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Medien: Die wichtigen Alten

VORSICHT! WERBUNG Wenn die privaten Fernsehsender ihre Zuschauerzahlen bekannt geben, sind sie schrecklich stolz auf den hohen Anteil der jungen Zuschauer.

VORSICHT! WERBUNG

Wenn die privaten Fernsehsender ihre Zuschauerzahlen bekannt geben, sind sie schrecklich stolz auf den hohen Anteil der jungen Zuschauer. Dürfen sie auch sein. Nur haben viele Werbeplaner längst eine andere Gruppe im Visier: die rund 30 Millionen Bundesbürger über 50.

Sie sitzen auf dem Geld, das junge Leute gern ausgeben würden. Und damit sie ein bisschen konsumfreudiger werden, tauchen in den deutschen TV-Spots immer häufiger Omis und Opis auf. Kleines Problem: Die Macher dieser Filmchen sind überwiegend um die 30 und können sich nur schwer in die Situation alter Menschen hineinversetzen. Die Folge ist, dass sie die Fernseh-Alten als schrille, abgedrehte Freaks zeigen. Seltsamerweise kommen pseudonormale Alte noch schlechter an. Wer die 50 überschritten hat, mag nicht, wenn ihm jemand einen Spiegel vorhält. Das ergab unter anderem auch eine Kundenbefragung für ein seriöses Modeunternehmen. Ausgerechnet die Damen mit den grauen Haaren verlangten nach jüngerer und frecherer Mode, die sie selbst niemals tragen würden. Sie mögen auch nicht, wenn das dezente Kostüm in der Anzeigenwerbung von einer ebenso dezenten 55-Jährigen vorgeführt wird. Vor allem dann nicht, wenn sie zu jenen glattgesichtigen Menschen gehört, die per fotografischer Nachbearbeitung wie 45 aussehen, aber 70 sein könnten. Tatsächlich gibt es drei Möglichkeiten, die ältere Generation vernünftig anzusprechen. Entweder man verwendet Models, die zehn oder 15 Jahre jünger sind als die Zielgruppe. Oder man überhöht das Alter.

Aber nicht, indem man Omas kreischige Sonnenbrillen aufsetzt. Sondern, indem das Alter in seiner ganzen Konsequenz gezeigt wird. Die Modemarke Oui hat das vor einiger Zeit wunderbar vorgemacht. Die Oui-Anzeigen gewannen nicht nur viele Kreativ- Preise. Sie wurden auch von den Kundinnen äußerst positiv aufgenommen. Und zwar von den jungen genauso wie von Damen jenseits der 50. Die dritte Möglichkeit: Ich verzichte auf den Hinweis „Das ist für dich, du alte Fregatte“ und mache zeitlos originelle und intelligente Werbung. Die funktioniert wie die Sketche von Loriot: Die Oma bekringelt sich genauso wie der Enkel.

Reinhard Siemes

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