerdet.

Würden Sie sich eine große Talkshow zutrauen? Kerner, Maischberger, die Liga?

Natürlich nicht! Bei Diskussionen ernster Natur stören Kameras nur. Nicht-Profis können damit nicht gut genug umgehen und Profis zu gut. Ich guck’ das nicht. Ich finde Tageszeitungen super.

Was gucken Sie denn?

Wenn ich gucke, dann gezielt. „Stromberg“ von Christoph Maria Herbst zum Beispiel. Das ist sensationell gutes, leider aber auch sensationell seltenes Fernsehen. Und ich liebe Frank Plasberg, „Hart aber fair“. Viel mehr nicht. Geht auch gar nicht, wenn man selber beim Fernsehen arbeitet. Sonst lebt man so auf dieser Spur... dann nimmt das einfach zu viel Platz ein. Und das fände ich nicht fair den anderen Menschen gegenüber in meinem Leben. Die müssen schon damit leben, dass Fernsehen mein Beruf ist. Glauben Sie mir, es macht keinen Spaß, mit mir durch die Fußgängerzone zu laufen. (Pause) Na super! Das ist ja ein total ernstes Gespräch geworden. Tut mir leid!

Nein, Frau Engelke...

...Ihr armer Ressortleiter wird kotzen! Aber da können wir jetzt leider nichts machen, er kann ja meinen Ressortleiter anrufen. Ich muss los.

Das Gespräch führte Marc Felix Serrao

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