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Medien: Die Stille im Netz

Der Online-Wahlkampf der Parteien beginnt schleppend

Auf der Internetseite www.cdu.de lässt auf den ersten Blick nichts darauf schließen, dass Deutschland bald wählt. Die Führungsstärke von Frau Merkel, die Finanzschwäche der EU, der üblich bunte Netzauftritt. Anders die Junge Union: Zur Begrüßung erscheint auf ihrer Seite eine „Restmüll“-Tüte, daneben die Frage: „Wollen Sie das Projekt Rot-Grün endgültig löschen?“ Kreuzt man Ja an, wird der farbige Tüteninhalt geleert.

Der Wahlkampf der Parteien im Netz beginnt in diesem Jahr – im Vergleich zu den Nachwuchsorganisationen – sehr spät, was am Zeitdruck liegt, den offenen Programmfragen und der ausstehenden Vertrauensfrage. Parteisprecher kündigten gegenüber dem Tagesspiegel an, dass die entsprechenden Portale frühestens Anfang Juli ins Netz kommen. Am weitesten sind die kleinen Bundestagsparteien: Unter gruene.de können Interessierte seit dieser Woche den Entwurf des Wahlprogramms runterladen. Schon etwas länger gibt es auf den Seiten der FDP („Deutschland wechselt“) E-Cards, ein Flugblatt zum Ausdrucken und Argumentationshilfen. Für die aufwändigen Plattformen aber, scheint es, gilt überall die Deadline eines SPD-Sprechers: „Wir warten die Vertrauensfrage des Kanzlers ab.“

Funkstille trotz anrollender Wahl? In den USA, dem Internet-Mutterland, wäre das undenkbar. Edward Kennedy nutzte das Web bereits 1994 für seine Wiederwahl in den Senat. Zehn Jahre später gewann Howard Dean im Vorwahlkampf mit seiner Webseite Tausende von Unterstützern und Millionen von Dollar – offline wäre er John Kerry kaum gefährlich geworden. „Zwischen uns und den USA liegen Welten“, urteilt Roland Heintze. Laut dem CDU-Mann in der Hamburger Bürgerschaft, der eine Doktorarbeit über e-campaigning schreibt, wird das Internet auch hier immer wichtiger. Nach außen: um „online-affine“ Wechselwähler anzusprechen. Nach innen: um die Partei über die inhaltliche Linie zu informieren.

Unverzichtbar, finden auch die Jungsozialisten. Der SPD-Nachwuchs hat seit wenigen Tagen eine „Wahlkampfplattform“ im Netz. Seit fast einem Monat schon setzt der Vorsitzende Björn Böhning mit „Maggie Merkel marktradikal“ Akzente in puncto „negative campaigning“. Wie die Jusos fordert auch die Grüne Jugend die Regierung unter dem Titel „So ziehen wir in den Wahlkampf“ zum inhaltlichen und personellen Neuanfang auf – die Seiten wurden allerdings in den letzten Tagen zur Überarbeitung wieder aus dem Netz genommen. Selbst dort, wo die Partei gar nicht im Kreuzfeuer steht, geben die Jungen online Ratschläge nach oben ab. Eine Koalitionsaussage der FDP zugunsten der Union? „Keinen Schnellschuss“ forderten die Jungen Liberalen. Still – bis auf eine kurze Kritik am Linksbündnis-Partner Oskar Lafontaine und seiner „Fremdarbeiter“-Formulierung – ist bislang nur die sonst wortreiche PDS-Jugend („mitmachen, selbst machen, Kapitalismus kaputtmachen!“).

Eine Neuheit bieten Bündisgrüne und FDP mit ihren Wahl-Chats: Im „Deutschlandprogramm 2005“ der Liberalen und im „Grünen Wiki“ kann jeder online am jeweiligen Wahlprogramm mitbasteln. Welche Kommentare die Parteioberen am Ende berücksichtigen, bleibt natürlich abzuwarten.

Felix Serrao

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