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Medien: Die Wettschreiber

Von Stephan Kloss bis Antonia Rados: Alle Bagdad-Korrespondenten des Fernsehens arbeiten an Kriegsbüchern

Von Barbara Nolte

Stephan Kloss hat das Wettrennen gewonnen. Der Preis: ein Schaufenster vom Berliner Kulturkaufhaus Dussmann, nur für sich allein. Denn sie schreiben alle, Antonia Rados, Ulrich Tilgner, Christoph Maria Fröhder. Jeder deutsche Fernsehreporter, der im Irakkrieg im Hotel Palestine in Bagdad wohnte – es waren wirklich nur die vier –, macht diesmal ein Buch.

Im Grunde hat Kloss sein „Bagdad-Tagebuch“ bereits während des Irakkriegs geschrieben. Im Prinzip sind es die Tagebucheinträge, die er im März und April auf der Homepage des MDR veröffentlicht hatte. Er hat sie mit ein paar neuen Kapiteln ergänzt, mit ein paar Fotos, Zahlen: den Kriegskosten, den getöteten Journalisten, der Stärke der irakischen Armee. Nur zehn Tage nahm er sich für das Buch Zeit. „Es musste auf den Markt“, sagt er. Ein Tempo, das an Sportkommentatoren erinnert. Kaum von einer WM oder Olympischen Spielen zurückgekehrt, mussten sie schreiben, was das Zeug hielt, weil jeder mit seinem WM-Buch als Erster an der Kasse von Karstadt liegen wollte. Jeder Tag zählte da. Denn die Haltbarkeit solcher Bücher war sehr kurz. Schon zwei Monate später fand man sie auf den Ramschtischen. Mittlerweile, heißt es, verkaufen sie sich überhaupt nicht mehr gut. Vielleicht ist das Buch zum Krieg gewissermaßen der Nachfolger des Buches zur WM.

Kloss, Fröhder, Rados sind jedenfalls genauso prominent wie Sport-Kommentatoren. Und das ist das beste Verkaufsargument für diese Art Bücher. Peter Arnett war im zweiten Golfkrieg mit seinen Berichten aus Bagdad zum Weltstar aufgestiegen. Als Harald Schmidt diesmal in den ersten Kriegstagen einen Wettbewerb ausrief, welcher Korrespondent den besten Haarschnitt und den besten Hintergrund habe – trotz aller Ironie war da klar: Es war der Krieg der Live-Berichterstatter geworden. Schon weil das Palestine Hotel im Epizentrum des Krieges lag: Als Symbol des Falls von Bagdad stürzten die Amerikaner eine mächtige Hussein-Statue genau vor den Fenstern des Journalisten-Hotels.

Die Rolle der Korrespondenten erinnerte da manchmal an die von Erzählerfiguren in Theaterstücken. Nur, dass sie jeden Moment zu Mitspielern werden konnten: von einer US-Bombe getroffen oder von den Irakern als Geisel genommen. Stephan Kloss sah man im Fernsehen den Kopf einziehen, als eine Rakete über ihn hinwegflog. Und als eine Bombe im Haus nebenan einschlug, telefonierte er, unterm Fenstersims in Deckung gegangen, live mit dem „Nacht-Magazin“ weiter, bis Katharina Wolkenhauer sagte: „Aber bringen Sie sich doch in Sicherheit…“ Es klingt makaber: Aber vielleicht machte gerade das die Spannung der Fernseh-Kriegsberichterstattung aus. Vielleicht auch die Spannung, die sich die Verlage von den Büchern versprechen. Das Buch von Stephan Kloss füllt die Lücken zwischen seinen fast stündlichen Fernsehauftritten. Wenn die Kameras aus waren, erfährt man, hat er sich bei Bombenalarm unterm Tisch versteckt. „Sicher ist sicher.“ Eine profunde Reflektion des Kriegs bietet es leider nicht.

Kloss, 33, war zu Dussmann gekommen, um ein paar Stellen vorzulesen. Er hat sich oft verlesen, er kennt den Text einfach nicht gut. Nachdem er fertig war, stellte ein Journalist wieder die Frage, hinter der sich ein Vorwurf verbirgt: „Stimmt es, dass Sie auf eigene Faust in den Irak gefahren sind?“ Das ist er wirklich. Eigentlich freier Mitarbeiter des MDR-Regionalmagazins, zog er ohne Auftraggeber in den Krieg. Nachdem der reguläre Korrespondent der ARD, Jörg Armbruster, Bagdad verlassen hatte, engagierte ihn das Erste. Sein Abenteuergeist wird ihm angelastet. Dabei kann man doch höchstens der ARD anlasten, dass ein Senderverbund von der Größe einer Kleinstadt niemanden gezielt für so eine wichtige Aufgabe aussucht.

