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Iman Rezai liebt die Provokation. In seinem jüngsten Coup ärgerte er nicht nur die Neue Nationalgalerie, sondern narrte auch die Medien.

© The Coup

Identitätsklau: Berliner Künstler fälscht Webauftritt der Neuen Nationalgalerie

Der Berliner Künstler Iman Rezai hat die Website der Neuen Nationalgalerie kopiert, in deren Namen sogar Emails verschickt und Presseanfragen beantwortet. Nachdem der Schwindel durch Recherchen des Tagesspiegel aufflog, will Rezai die Aktion nun als Kunstkritik verstanden wissen.

Die Seite sieht echt aus. Die Adresse auch, zumindest ziemlich: www.neue-nationalgalerie.com. Sogar die Inhalte stimmen mit der originalen Website überein. Doch wer sich mit Anfragen an die angegebene Emailadresse wendete, landete nicht in der Pressestelle der Nationalgalerie, sondern bei der PR-Agentur: The Coup. Die vertritt unter anderem den aus dem Iran stammenden Künstler Iman Rezai. Zuletzt hatte Rezai die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, weil er im Internet darüber abstimmen ließ, ob ein Schaf geköpft werden sollte oder nicht. Nun könnte er sich weiteren Ärger eingehandelt haben, denn bei den Staatlichen Museen zu Berlin ist man alles andere als begeistert über den Identitätsklau.

Mehrere Rundfunkanstalten und Zeitungen, darunter der Tagesspiegel, erhielten am Donnerstagabend eine Email, die angeblich von der Neuen Nationalgalerie verschickt worden war. Darin hieß es: "Vor drei Tagen haben wir festgestellt, dass sich ein Unbefugter Zugang zu unserer Internet-Präsenz sowie den Email-Konten verschafft hat." Die Medien sollten angeblich vor gefälschten Mails gewarnt werden. Selbst die Nachrichtenagentur dpa fiel auf den Fake herein und verbreitete im Wortlaut die gefälschten Zitate, die angeblich von der Pressestelle der Nationalgalerie verbreitet worden sein sollten. Tatsächlich war aber bereits diese erste Mail ein Fake, die zwar mit dem Namen von Anne Schäfer-Junker unterzeichnet war, die für die Pressearbeit der Staatlichen Museen verantwortlich ist, tatsächlich aber von Rezais PR-Agentur verschickt worden war. Wer auf die Email antwortete, bekam frecherweise sogar eine Mail zurück und wurde vertröstet, Anfragen würden erst später bearbeitet.

Auf Nachfrage stellte die tatsächliche Pressesprecherin Schäfer-Junker klar: "Diese Email ist ein Fake." Rezai habe die Website nicht gehackt. Die Daten der gefälschten Emails würden aber an die IT-Abteilung weitergeleitet. Es sei nicht das erste Mal, dass Künstler versuchten, im Namen der Nationalgalerie zu Pressekonferenzen einzuladen und für sich Werbung zu machen.

Nach anfänglichem Zögern gab Rezai dem Tagesspiegel gegenüber schließlich zu, die Mails gefälscht zu haben. Er will die Aktion nun als Kunstkritik verstanden wissen. Er nutze das Internet als Farbe, die Website der Nationalgalerie sei seine Leinwand. Dass er sich einfach als Vertreter der Galerie ausgegeben habe, sei auch gegen den Direktor der Neuen Nationalgalerie gerichtet, Udo Kittelmann, der die Galerie zu stark an kommerziellen Gesichtspunkten ausrichte. Wenn Kittelmann die Galerie nicht für "echte Kunst" hergebe, bemächtige er sich eben der Nationalgalerie. "Und wenn sie jetzt verletzt sind, sollen sie heulen", sagte Rezai. Wer mit seinem Beruf viel Geld verdienen wolle, solle lieber eine Tankstelle eröffnen.

Dabei ist Rezai nach eigenen Angaben mit seiner Kunst ebenfalls reich geworden. Wie berichtet, ersannen Iman Rezai und Rouven Materne, Meisterschüler an der Hochschule der Künste, im April dieses Jahres für einen Schafbock eine sehr funktionstüchtig aussehende Guillotine und ließen im Internet über das Schicksal des Schafs abstimmen: Abschlagen oder dranlassen – eine Frage, die die Internetgemeinde entzweite, Tierschützer und schließlich auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief. Über 2,5 Millionen Menschen stimmten damals ab. Etwa 60 Prozent gegen, 40 für das Köpfen, sagte Melanie Marten von der PR-Agentur, die die beiden Jungkünstler vertritt. An sich sei gar nicht daran gedacht worden, die Guillotine zu verkaufen, lässt Melanie Marten wissen. Aber dann habe es mehrere Kaufangebote gegeben, und nach anfänglichem Zögern habe man eben bei 2,3 Millionen Dollar ja gesagt.

Im Licht der jüngsten Ereignisse dürfte aber auch der ungewöhnlich hohe Verkaufspreis bezweifelt werden. Eine Bestätigung des Kaufs gab es nie, auch der Name des Käufers wurde nicht veröffentlicht. Fest steht: Rezai genießt Provokation und Aufmerksamkeit. Die Neue Nationalgalerie wolle er noch "zwei Wochen nerven", sagt er - und sich dann einem neuen Projekt zuwenden. Für künstlerische Zwecke nämlich nutzte Rezai seine Aktion nicht: Die Kopie der Nationalgalerie-Website ist täuschend echt, eine Botschaft, die übers bloße Unruhestiften hinausgegangen wäre, hatte der Künstler offensichtlich nicht zu verbreiten.

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