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Medien: Dieter Schröder im Gespräch: "Wir Journalisten gelten ja fast als Kriminelle"

Dieter Schröder, 70, war seit 1996 Herausgeber der "Berliner Zeitung". Warum, Herr Schröder, gibt es in Deutschland keine Journalistenfilme, auch kaum Romane, die Zeitungsleute in den Mittelpunkt stellen?

Dieter Schröder, 70, war seit 1996 Herausgeber der "Berliner Zeitung".

Warum, Herr Schröder, gibt es in Deutschland keine Journalistenfilme, auch kaum Romane, die Zeitungsleute in den Mittelpunkt stellen? Sind wir so langweilig?

Nein. Aber das Ansehen von Journalisten ist ziemlich katastrophal. Wir gelten ja fast als Kriminelle, als Nestbeschmutzer, Quengler. Im Image stehen wir ungefähr auf der gleichen Stufe wie Gebrauchtwagenverkäufer. Deshalb wollen viele von uns nichts wissen.

Seit einem halben Jahrhundert sind Sie an vorderster Front des deutschen Journalismus: War das Image mal besser?

Geringfügig. In den 50er Jahren sah die Zeitungslandschaft ja etwas anders aus.

Es gab keine "Bild"-Zeitung ...

die Auflage der Boulevardblätter war geringer, ihr Stil gesitteter. Die Zeitungen waren seriöser, ja, vielleicht auch langweiliger, jedenfalls ruhiger.

Waren die Journalisten früher auch sanfter zu den Politikern?

Nein. Das gilt nicht nur für den "Spiegel". Als Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" habe ich 1957 über Korruptionsskandale bei der Bundeswehr berichtet, für die Franz-Josef Strauß mitverantwortlich war. Dabei hatte ich die Rückendeckung meines damaligen Chefredakteurs Werner Friedmann. Der hielt Strauß für einen gefährlichen Mann: "Watch him, he is a dangerous man". Es gab dann einen Untersuchungsausschuss, der mich als Zeugen aufrief. Der Ausschuss produzierte das gleiche Ergebnis wie alle anderen Bundestagsuntersuchungsausschüsse später auch: gar keines.

Waren Sie jemals mit einem Politiker befreundet?

Nein. Gut bekannt, ja. Aber befreundet nicht, ich habe nie einen Politiker geduzt. Ich finde das auch richtig: Ein Journalist muss Distanz zu denen haben, über die er berichtet.

Wie hat sich das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten in der Hauptstadt Berlin verändert?

Der Wettbewerb ist härter geworden. Es gibt mehr Journalisten, mehr Zeitungen, mehr andere Medien. Alle wollen das schnelle Zitat, die exklusive Geschichte. In Bonn wurden Informationen von den Politikern noch verteilt und zwar in parteinahen Zirkeln wie etwa der so genannten Gelben Karte, zu denen nur Ausgewählte Zugang hatten. Selbst wenn es Reste dieser Zirkel noch gibt, haben sie keine sonderliche Bedeutung mehr. Der Kontakt zwischen Politikern und Journalisten ist nervöser, misstrauischer, unberechenbarer geworden.

Sie sind allen großen deutschen Politikern begegnet. Wer hat Sie beeindruckt?

Am stärksten wohl Herbert Wehner. Ohne sein politisches Genie wäre die SPD wohl nie an die Macht gekommen. Charakterlich war er eine erstaunliche Mischung: Er konnte herzlich, zugänglich, sogar besorgt um einen sein - und im nächsten Augenblick cholerisch. Als er die Partei 1960 auf seinen Westkurs trimmte, habe ich erlebt, wie er gestandene SPD-Politiker derart fertig machte, dass ihnen die Tränen kamen. Man musste sich bei ihm auf Ausbrüche gefasst machen. Ich begleitete ihn einmal zu einem Juso-Kongress in Düsseldorf und zu einer Parteiveranstaltung in Mühlheim. Dort angekommen, lud mich Greta, Wehners damalige Lebensgefährtin und spätere Frau, ein, im Fond ihres Opel-Rekord Platz zu nehmen, um mich zu stärken.

Das verstand Wehner unter einer Essens-Einladung.

Zwischen die Sitze stellte sie einen Korb mit selbst geschmierten Butterbroten, und auf den geöffneten Deckel des Handschuhfachs legte sie einen großen Stoß Wurstscheiben. Wehner war sparsam, aber aß gerne kräftig. Kaum hatte ich in die Butterstolle gebissen, machte ich den Fehler, ihn zu fragen, warum er die Jusos so niedergemacht habe.

Eigentlich eine harmlose Frage.

