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EBook B&N Reader: Handy als Taschenbuch

Kleine Programme erlauben die Lektüre digitaler Bücher am Mobiltelefon – mehr eBook ist gar nicht nötig.

Ausgerechnet Handys ermöglichen den digitalen Literaturgenuss – das überrascht. Der große US-Buchhändler Barnes & Noble verschenkt die Software B&N Reader und lockt damit zur Lektüre am Minibildschirm. Das Geld will die Firma mit den 700.000 Büchern verdienen, die sie in digitaler Form feilbietet – derzeit allerdings nur in den USA.

Dabei hatte der Buchhändler kürzlich noch ein spezielles Lesegerät für Bücher-Downloads angekündigt – ein klarer Angriff auf den Branchenprimus, Amazons Kindle, ein etwa DIN-A4-großes, weißes Plastiktablett mit üppigem Bildschirm. Lange war der Kindle das Synonym für digitale Lesegeräte. Allerdings wartete man in Deutschland bislang vergeblich auf seine Markteinführung.

Die deutschen Buchhändler Thalia und Libri präsentierten vor knapp einem Jahr ein ähnliches Produkt – wenngleich ein denkbar unattraktives: Ihr Sony-Gerät (PRS-505) ist technisch umständlich, und die wenigen digitalen Titel sind recht teuer. Zur Frankfurter Buchmesse im Oktober kommt nun das Lesegerät des Berliner Start-ups Txtr dazu. Es verfügt über eine Mobilfunkverbindung, um Lesestoff nachladen zu können. Sony zieht im Herbst mit Neuheiten nach, auch mit funkfähigen. Zu guter Letzt wollen die Apple-Gerüchte nicht verstummen: Im Herbst oder Winter könnte der Computerhersteller eine Art iPod mit extragroßem Bildschirm präsentieren, der auch zum Lesen einlädt.

Falls das überhaupt jemand möchte. Denn alle Geräte sind bislang nicht mehr als Versuche. Fast alle Leser bedienen sich bei der Lektüre von Büchern weiterhin einer gut abgehangenen Technologie: des fünfeinhalb Jahrhunderte alten Drucks mit beweglichen Lettern. Zwar liegt heute praktisch jeder neue Titel digital vor, erst für den Konsum wird er dann wieder reanalogisiert ("gedruckt"). Doch bis vor Kurzem aus gutem Grund: Nur Druck war scharf genug, nur Papier so angenehm, dass man sich auch längere Texte zu Gemüte führen wollte. Keinesfalls aber taugte ein flimmernder Computermonitor.

Schon seit ein paar Jahren erzählen uns aber Ingenieure und Vermarkter, endlich gebe es die nötige Technik, die sogenannte elektronische Tinte (kurz und Englisch: eInk). Sie ermögliche flimmerfreie Bildschirme, diese seien Papier in Schärfe und Kontrast ebenbürtig, siehe Kindle und Co. Digitales Lesen schien eine Frage der überlegenen Hardware zu sein.

Freilich ging es da immer um die Darstellung kompletter Buchseiten. Die Leseprogramme fürs Handy versuchen das erst gar nicht: Sie zeigen immer nur wenige Zeilen Text an, was häufiges "Umblättern" erfordert – eine Wischbewegung mit dem Finger über den berührungsempfindlichen Bildschirm. Wenn es um SMS oder Emails geht, haben wir uns längst ans Lesen auf kleinen Displays gewöhnt. Folgen nun eBooks? Dafür spricht jedenfalls: Fast jeder trägt fast immer ein Handy in der Tasche.

Mobiltelefon statt Taschenbuch – die Software von B&N ist nicht die einzige ihrer Art. eReader, Wattpad, Txtr und eine Handvoll ähnlicher Anwendungen machen Telefone zu Lesegeräten für Romane und Sachbücher, längst auch für deutsche Anwender. Nicht nur iPhone-Besitzer, auch die Nutzer von Blackberrys, Palms und Smartphones mit den Betriebssystemen Windows Mobile oder Android können mittlerweile auf dem Handy schmökern.

Unterwegs, etwa auf dem Weg zur Arbeit, ist das praktisch. Neue Titel lassen sich über eine mobile Internetverbindung laden. Mehrere der Programme greifen auch auf digitale Bibliotheken freier älterer Texte zu, in der Regel Klassiker aus dem vorletzten Jahrhundert. Gerade erst hat Google eine Million solcher alten Bücher online gestellt. Dazu kommen zeitgenössische Werke, die von ihren Autoren freigegeben wurden, sowie viele aktuelle Bücher, bei denen die Verlage einen Preisabschlag in der Digitalfassung gewähren.

Selbst der Kindle-Vertreiber Amazon bietet mittlerweile in Amerika eine Lesesoftware für Handys an. Ihr Name lautet ausgerechnet: Kindle for iPhone.

Quelle: DIE ZEIT, 03.09.2009 Nr. 37

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