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© ddp

Google Buzz: Stottern statt summen

Der Start des Google-Netzwerks war ein Desaster, ignorierte es doch die Privatsphäre. Doch reagierte man schnell. Übrig bleibt ein prima Werkzeug zur Kooperation.

Es gab wohl kaum eine Produktvorstellung in letzter Zeit, die so heftige Reaktionen auslöste wie der Versuch Googles, den Netzwerkdiensten Twitter und Facebook Konkurrenz zu machen. Buzz heißt so viel wie geschäftiges Summen oder auch Begeisterung. Doch die gleichnamige Plattform, die in der vergangenen Woche vorgestellt wurde, fiel erst einmal durch Pannen, Stottern und Ärger auf.

Wer einen Account bei Buzz einrichtet, kann ihn mit seinem Google-Mail-Konto genauso verbinden, wie mit anderen Mail-Konten, RSS-Feeds, seinem Twitter- oder Picasaaccount oder seinem Blog. Buzz soll so zum zentralen Anlaufpunkt im sozialen Netz werden. Und das offensichtlich so schnell wie möglich, scheint man bei Google doch ernsthaft besorgt, im Bereich sozialer Vernetzung den Anschluss an Facebook zu verlieren. So besorgt, dass man den Konkurrenten nicht einbindet in das neue Spielzeug. Facebook lässt sich nicht mit Buzz verbinden.

Abgesehen davon aber ist Buzz offen. Offenheit ist Prinzip. Nicht nur, dass Buzz seinen Nutzern über die Suche weltweit alle möglichen Daten erschließt. Alle Google-Dienste setzen zudem auf offene Standards: Der Google-Kalender etwa lässt sich über ein offenes Kalenderformat exportieren, ebenso das E-Mail-Konto. Ganz im Gegensatz zu Facebook, das eine Art "closed shop" darstellt.

Doch scheint das Prinzip der Offenheit die Entwickler etwas blind gemacht zu haben für Nutzerbedürfnisse wie dem nach Privatheit. Wenigstens aber haben sie sich entschuldigt und rasant reagiert. Innerhalb von drei Tagen führten sie nach heftigen Protesten vier Korrekturen durch:

Buzz wird nicht mehr automatisch all jene zu einem Mitleser-Netz verweben, mit denen man häufigen Mailkontakt hat – so anfangs geschehen, was dazu führen konnte, dass eine Frau ihren geschiedenen und gewalttätigen Mann in ihrem Buzz-Freundeskreis wieder fand. Künftig werden die Mailkontakte nur empfohlen, wie beispielsweise bei Facebook.

Nutzer können nun auch verhindern, dass andere ihre Mitleser-Liste einsehen können. Neue Google-Mail-Nutzer können zudem von Anfang an entscheiden, ob sie Buzz aktivieren wollen. Außerdem bindet Buzz den Feed des Bilderdienstes Picasa sowie die Empfehlungen des Google Readers nicht mehr von Anfang an automatisch ein. Und Nutzer können etwas räumlichen Abstand zu Buzz schaffen und entscheiden, ob sie Buzz direkt unter dem Mail-Eingangskorb oder über eine eigene Seite erreichen wollen. Weitere Anpassungen sind in Planung: So sollen noch bessere Filtermöglichkeiten eingebaut werden, unter anderem sollen Nutzer auch einzelne Diskussionen blockieren können.

Dass die Google-Entwickler so schnell reagierten, ist wohl dem Open-Source-Hintergrund zu verdanken: Dort ist es üblich, dass Programme öffentlich begutachtet werden. Dort ist es sogar eine Art Qualitätskriterium, wenn Fehler gefunden und schnell und zuverlässig behoben werden. Einen ähnlichen Turnaround hat Facebook trotz massiver Nutzerproteste bis heute nicht geschafft, weswegen nicht nur amerikanische, sondern auch deutsche Datenschützer jetzt gegen den Dienst vorgehen.

Buzz hingegen hat das Schlimmste möglicherweise überstanden. Binnen weniger Tage wurden bereits Millionen von Nachrichten erzeugt. Seit Google nachbesserte scheint die Akzeptanz deutlich gestiegen zu sein. Zu interessant sind die Diskussionen, die sich in Buzz auf einen Kommentar oder auf einen Link hin scheinbar mühelos entwickeln. Mühelos deswegen, weil anders als bei Twitter die Kommentare als Diskussionsstrang zusammengefasst werden. Nachrichten, die keine Resonanz erfahren, werden gebündelt angezeigt. Benachrichtigt werden Nutzer nur dann über E-Mail, wenn sich eine Diskussion, an der sie teilgenommen haben, weiterentwickelt hat.

Doch Buzz ist nicht nur ein ideales Diskussionswerkzeug, es eignet sich auch für die Zusammenarbeit. So ist zwar zunächst jeder Beitrag öffentlich, doch über "Google Kontakte" lassen sich Gruppen anlegen, denen man die Mitarbeiter zuordnen kann. Mitteilungen über Buzz lassen sich dann auch nur an einzelne oder mehrere private Gruppen versenden. Und darin liegt eine der Hauptstärken, die Google mit Blick auf Unternehmen und Organisationen ausspielen kann: Die enge Anbindung an die E-Mail – die anfangs für den meisten Ärger sorgte – macht Buzz zu einem praktischen Tool, mit dem Ideen gesammelt und diskutiert werden können. Es kann aber auch ganz einfach als Gruppenchat verwendet werden. Über die Chat-Funktion ist auch schnell zu sehen, wer gerade online und verfügbar ist.

Die Entwickler ließen sich vor allem vom mobilen Microblogging Dienst Jaiku inspirieren, den Google einkaufte und vor einem Jahr vom Netz nahm. Jaiku war öffentlich und richtete sich an mobile Nutzer. Kein Wunder, dass iPhone- und Android-Nutzer den Dienst jetzt umstandslos nutzen können. Ihre Kommentare beziehungsweise Buzzes werden außerdem auf Google Maps angezeigt. Auf diese Weise können sich Leute problemlos verabreden.

Vielleicht war es kein Zufall, dass Iran zu dem Zeitpunkt Google Mail auf seine Sperrliste setzte, als Google Buzz eingeführt wurde. Denn Buzz eignet sich durch seine Gruppenfunktion ganz wunderbar für Koordinierungsaufgaben. Für Protestbewegungen aller Art könnte es sich dank seiner Kartenfunktionen zu einem zentralen Mobilisierungsinstrument entwickeln.

Quelle: ZEIT ONLINE

Christiane Schulzki-Haddouti

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