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Auszeichnung: "Eltern müssen Killerspiele verbieten"

Kindersoftware-Experte Thomas Feibel über den ersten Deutschen Computerspielpreis, Gewalt und die Verantwortung des Staates. Ein Interview.

Herr Feibel, was ist ein kulturell und pädagogisch wertvolles Spiel?



In der Politik finden Sie häufig nur zwei Meinungen zum Thema Computerspiele. Die eine Richtung hat erkannt, dass Computerspiele wie andere Medien auch längst zu unserer Kultur gehören und will sie fördern. Die andere Fraktion fasst das Thema ein wenig weitläufig unter dem Begriff „Killerspiele“ zusammen und will diese Spiele verbieten. Wichtig am Deutschen Computerspielpreis ist meiner Meinung nach, einen positiv besetzten Preis zu schaffen, der der einseitigen und populistischen Killerspiel-Debatte den Wind aus den Segeln nimmt. Wenn es um Qualität geht, sind kulturelle und pädagogische Schwerpunkte genau richtig.

Was unterscheidet diesen Preis von anderen Preisen?

Dass es ein spezieller deutscher Preis vor allem mit deutschen Spielen ist. Schließlich sollen gerade die deutschen Hersteller von Computerspielen gefördert werden. Und diese müssen sich im internationalen Vergleich nicht hinten anstellen.

Was macht ein gutes Spiel aus? Als Autor des Kindersoftwareratgebers und als Mitveranstalter des Kindersoftwarepreises TOMMI müssen Sie darauf ja auch eine Antwort haben.


Ein gutes Spiel hat einen hohen Wiederspielwert, einen Mehrspielermodus und darf im Kinderbereich seine Zielgruppe weder überfordern noch unter Druck setzen. Bei einem guten Spiel vergesse ich, dass ich vor einem Gerät sitze. Ich denke dann auch nicht mehr darüber nach, ob dieses Spiel brav eine Liste an Kriterien erfüllt. Bei einem guten Spiel schaue ich nach einer Weile auf die Uhr und wundere mich, wo die letzten zwei Stunden geblieben sind.

Dass man in Gefahr gerät, die Zeit zu vergessen, trifft aber auch auf Online-Rollenspiele wie „World of Warcraft“ zu, die nach Meinung einiger Experten eine gefährliche Abhängigkeit schaffen können.


Das Thema Computerspielesucht weckt viele Eltern aus dem Erziehungs-Dornröschenschlummer auf. Das ist auch gut so. Aber anders als oft dargestellt ist nicht immer so klar, wo die Sucht anfängt und das in der Pubertät gewöhnliche exzessive Verhalten seine Bahn schlägt. Jedes Spiel ist anders, jeder Spieler ist anders und reagiert auf jedes Spiel wieder anders. Natürlich gibt es Fälle von Computerspielesucht, aber die liegen in einem sehr niedrigen Bereich. Wir müssen die Frage umdrehen: Was bekommen diejenigen, die suchtgefährdet sind, in einem Spiel, was sie in ihrem sonstigen Leben nicht erhalten und warum?

Muss man sich für einen politisch gewollten Computerspielpreis eine andere Brille aufsetzen als für den Kindersoftwarepreis?


Für mich galt das sicher nicht, da ich auch beim Computerspielpreis für die Kategorie Kinderspiele zuständig war. Ich sehe das so: Nach langen Jahren hat sich die Bundesregierung entschlossen, einen Preis ins Leben zu rufen. Das ist ein klares Bekenntnis. Dadurch werden Spiele aus der dunklen Ecke herausgeholt. Das ist nicht nur für die wichtig, die Computerspiele spielen, sondern auch für ihre Hersteller. Viele von ihnen fühlten sich durch die Killerspiele-Debatte falsch wahrgenommen und dachten darüber nach, ins Ausland zu gehen. Aber auch die Computerspielindustrie ist ein Teil unserer Gesellschaft und hat ein Recht darauf, ernst genommen zu werden. Genau wie das für den Film und die Filmförderung bereits gilt, ohne dass gleich eine Splatterfilm-Debatte ausbricht.

Also trägt der Preis dazu bei, dass die Spiele als Kulturgut anerkannt werden.

Die meisten Spieler verstehen das ohnehin als Kulturgut.

Welche Rolle spielt es dabei, dass der Preis mit 600 000 Euro dotiert ist?


Bei Preisen wie dem Kindersoftwarepreis TOMMI geht es um die Ehre. Mit dem Preis der Bundesregierung soll aber gerade der Stand der Hersteller und Produzenten gestärkt werden. Das kann mit einer Trophäe gemacht werden. Aber mit Geld verbunden – die eine Hälfte kommt in diesem Fall vom Staat, die andere Hälfte von den Wirtschaftsverbänden – kann das als greifbare Anerkennung in neue Projekte gesteckt werden.

Reicht die finanzielle Förderung durch den Computerspielpreis aus, um Hersteller von kulturell und pädagogisch wertvollen Spielen gegenüber den kritisierten, aber wirtschaftlich erfolgreichen Gewaltspielen gleichzustellen?

Zuerst ist es die Frage, ob Spiele ohne Gewalt nicht auch so erfolgreich sein können wie Gewaltspiele. Sie kommen nur weniger in die Diskussion. Die Sims verkaufen sich sehr gut. Meine Befürchtung bei Gewaltspielen geht eher in die Richtung, dass sie von Jugendlichen gebrannt und getauscht werden. Es wird nicht darauf geachtet, was Kinder an Raubkopien zu Hause haben. Es fehlt das Unrechtsbewusstsein. Kinder kommen mühelos an brutale Spiele heran. Mir geht es nicht darum, wie viel dadurch der Industrie verloren geht, sondern dass mit Raubkopien der Jugendschutz umgangen wird. Da sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Ich bin für das Verbot von sogenanten Killerspielen, aber nicht von staatlicher Seite, sondern durch die Eltern. Sie sollten den Mut haben, diese Spiele zu verbieten. Sie sollten aber auch in der Lage sein Alternativen zu bennenen.

Dabei hilft der Computerspielpreis?


Er kann sagen: Dies ist ein gutes Spiel. Ich verstehe den Preis übrigens nicht als Anregung für Hardcore-Spieler, sondern eher für Casual Gamer, also die Gelegenheitsspieler, und für Eltern und Pädagogen. Für Leute also, die beim Kauf eines Spieles nur eine Sache wissen wollen: Dieses Spiel ist sicher.

Gibt es überhaupt genügend auszeichnungswürdige deutsche Spiele?


Es gibt nie genug deutsche Spiele. Und bitte: Es gibt diesen Preis zum ersten Mal. Lassen Sie uns über diese Fragen noch einmal in drei Jahren sprechen. Dass es gelungen ist, Politik und Verbände an einen Tisch zu bekommen, ist ein Riesenschritt.

Das Interview führte Kurt Sagatz.

Thomas Feibel, 46, betreibt das Büro für Kindermedien in Berlin. Beim Deutschen Computerspielpreis saß er in der Jury für den Bereich „Bestes Kinderspiel“.

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