Christoph Maria Fröhder macht in seinem Buch, das Mitte Juni bei Hoffmann und Campe rauskommt, die entscheidungsschwachen ARD-Verantwortlichen sogar zum Thema. Fröhder ist so was wie der Kriegskorrespondenten-Veteran der ARD. Er war schon in Biafra, Kambodscha, Vietnam. Doch diesmal hat das Erste ihm erst wenige Tage vor Kriegsbeginn einen Vertrag gegeben. Die Verantwortlichen hofften, schreibt er, der Kollege Tilgner vom ZDF würde Bagdad verlassen. Dann hätte keiner der Öffentlich-Rechtlichen einen Korrespondenten vor Ort gehabt. Doch Tilgner blieb, und Fröhder musste in der ersten Kriegsnacht mit dem Taxi von Amman nach Bagdad reisen. Unter Lebensgefahr.

Doch der Einsatz lohnte sich auch für ihn. Indiz seines hinzugewonnenen Renommees: Nach Kriegsende bekam er Buch-Angebote von vier Verlagen. Er habe sich für den Verlag entschieden, der ihm immerhin drei Wochen Zeit zum Schreiben gegeben habe, sagt er. Sein Buch wirkt auch sorgfältiger als das von Stephan Kloss. Trotzdem wird es sicher kein Klassiker wie etwa Oriana Fallacis „Wir, Engel und Bestien“ über den Vietnamkrieg.

Der Chef von Hoffmann und Campe, Rainer Moritz, nennt das Genre „Schnellschuss“. Aber vielleicht wollen Fernsehjournalisten auch gar nicht so lange feilen. Antonia Rados, die aus Bagdad für RTL und n-tv berichtete, hat ihr Manuskript bereits abgegeben, obwohl das Buch erst Mitte Juli rauskommt. Man darf es noch nicht lesen, es muss noch lektoriert werden. So sind von Antonia Rados nur knappe E-Mail-Antworten zu bekommen – „ES IST EIN PERSÖNLICH-POLITISCHES BUCH; ICH ERHEBE KEINEN ANSPRUCH AUF VOLLSTÄNDIGKEIT“. Abgeschickt irgendwo auf dem Weg von Paris nach Bagdad: „ICH RECHERCHIERE DORT EINE LANGE DOKUMENTATION. VIELE GRUESSE.“ Was für einen Stil einen erwartet, kann man recherchieren, denn Antonia Rados hat schon einen Roman geschrieben „Quotenfieber“: über die Journalistin Anny, die, wie es in einer Rezension heißt, „die ethische Seite ihres Berufes noch ernst nimmt, obwohl sie weiß, dass sie auf verlorenem Posten steht“.

Nur: Was ist mit Ulrich Tilgner? Der Rowohlt-Verlag, bei dem sein Buch erscheinen wird, weiß noch nicht viel. Versucht man es unter derselben Satelliten-Telefonnummer wie im Golfkrieg, hat man ihn am Telefon. Tatsächlich, er ist schon wieder zurück in Bagdad. Nicht mehr im Palestine, sondern in einem kleinen Hotel. Tilgner klingt so gestresst wie in den Live-Schalten im Krieg. Sein Buch, sagt er, solle grundsätzlicher werden: die Kriegsabsichten behandeln, die geostrategischen Entwicklungen analysieren. Er recherchiere gerade den Verbleib von Saddam Hussein. „Ich habe jemanden getroffen“, sagt er, „der hat mit Husseins Sohn im Krieg den Vater gesucht. Einen halben Tag hat er dafür gebraucht.“ Wo hat der Mann Saddam Hussein schließlich gefunden? Das könne er nicht verraten, sagt Tilgner.

Das soll man wohl in seinem Buch nachlesen, doch es kommt erst im Herbst. Vielleicht gibt es die Bücher der Kollegen da schon im Sonderangebot.

Stephan Kloss: „Mein Bagdad-Tagebuch“, Fischer Taschenbuch-Verlag, 12 Euro; Christoph Maria Fröhder: „Ein Bild vom Krieg“, Hoffmann und Campe – ab Mitte Juni; Antonia Rados: „Live aus Bagdad“, Heyne – ab Mitte Juli; Ulrich Tilgner: Titel steht noch nicht fest, Rowohlt – ab Herbst

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