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Medien: Die Verwechselbaren

Um aufzufallen, müssen Magazine für Mädchen und junge Frauen nach dem kleinen Unterschied suchen

Wer sein Schlafzimmer rot streicht, heizt sein Liebesleben an, rät die eine. Selbstbefriedigung ist ganz normal, beruhigt die andere. Wie Haare sommergerecht gestylt werden, erklären beide und wissen auch Bescheid, wo sich Stars wie Amy Winehouse oder Kate Moss gerade so vergnügen – Sex, Mode, Beauty und Promis, das sind die Dinge, mit denen sich „Chica“ und „Sugar“ auskennen. Zwei Magazine, die so heißen wie Hunde, aber für pubertierende Mädchen und junge Frauen gedacht sind und vom Münchner Verlag Egmont Cultfish herausgegeben werden. Doch obwohl sie sich in ihrem Inhalt so gleichen, gibt es einen großen Unterschied: „Chica“ ist eine große Gewinnerin, „Sugar“ eine große Verliererin. Zumindest, was die Zahl ihrer Leserinnen angeht.

Um fast 218 Prozent steigerte „Chica“ ihre verkaufte Auflage im ersten Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahr, etwa 179 200 Exemplare gingen damit durchschnittlich an die Leserinnen. „Sugar“ machte dagegen im gleichen Zeitraum ein dickes Minus von 37 Prozent und verkaufte nur nur noch rund 64 000 Stück. Der Vergleich zeigt, wie unstet sich der Magazinmarkt für Mädchen und junge Frauen heute entwickelt. Und wie schwer er für die Magazinmacher zu bespielen ist.

„Die Jugendlichen sind heute Meister im Multi-Tasking. Sie surfen im Internet, schreiben SMS, schauen nebenbei Fernsehen und hören Musik. Als Zeitschrift noch Aufmerksamkeit zu erhaschen, ist schwer“, sagt Anja Müller-Lochner, Chefredakteurin von „Mädchen“, neben der „BravoGirl“ eines der wichtigsten Magazine für Mädchen zwischen 13 und 15 Jahren. Beide haben es schwer, ihren Stamm an Leserinnen zu halten, verkauften im ersten Quartal 2008 mit rund 160 000 Heften etwa zweieinhalb Prozent weniger als im Vorjahresquartal. Trotzdem bleibt Müller-Lochner zuversichtlich. „Wir bieten den Mädchen Inhalte, die sie im Netz nicht finden.“ Das fange schon bei der Sexberatung an. Wer im Internet den Begriff „Petting“ eingebe, lande schnell auf Pornoseiten. „Mädchen“ biete dagegen mit der Rubrik „Frag Gabi“, dem Pendant zu „Bravos“ Dr. Sommer, qualitative Beratung. Auch dazu, wie man mit Lidschatten umgeht oder Pannen beim ersten Date vermeidet. Ein wichtiger Verkaufstrick: „Optisch sehen wir aus wie ein Magazin für die ältere Schwester, aber sprechen inhaltlich die jüngere an.“

Für „Sugar“ sieht Egmont Cultfish sogar noch eine Nische dazwischen. „Unsere Zielgruppe fühlt sich für Magazine wie ,BravoGirl’ und ,Mädchen’ zu alt, aber bei ,InStyle’, ,Elle’ und ,Gala’ noch nicht heimisch“, erklärt Frank Pick, Sprecher von Egmont Cultfish. Doch wie die Verkaufseinbußen zeigen, geht dieser Plan nicht auf. „Sugar“ positionierte sich in den vergangenen Jahren immer wieder um, auch die aktuelle Ausgabe ist ein neuer Relaunch, und zeigte so wenig Verlässlichkeit. Wahrscheinlich gibt es diese Nische aber ganz einfach gar nicht – und die jungen Frauen greifen lieber gleich zu Magazinen wie „Chica“, „Joy“ (390 871 verkaufte Hefte, I/2008, IVW), „Jolie“ (276 168) und „Young“ (243 589), weil es hier mehr Sex, mehr Mode, mehr Promis zu sehen gibt, noch dazu im handlichen Pocketformat.

Danebengreifen können die Leserinnen dabei nicht – wortwörtlich, denn die jungen Frauenblätter sind sich zum Verwechseln ähnlich, optisch und inhaltlich. Auf dem Cover lächelt stets ein Star. Schwerpunkt sind meistens Tipps zu Beauty und Mode – aber nicht aus der hochpreisigen Designerliga, wie so oft in „Vogue“ und „Elle“, sondern eher auf bezahlbarem Niveau, das selten 200 Euro übersteigt. Daneben fehlen in den Blättern nie Ratschläge à la „Mehr Spaß im Bett“.

So empfiehlt die „Young“ aktuell: „Seien Sie einfach der beste Sex auf zwei Beinen, den er je hatte“ und zeigt, dass der von Charlotte Roche propagierte Feminismus bei den Blättern wohl niemals ankommen wird. Im Gegenteil. „Die Leserinnen sind wertkonservativer, aber gleichzeitig konsumorientierter und hedonistischer als früher“, sagt Uli Weissbrod, „Young“-Chefredakteur. Das richtige Label zu tragen sei sehr viel wichtiger geworden. Firmen würden intensives Marketing betreiben, mit Stars werben – eine Entwicklung, von der die Magazine profitieren. Denn im Gegensatz zu Männern würden sich Mädchen und Frauen mehr damit beschäftigen, wie sie nach außen wirken. Beispielsweise, ob ihr Stil gut ist oder wie sich beim ersten Date richtig verhalten. „Magazine wie die ,Young’ dienen den Leserinnen als Orientierung, welche Trends gerade angesagt sind“, sagt Weissbrod.

Gegen den gängigen Geschmack verhält sich die große Masse bekanntlich nur ungern. Das ist vermutlich der Grund, warum die Magazine trotz ihrer Ähnlichkeit nebeneinander bestehen. Doch ein wenig mehr Unterscheidbarkeit scheint angebracht: „Jolie“, „Joy“ und „Young“ verkauften zuletzt weniger Hefte. Dass sich „Chica“ nach schwachen Quartalen in 2006 und 2007 so enorm stabilisieren konnte, liegt wohl vor allem am Preis. Während die anderen Magazine 1,80 Euro kosten, ist „Chica“ für 1,50 Euro zu haben – und wenn der Inhalt ohnehin gleich ist, greifen die Leserinnen am Kiosk natürlich zum billigeren Blatt. Platzhirsch „Glamour“ (449 995) sticht aus der Masse heraus und setzt auf ein exklusiveres Konzept.

„Überleben werden langfristig nur die Blätter, die sich klar als Marke positionieren und von der Masse abheben“, sagt Weissbrod. Mit „Young“ will er verstärkt auf Streetstyle setzen, zeigen, wie die teuren Outfits der Promis budgetfreundlicher nachgestylt werden können. Wie die anderen Magazine wird „Young“ aber auf die Tipps fürs Liebesleben nicht verzichten.

Männer sollten sich also nicht wundern, wenn plötzlich alle Frauen mit roten Farbtöpfen für die Schlafzimmer ankommen.

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