Dachte ich auch. Aber er polterte derart los, dass ich mich nicht mal mehr traute, mir über seine Schulter hinweg eine Wurstscheibe zu angeln. Es war wie ein Vulkanausbruch. Verbale Gewalt.

Und welchen Politiker fanden Sie inhaltlich am überzeugendsten?

Konrad Adenauer. Ich habe seine Politik lange abgelehnt, ihn am Ende aber bewundert. Er hat einfach recht behalten. Seine Politik der Einbindung der Bundesrepublik in den Westen war richtig.

Ein Wort zu den Oberen von heute ...

Kanzler Gerhard Schröder ist ein gewiefter Selbstdarsteller, ein Profi, der Medien zu handhaben und Menschen zu gewinnen versteht. Der Stil ist dabei manchmal wichtiger als Substanz. Joschka Fischers Charme erschließt sich nicht so leicht. Sein oft vergrätztes öffentliches Auftreten erklärt seine Popularität wenig. Ein Hauch von autoritärem Gehabe ist aber noch immer sehr populär. Sicher hat es sich herumgesprochen, dass er schlagfertig, witzig sein kann.

Sie waren lange Jahre in England Auslandskorrespondent. Wird man dort als deutscher Journalist respektiert?

Zu meiner Zeit eher wenig. Zugang zur Downing Street Number 10 hatten damals nur ausländische Medien wie die "New York Times" und "Le Monde". Deutsche Zeitungen waren unwichtig, das scheint heute nicht viel besser geworden zu sein. Dabei spielt die Sprachbarriere eine Rolle. Die Briten interessieren sich nicht für uns.

Wie sind Sie Journalist geworden?

Auf Umwegen. Zunächst wollte ich an der Berliner FU Zeitungswissenschaften studieren, bin aber durch die Aufnahmeprüfung gefallen. Ich sollte die Theorie des Marxismus-Leninismus erklären, war aber offenbar nicht besonders überzeugend. Um mir ein paar Mark zu verdienen, nahm ich einen Job beim deutschen Normenausschuss an und redigierte die DIN-Mitteilungen. Sehr zum Ärger der Sachbearbeiter, die es nicht so gut fanden, dass ich ihren Technikerjargon in lesbares Deutsch zu übersetzen versuchte. Zum Eklat kam es, als der Referent für Gasarmaturen, ein ehemaliger Kapitänleutnant, mir vorwarf, nach der von mir geänderten Fassung seines Textes wären die beschriebenen Armaturen nun undicht. Dies besiegelte mein Schicksal beim Normenauschuss.

Dennoch kam irgendwann der Erfolg. Sie waren zehn Jahre Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung" und habe viele Neuerungen eingeführt: Die Berlin-Seite, das "SZ-Magazin", das Jugendmagazin "Jetzt" ...

"Jetzt" erschien uns notwendig, um junge Leser zu gewinnen. Wir waren alarmiert von Umfragen, wonach die Jungen der Zeitung stärker den Rücken kehren. Auch das "SZ-Magazin" erfreute sich großer Beliebtheit bei den Lesern, hat es heute aber schwer. Der Markt ist eng geworden, seitdem "FAZ" und "Zeit" ihre Magazine eingestellt haben. Ein bisschen stolz bin ich darauf, dass es mir gelungen ist, die "SZ" vom fünf- auf den sechsspaltigen Umbruch umzustellen. Das kostete viel Überzeugungskraft, aber ich wollte nicht, dass die "SZ" so langweilig aussah wie eine Wochenzeitung, wie die "Zeit". Als Fan der angelsächsischen Presse liebe ich einen lebendigeren Umbruch.

Was lesen Sie jeden Tag?

Zunächst lese ich die Zeitungen aus Berlin, natürlich die eigene, die "Berliner". Unter den Überregionalen die "SZ" und die "FAZ", unter den ausländischen "Financial Times" und die "International Herald Tribune".

In der "SZ" hatten Sie zeitweise auch Schwierigkeiten mit der Redaktion. Sie wollten beispielsweise vergeblich Josef Joffe zu ...

einem von vier stellvertretenden Chefredakteuren der "SZ" machen. Das war umstritten. Heute ist er Herausgeber und Chefredakteur der "Zeit". Meine Einschätzung kann nicht ganz falsch gewesen sein.

Gar keine Fehler gemacht?

Vielleicht. Journalisten sind für Fehler der anderen zuständig, nicht für ihre eigenen.

Und wie war das Leben als Herausgeber?

Man ist so eine Art elder statesman. Nun möchte ich wieder stärker das machen, weshalb ich Journalist geworden bin: schreiben. Es ist für mich Entspannung.

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