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Medien: Diese Schuhe sind zu flach

Ab heute läuft „Alles außer Sex“. Wir haben schon mal probegeguckt

Zeitschriften veröffentlichen immer mal wieder Tests über die statistische Wahrscheinlichkeit von Flirts an unterschiedlichen Orten. Die höchste Trefferquote bekommen jedes Mal: „im Supermarkt“ oder „auf Arbeit“. Keine Rede von Bahnsteigen. Geschweige denn davon, dass ein feuriger Italiener ein Blümlein aus dem Kraut zwischen den Gleisen zupft und es mit den Worten überreicht: Ische musse Sie widderrrsehe, kenne Sie meine Ristorrrante? Und dann steht nach der ersten Nacht mit dem italian stallion die Mamma mit der abgesägten Schrotflinte am Bett und verlangt, dass der geschändete Sohn sofort zu heiraten sei? „Alles außer Sex“ entscheidet sich gern für die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten.

Die neue Serie läuft ab heute immer mittwochs um 20 Uhr 15 auf Pro 7, und die Ähnlichkeit zu „Sex and the City“, dem bitter vermissten Dienstagabendmärchen aus Manhattan, ist nicht zufällig. Da sind also wieder vier Protagonistinnen, die vier Stereotypen gehorchen: Da ist Frenzy, die naive Romantikerin (was Charlotte aus SATC entspricht), da ist Edda, die Männermordende (Samantha), Valerie, die fade Buchhändlerin (die an Mirandas Karriereanwaltsfadheit nicht heranreicht), und Minza, die chaotische Hauptdarstellerin, die in einem Punkt viel sympathischer ist als Zaunlatten-Carrie: Sie hat ein normales Gewicht. Dann viele schöne Männer und ein Erzähler aus dem Off. Die Klamotten sind nicht so gut wie im Pat-Field-getunten exzentrisch-selbstironischen New-York-Laufsteg-TV, die Sprüche auch nicht, obwohl Annette Frier, die tolle Comedian, die Minza spielt. „Wenn ich so eine Libido hätte, würde ich mich klonen lassen, das ist doch allein gar nicht zu schaffen.“ Hm.

Die Grundfrage also: Wie muss Mittwochabendfernsehen sein? Es geht hier nicht um Realismus. „Sex and the City“ war oft weise in der Art, wie es die Fronten entlang der Geschlechterlinien aufgerollt hat, aber am tollsten war, dass die vier Cliquengirls dabei in etwa so real waren wie Romantikbarbie auf dem weißen Pony. Die Zielgruppe – Frauen um die 30 – will eigentlich keine Frauen um die 30 sehen, die mit „beiden Beinen im echten Leben“ stehen, wie Pro 7 seine neue Serie bewirbt. Da stehen sie selbst, und Lebenshilfe, ’tschuldigung, brauchen sie auch nicht mehr. „Alles außer Sex“ ist zu münchnerisch, zu echt, um glamourös zu sein, die Schuhe sind zu flach, wenn man so will, aber Glamour braucht ein Mittwochabend, der Tag, an dem das Wochenende schon wieder und immer noch weit weg ist – ganz abgesehen davon, dass der Sex sich leider in Puzzle-TV erschöpft. Ein Beinteil, ein Busenteil, kein Männerteil, buntes Treiben auf der Carrerabahn, was Samantha auf dem Feuerwehrwagen um Längen verfehlt. Die erste Folge von „Alles außer Sex“ lässt auf Tabubrüche im deutschen Fernsehen nicht hoffen.

Na gut, hier kommt ein Vertrauensvorschuss. Weil Generationswechsel im Fernsehen ja generell schwer fallen. Zu erkennen, dass die „Friends“ seltsam wurden, als sie anfingen, in die Vororte zu ziehen, war schmerzhaft, und es hat gedauert, sich an Ally Mc Beal zu gewöhnen, die augenkullernde Neurotikerin. Dann aber, als sie ging, wollten wir zuerst auch Carrie und ihre Stadtziegen nicht haben. Die Liebe zu Serienhelden funktioniert eben genauso wie die zu echten Menschen – man muss sie erst mal kennen lernen.

Der Mittwochabend? Ich sag mal: Alles außer „Alles außer Sex“. Und in ein paar Monaten sprechen wir uns wieder.

PS: Letzter Satz des Off-Erzählers: Und immer dran denken, Mädels, seid zart zu meinem Harten. Vielleicht sprechen wir doch nicht nochmal darüber.

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