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Medien: Die Unschuld verliert man nur einmal

Was haben die Zuschauer vom ersten Fernsehduell zwischen Kanzler Gerhard Schröder und Herausforderer Edmund Stoiber? Entweder sie stürzen sich auf die Informationen oder auf die Emotionen. Auch die niederen Triebe sind nicht ausgeschlossen.

Von Désirée Bethge

Heute ist es soweit – heute soll Fernsehgeschichte l geschrieben werden. Das Duell steht an. Da denkt man an Morgengrauen, Nebel, elegant gewandete Herren, die um der Ehre willen zum Sterben bereit sind. Heute aber graut es nicht am Morgen, sondern am Abend, um 20 Uhr 15. Und es geht nicht um die Ehre, sondern um den unentschiedenen Wähler, die USA machen das seit vier Jahrzehnten, und hier wird auch nicht gestorben.

Die Frage ist – wann wäre eigentlich dieses Duell ein Erfolg? Für RTL-Informationsdirektor Hans Mahr und Claus Larass, Vorstand Nachrichten und Information der ProSiebenSat 1Media AG ist es ein Erfolg, wenn die Quote heute Abend stimmt. Zehn Millionen Zuschauer sollen es schon sein. Die Chancen für die große Zahl stehen heute nicht schlecht, schließlich ist das ein Novum (auch wenn das TV-Duell wie das Ungeheuer von Loch Ness bei allen Wahlen mal auftauchte, haben sich die Kandidaten bislang diesen amerikanisch-populistischen Medienzirkus verbeten), die Privaten vollziehen das Ius primae noctis. Und auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen mit dem zweiten Duell am 8. September näher zum Wahltag liegen – die Premiere ist vorbei, die Unschuld verliert man nur einmal, dann kennen wir es doch schon – auch wenn das zweite Duell ein wenig anders daherkommen mag.

Erfolg für die Sekundanten, die übrigens super-, hyperneutral sind, definieren beide unterschiedlich: Peter Kloeppel sagte in einem Interview – das Duell sei für ihn eine „bedeutende Herausforderung… Ich hoffe, dass ich daran wachse.“ Ja, Herr Kloeppel, da sind wir ja gespannt, wie das ausschaut, wenn Sie so wachsen! Peter Limbourg, einer, dessen Fragen nicht gerade für Brisanz und Schärfe stehen, weiß jetzt schon, dass er durch das strenge Reglement – 90 Sekunden Antwort, nur zweimal nachfragen gestattet (soviel Nachfrage ist übrigens im ganz ungeregelten Journalismus leider keineswegs üblich) – nicht „…das volle Feuerwerk abbrennen kann“. Ja , dafür ist der Mann ja bundesweit berüchtigt, dass es in seinen Sendungen auf N 24 donnert und kracht, dass es eine wahre Freude ist. Jesses, der Arme, das ist natürlich hart für so einen scharfen Hund! Andererseits meint er, bringen würde es eh wenig, weil wir eben doch keine Amerikaner sind, er weiß es, er hat da was gelesen.

Erfolg für die Zuschauer bedeutet, dass es Gewinn bringt, entweder an

a) Informationen, also fürs Hirn, oder

b) an Emotionen, also fürs Gemüt und/oder die niederen Triebe (am besten natürlich alles drei, das sind dann die richtigen Knaller – aber hoffen Sie nicht darauf!).

Zu a) Das einzige Neue ist die Frage – was tun angesichts der Überschwemmungsopfer – und schafft es der Kandidat, da noch Land zu gewinnen?

Was die anderen Themen angeht – da kennen wir die Antworten hinlänglich, auch nachzulesen in den Printprobeduellen im Juli und August. Ansonsten ist es mit dem Neuen schwierig, soviel „Schroiber“ wie in den letzten Wochen war nie.

Zu b) und dem Gemüt: Wenn die Duellanten es schaffen, glaubwürdig zu sein, etwa in ihrer Betroffenheit in Sachen Flutkatastrophe, oder auch in ihrer Haltung zur Arbeitslosigkeit – wenn das nicht maskenhaft oder einstudiert wirkt, sondern wahrhaftig und menschlich, dann kann das Menschen bewegen.

Zu c) und den niederen Trieben: Wenn das Blut fließt – natürlich nur im übertragenen Sinn – wenn die sich richtig angehen, so dass einer in die Enge getrieben wird oder am Boden liegt, wie beim Boxen, wo dann der Ringrichter auszählt – dann schaut der Zuschauer hin. Egal wer da fertig gemacht wird. Und für die Duellanten ist es ein Erfolg, wenn das Publikum, das unbekannte Wesen, plötzlich ganz klar weiß: Der ist es, für den stimme ich am 22. September.

Da gibt es nur ein Problem: Es handelt sich bei dieser Veranstaltung sozusagen um ein Retard-Duell – wenn hier einer tot umfällt, merken wir das erst in vier Wochen. Es bleibt ja auch nicht wirklich einer auf der Strecke, wie sich das in einem Duell gehört – vielleicht ein bisschen, aber der wird dann gepampert, damit er im Duell Nr. 2 wieder seinen Mann steht. Außerdem geht es auch nicht um Ehre, sondern um Machterhalt, respektive Machtgewinn. So schießen die beiden denn auch immer mit Blick auf die Wechselwähler – und wer das am besten kann, der macht die Punkte.

Wem auch nach dem Duell nicht klar ist, was er da gesehen hat, dem wird auch noch geholfen – eifrige Kollegen in anderen Sendern, machen emsig Vor-, Hinter- und Nebenberichterstattung und Befragungen, in vierter, fünfter oder sechster homöopathischer Verdünnung. Alles nur, um uns zu sagen, was dieses Duell gebracht hat.

In diesem Sinne – gute Unterhaltung!

Die Autorin bildet Moderatoren aus. Für den Tagesspiegel beobachtet sie Wahlsendungen.

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