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Google Japan: Eine Suchmaschine wirbt im Fernsehen

Der Riese Google ist in Japan ein Zwerg, weil er es lange versäumt hat, sich den örtlichen Gepflogenheiten zu beugen. Das will man nun ändern. Von Kai Biermann, Tokyo

Schon mal einen Google-Werbespot im Fernsehen gesehen? Wahrscheinlich nicht. Denn in Europa und Nordamerika hat es der Suchmaschinen- und Werbekonzern nicht nötig, Geld auszugeben, um bekannter zu werden. In einem der für Google interessantesten Märkte allerdings ist das anders.

Mit einem jährlichen Volumen von 77 Milliarden Dollar hat Japan den zweitgrößten Werbemarkt der Welt. Mehr als zwölf Prozent davon werden inzwischen für Anzeigen im Netz ausgegeben. Gleichzeitig wird nirgends so viel gesurft wie hier. Im Jahr 2007 verbrachten die Japaner zum ersten Mal mehr Zeit im Netz als sie Zeitungen und Magazine lasen. Viele surfen mobil. Die Hälfte aller Kunden hat eine Datenflatrate, insgesamt nutzen 86 Millionen ihr Handy, um damit ins Netz zu gehen. Wenn sie das tun, schauen sie sich zwar gern Videos auf der Google-Plattform YouTube an, zehn Millionen Mal täglich. Alle anderen Google-Dienste interessieren die Japaner aber bislang nicht.

Zum Leidwesen der Firma. "Japan ist schlechterdings ein Schlüsselmarkt für Google", zitiert die Zeitung Asahi Shimbun den Chef von Google Japan, Koichiro Tsujino. Doch die Nummer eins der Suchmaschinen ist Yahoo. Denn die hat bereits vor Jahren verstanden, dass man nicht überall mit globalen Ideen lokale Märkte erobern kann.

Yahoo wird in Japan als einheimisches Unternehmen angesehen. Zwar gehören 35 Prozent davon dem Mutterhaus Yahoo Kalifornien, doch arbeiten fast nur Japaner in der örtlichen Zentrale. Und die haben die Seite entsprechend der Sehgewohnheiten ihrer Landsleute gebaut. Sie wirkt für europäische Augen überladen und mit Links und Werbung zugepflastert. Doch das ist genau, was Japaner erwarten. Googles Optik ist ihnen viel zu nüchtern.

Das ist nicht das einzige "Sprachproblem". Als der amerikanische Konzern seine "Street-View"-Autos durch japanische Städte schickte, empörten sich die Gefilmten und reklamierten ihre Privatsphäre. Die Kameramasten mussten um 38 Zentimeter gekürzt werden, damit sie nicht mehr über die Gartenzäune und in die Fenster schauen konnten. Bereits gespeicherte Regionen filmte man anschließend noch einmal.

Auch der Dienst "Earth", der Satellitenkarten zeigt, wurde hier heftig kritisiert. Hatte der Konzern doch historische Karten zur Verfügung gestellt, die Japaner nicht so gern sehen. Als eine von verschiedenen layern, also Informationsschichten, konnte man alte Holzdrucke über die aktuellen Karten legen, auf denen Wohngebiete der Burakumin verzeichnet waren, der zu Zeiten der Samurai niedrigsten Kaste. Da ihre Mitglieder Berufe wie Gerber oder Totengräber ausübten, die nach dem kulturellen Verständnis unrein waren, galten sie als unberührbar.

Ein Stigma, das bis heute fortbesteht. Angehörige dieser einstigen Kaste müssen noch immer Diskriminierung fürchten. Deshalb waren sie nicht begeistert, dass die alten Karten mit den eingezeichneten Ghettos sich nun problemlos mit aktuellen Straßen vergleichen ließen. Google reagierte auch in diesem Fall und löschte die Holzdrucke wieder aus "Earth".

Wie wichtig man in den USA das Land inzwischen nimmt, zeigt auch der Fernsehwerbespot. Darin ist nicht viel mehr zu sehen als die Google-Suchseite und eine Maus, die dort Suchbegriffe eingibt und über Ergebnisse fährt. Doch ist es weltweit das erste Mal, dass der Werbekonzern einen eigenen Spot drehen und senden ließ.

So weit geht das neue Verständnis, dass man nun sogar zugibt, dass bei Google Japan für den gesamten Konzern wichtige Entwicklungen erfolgen. David Eun, immerhin ein Mitglied der Führungsriege, ließ sich in der Asahi Shimbun mit den Worten zitieren: "Japan hat uns klar gemacht, dass auch nicht in den USA geborene Ideen globale Bedeutung bekommen können."

Es hat eine Weile gedauert, aber die Konzernführung hat inzwischen erkannt, wie wertvoll ein Volk mit so hoher Affinität zum Netz für ein Internetunternehmen sein kann. Einige der japanischen Ideen haben sogar bereits den Weg in die internationalen Angebote gefunden. Dass beispielsweise beim Mailschreiben via Googlemail lächelnde oder weinende Emoticons per Knopfdruck eingefügt werden können, verdanken die Nutzer den Entwicklern in Tokyo.

Quelle: ZEIT ONLINE

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