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America's Army

© Tsp

Computerspiele: Für ein paar Dollar mehr

Das Ballerspiel "America’s Army" gilt als äußerst realistisch. Jetzt hat das Pentagon ein Preisgeld ausgelobt.

Zielen, feuern, nachladen. Die Kugel aus dem Präzisionsgewehr durchschlägt den Stahlhelm. Das Blut spritzt, der Gegner taumelt, fällt und bleibt in einer dunkelroten Lache liegen. „Headshot“ nennen die Computerspielefans den präzisen Kopfschuss, der den virtuellen Feind mit einem einzigen Mausklick aus dem Spiel befördert. Weltweit üben täglich Zehntausende Jugendliche, vor allem Jungen, auf Spielkonsolen und am PC die Kunst des Tötens. Für die Computerspieleindustrie ein Milliardengeschäft. Entsprechend hart ist die Konkurrenz. Die Spielentwickler überbieten sich ständig in Brutalität und Realismus ihrer Programme.

Auch die US-Army sucht den Kontakt zur Killerspielfangemeinde – um sie für die Armee zu rekrutieren. Dafür hat sich das Pentagon eine neue Strategie einfallen lassen. Die Army richtet erstmals professionelle Gaming-Wettkämpfe aus. Online können sich die Spielefans in elf verschiedenen Ballerspielen zum Sieg schießen. Pünktlich zum Nationalfeiertag am 4. Juli begann der erste „Army-Gaming-Wettkampf“. Bis Mitte September darf um die Wette geballert werden. Wer am meisten Freunde dazu bewegt, sich ebenfalls anzumelden, erhält als Belohnung eine nagelneue Playstation-3-Spielkonsole. Für die Gewinner der virtuellen Schießereien sind insgesamt 200 000 Dollar Preisgeld ausgesetzt, die höchste Gewinnsumme auf das hauseigene Ballerspiel „America’s Army“.

Dieses Spiel, in dem der Irak als Kriegsschauplatz dient, gilt unter den Gamern als besonders wirklichkeitsnah. Kein Wunder, handelt es sich bei „America’s Army“ doch um ein reines Anwerbeprodukt der US-Armee. Während in Deutschland über die „Killerspiele“ immer wieder öffentlich diskutiert wird und Politiker immer neue Verbote fordern, werden der US-Ego-Shooter und der virtuelle Kampfwettbewerb offen von der amerikanischen Regierung finanziert und gefördert. Als Berufsarmee sind die amerikanischen Streitkräfte ständig auf die Anwerbung neuer Rekruten angewiesen. Mit der Ausrichtung des Wettbewerbs will die Army gezielt diejenigen PC-Spieler ansprechen, die sich anderen Ballerspielen als der Pentagon-Produktion verschrieben haben.

Dass bei dem Gaming-Wettkampf neben „America’s Army“ auch äußerst brutale Shooter-Games gespielt werden, die in Deutschland und anderen Ländern indiziert sind, stört die Army nicht. Ganz im Gegenteil: Die Experten der US-Streitkräfte geben auf ihrer Webseite sogar Tipps, wie man etwa im Metzelspiel „Gears Of War“ die Gegner „korrekt“ umbringt. Detailliert erklären sie, wie man schwer verletzten Feinden mit einem sogenannten „Curb Stomp“ so lange auf den Kopf tritt, bis der Schädel zerstört ist. Bekannt wurde der „Curb Stomp“ durch den Spielfilm „American History X“. Dort zwingt Edward Norton in seiner Rolle als Neonazi einen schwarzen Jugendlichen, sich auf die Straße zu legen und in eine Bordsteinkante zu beißen. Anschließend springt er mit seinen Springerstiefeln auf dessen Kopf und bricht ihm damit das Genick.

Man habe alle Spiele für den Wettbewerb sorgsam ausgewählt, erklärte Army-Computerspezialistin Louise Eaton auf Nachfrage eines amerikanischen Onlinemagazins. Zudem dürften nur Spieler teilnehmen, die mindestens 17 Jahre alt sind. „Und die Gewinner werden bei den Rekruten nicht bevorzugt“, so Eaton. Im offiziellen 3-D-Shooter der Army kommen derart brutale Szenen nicht vor. Die Beschreibung liest sich nüchtern. „Das einzige US-Army-Spiel für die Konsole: Echte Spezialkräfte der Armee standen den Gamedesignern zur Seite, um das höchstmögliche Maß an Authentizität zu erreichen. Die Umsetzung der Waffen, Ausrüstungsgegenstände und Kampfsituationen erfolgte auf direkte Beratung der Army.“ Aufgabe der Soldaten im Spiel sei es, „Verbündete der USA zu beschützen“. Im Gegensatz zu den teuren Spielen der großen Firmen können schießwütige Jugendliche „America’s Army“ kostenlos herunterladen oder sich die Software bequem auf DVD zuschicken lassen.

Wie viel die Entwicklung des Spiels gekostet hat, verrät das Pentagon nicht. Aber offensichtlich hat sich die Investition gelohnt. 1999 begann die US-Armee mit der Entwicklung des aufwendigen Programms. Drei Jahre später wurde die erste Version veröffentlicht. Seither haben sich 40 Millionen Menschen das Spiel heruntergeladen, 8,5 Millionen zum Onlinespielen über das Internet angemeldet. Mehr als 20 Updates mit neuen Versionen des Spiels, weiteren Missionen und Zusatzspielen hat die Army schon veröffentlicht. „America’s Army“ ist so beliebt, dass es sogar als Handyspiel veröffentlicht wurde. Über 1000 Fan-Websites gibt es dem Pentagon zufolge im Web. Zahlen, von denen die meisten großen Software-Unternehmen nur träumen können. Das macht das Pentagon-Ballerspiel zu einem der zehn erfolgreichsten Online-Shooter überhaupt. Und wer vom virtuellen Kriegspielen nicht ausgelastet ist, kann sich auf der offiziellen Homepage mit wenigen Klicks gleich für die echte Army rekrutieren lassen. „Das Spiel ist eines der besten Kommunikationsmittel, das die US-Armee je produziert hat“, lobt sich die PR-Abteilung der Armee auf ihrer Website selbst.

Stolz präsentieren Gamer auf der Videoplattform Youtube Filme, wie sie im Spiel durch irakische Moscheen stürmen und bärtige Terroristen niederstrecken. Ein anderer Spieler hat sämtliche Szenen gesammelt, in denen er Handgranaten auf seine Gegner wirft und ihre brennenden Körper durch die Luft fliegen. „Was für ein geiles Video“, steht in den Kommentaren darunter. Im nächsten Jahr soll der dritte Teil von „America’s Army“ erscheinen. Welches Land dann als Kriegsschauplatz dient, steht allerdings noch nicht fest.

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