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Medien: Digitale Wahl, digitale Qual

Bunt, billig, besonders – wenn Fernsehen jeden Geschmack bedient

Die Zuschauerin, die ihren Namen nicht nennen will, ist verliebt – nicht in ihren Ehepartner, sondern in einen anderen Mann. Soll sie sich trennen? Sie ruft Katharina Rehse an. Rehse, blonde lange Haare, rosafarbenes Oberteil, ist Kartenlegerin bei Astro TV. Der private Sender hat sich auf Lebensberatung am Telefon spezialisiert. Damit besetzt er eine Sparte, die in dieser Form weder bei den öffentlich-rechtlichen Sendern noch bei den großen Privaten zu finden ist. Wie Astro TV gibt es zurzeit immer mehr Sender, die sich auf ein bestimmtes Thema konzentrieren. Fast jede Woche geht ein neues Programm an den Start – und zwar digital.

Die neue Technik revolutioniert den Markt: Während im analogen Kabelnetz bis zu 40 Kanäle untergebracht werden können, gibt es im digitalisierten Netz Platz für etwa 500 Kanäle, via Satellit sogar für über 1000. Mittlerweile sind in Deutschland 135 private Fernsehprogramme digital auf Sendung, vor einem Jahr war es noch knapp die Hälfte. Doch auch wenn es die neue Technik ermöglicht – nicht jeder darf jetzt senden, der will. Die Lizenz dafür erteilt eine der 14 Landesmedienanstalten, die den privaten Rundfunk beaufsichtigen.

Die Themenvielfalt der Digitalangebote (siehe Kasten) ist inzwischen gewaltig. Sie selbst bezeichnen sich gerne als Zielgruppensender – das klingt auch für die Werbewirtschaft gut. Denn ein klar definierter Publikumskreis garantiert, ohne Streuverluste werben zu können. Wie viele Zuschauer tatsächlich vor den Spezialprogrammen sitzen, ist schwer zu ermitteln, reelle Einschaltquoten werden nicht erhoben. Bisher haben etwa 9,5 Millionen und damit rund ein Viertel aller Fernsehhaushalte Zugang zu digitalem Fernsehen. Eigentlich sollten bis 2010 alle Haushalte auf diesen Empfang umgestellt sein, „doch es geht nur langsam voran. Die Konsumenten lassen sich offenbar mehr Zeit, als Experten gedacht haben“, sagte Markus Kreher von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.

Dass dennoch so viele Sender neu entstehen, hat neben den technischen Möglichkeiten vor allem einen Grund: Die Digitalverbreitung kostet mit rund einer halben Millionen Euro pro Jahr deutlich weniger als die Analog-Ausstrahlung, die zehn Mal so teuer ist. Auch die Produktionskosten der Spartensender sind gering. So recycelt die Sendergruppe ProSiebenSat1 mit dem Spielfilmkanal „kabeleinsclassics“ bereits erworbene Inhalte. „Wir können unsere Rechte besser nutzen und gleichzeitig den Zuschauern mehr Vielfalt bieten“, sagte Konzernsprecherin Katja Pichler.

Die kleinen Spartensender haben weder aufwendige Eigenproduktionen noch teure Lizenzfilme im Programm. Stattdessen werden Clips aneinandergereiht, die moderierten Sendungen sind einfach gestaltet. Der Schlagersender „Gute-LauneTV“ etwa produziert eine Sendeminute für weniger als fünf Euro. Im Vergleich: Die ARD-Anstalten gaben bereits 2003 je nach Sender zwischen 255 und 579 Euro aus. Um sich zu finanzieren, setzen die Spartenkanäle auf unterschiedliche Modelle: Die 58 digitalen Pay-TVSender wie Premiere oder Discovery Channel sichern ihre Erlöse über die Abonnementgebühren der Kabel- und Satellitenkunden. Die 77 Sender, die wie Astro TV als kostenloses Free-TV zu sehen sind, müssen andere Wege gehen. „Der Trend bewegt sich zu Erlösmodellen jenseits der Werbung“, sagte Kreher. Denn je mehr Sender es gibt, desto größer ist der Kampf um die Budgets. Deshalb sei es sinnvoll, verschiedene Einnahmequellen zu kombinieren. Beispielsweise Werbeeinnahmen einerseits und Call-In-Erlöse andererseits.

Dass alle Sender überleben, ist unwahrscheinlich. „Aber die Themenvielfalt ist noch längst nicht ausgereizt. Selbst ein Handklingelton-TV würde mich nicht überraschen“, sagte Andreas Vlasic vom Ludwigshafener Medieninstitut.

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