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Medienhäuser wie der Axel-Springer-Verlag werden von der Bundesregierung offenbar bekommen, was sie sich so sehnlich wünschten – ein Gesetz, um Google zu verklagen.

© Tsp

Leistungsschutzrecht: Von Pressetexten sollten künftig besser alle die Finger lassen

Der Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht könnte sogar gegen die Verfassung verstoßen. Zumindest aber wird er Bloggern Ärger und Anwälten neue Einnahmequellen bescheren.

Medienhäuser wie der Axel-Springer-Verlag werden von der Bundesregierung offenbar bekommen, was sie sich so sehnlich wünschten – ein Gesetz, um Google zu verklagen. Union und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, ein sogenanntes Leistungsschutzrecht zu schaffen, um Verlagen die Möglichkeit zu geben, ihre Presseerzeugnisse im Netz zu schützen. Im Bundesjustizministerium wurde dazu ein Referentenentwurf erarbeitet, der am Donnerstag öffentlich wurde.

Wie gesagt, die Verlage wird es freuen, alle anderen eher nicht. Denn es gibt in dem Entwurf mehrere Punkte, die so unklar sind, dass sie zu juristischem Streit führen können und wohl auch werden.

Vor allem ist da die Trennung von gewerblicher und privater Nutzung: Zu "nicht gewerblichen Zwecken" dürfen Presseerzeugnisse auch künftig verbreitet werden, heißt es in dem Entwurfstext. Was aber meint das? In der Begründung des Entwurfs stehen mehrere Beispiele, die sich vor allem mit Blogs befassen. Demnach kann Bloggern nur geraten werden, künftig keine Zeitungen mehr als Ausriss, Kopie et cetera einzubinden.

Denn die private Nutzung ist zwar erlaubt. Aber schon ein Werbebanner oder ein Flattr-Knopf auf dem eigenen Blog sind demnach eine gewerbliche Nutzung, egal ob es um Gewinn geht oder nicht. Zitat: "Verwendet ein Blogger zu seinem Hobby-Blog Fachartikel aus einschlägigen Presserzeugnissen und blendet er zur Refinanzierung seiner Unkosten Werbebanner oder den Bezahl-Button eines Micropaymentdienstes ein, dann handelt er zu gewerblichen Zwecken und muss eine Lizenz erwerben." Das klingt, als könnten Anwälte, die sich mit Abmahnungen im Internet beschäftigen, eine ganz neue Verdienstquelle bekommen.

Wann ist ein Blog beruflich?

Und es gibt noch eine Einschränkung, die zu Streit führen könnte: der Bezug eines Bloggers "zu seiner beruflichen Tätigkeit". In der Begründung steht auch dazu ein Beispiel. Bloggt ein freier Journalist auf seinem privaten Blog zu Themen, mit denen er sich auch als Journalist auseinandersetzt, kann er einerseits das Leistungsschutzrecht für seine Blogtexte in Anspruch nehmen. Gleichzeitig aber muss er eine Lizenz erwerben, wenn er in diesen Blogtexten andere Medien "nutzt". Der Medienjournalist Stefan Niggemeier also könnte unter Umständen zur Kasse gebeten werden, wenn er in seinem privaten Medienblog über Medien bloggt.

Wobei sich natürlich die Frage aufdrängt, wie der Leser eines Blogtextes wissen soll, ob der Autor zu den gleichen Themen auch als Journalist arbeitet. Zumindest wenn der Autor nicht so bekannt ist wie eben Stefan Niggemeier.

Noch ein Punkt dazu: Gerald Spindler forscht an der Universität Göttingen zum Urheberrecht. Er hält dem Entwurf zugute, dass er versuche, die Kritik aufzunehmen und zumindest in Teilen umzusetzen. So beschränke er sich allein auf gewerbliche Nutzer, vor allem auf Aggregatoren. Allerdings hatte es in der Debatte darum von Verlagen immer wieder geheißen, es solle eben keine "Lex Google" geschrieben werden. Genau das ist der Entwurf nun aber, wie auch Spindler findet.

Außerdem glaubt er, dass der Entwurf gegen die Verfassung verstoßen könnte. Denn er gebe den Verlagen eine Vorzugsbehandlung, die die Rechtsprechung freien Journalisten bislang versage. "Wenn sie als freier Journalist oder Blogger einen Inhalt ins Netz stellen, willigen sie stillschweigend ein, dass andere diesen nutzen. Es ist eigenartig, dass diese sogenannte konkludente Einwilligung nicht gelten soll, wenn ein Verlag einen Text veröffentlicht. Das ist eine Ungleichbehandlung, die verfassungswidrig sein könnte."

Interessant ist auch die Definition der Textlänge: Der Referentenentwurf fordert, selbst kleine Teile eines Textes seien im Zweifel zu vergüten, wenn sie verwendet werden. Dabei bezieht sich das Justizministerium bei der Definition von "kleinen Teilen" eines Presseerzeugnisses ausdrücklich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2008, das unter dem Namen "Metall auf Metall" bekannt wurde. Die Band Kraftwerk hatte einen Musikproduzenten verklagt, weil er aus eben jenem Song ein Stück gesampelt hatte. Der BGH urteilte, ein Eingriff in das Recht des Tonträgerherstellers sei bereits dann verletzt, "wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden". Es ging um zwei Sekunden Musik.

Bezogen auf das geplante Leistungsschutzrecht kann das bedeuten, dass Verlage künftig schon dann klagen, wenn irgendjemand nach ihrer Meinung Teile einer Überschrift wiederverwendet hat. Theoretisch könnte dann von Springer eine Rechnung bekommen, wer beispielsweise schreibt "Wir sind Kanzler". Immerhin hatte Bild mal getitelt "Wir sind Papst". Der bloggende Fachanwalt für IT-Recht, Thomas Stadler, fürchtet, dass dies zu einer Monopolisierung der Sprache führen könnte, da damit im Zweifel bereits Wortkombinationen schützbar sind.

Es falle auch nicht nur Google News unter diese Regelung, sondern jeder Suchmaschinenbetreiber sei betroffen, sagt Stadler. "Eigentlich kann man Presseerzeugnisse über Suchmaschinen gar nicht mehr indizieren, da schon die Überschrift geschützt ist."

"Es ist unklar, was und wer hier überhaupt geschützt wird", sagt Till Kreutzer. Er ist ebenfalls Rechtsanwalt und Initiator von Igel, der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht. Er glaubt, das Gesetz, sollte es in Kraft treten, werde für viel Verwirrung sorgen. Bloggern beispielsweise blieben nur zwei Möglichkeiten: "Entweder nutze ich solche Texte nicht mehr, oder ich begebe mich in die Gefahr der gewerbsmäßigen Leistungsschutzrechtsverletzung." Und die immerhin könne mit Geld- oder gar Freiheitsstrafe geahndet werden.

Sind 250 Zeichen schon umfassende Information?

"Sicher wird es Streitfälle geben"

Das alles klingt nach viel Arbeit für die Gerichte. Das hat selbst das Bundesjustizministerium eingeräumt. In einer Fragestunde im Bundestag am Mittwoch sagte Staatssekretär Max Stadler: Sicher werde es "in der Praxis Einzelfälle geben, wo dies streitig geklärt werden wird, ob eine Nutzung noch privat oder schon gewerblich ist".

Insgesamt bleibt nach dem Lesen des Entwurfs vor allem ein Eindruck: Dass es offensichtlich schwierig ist, ein solches Leistungsschutzrecht juristisch sauber zu definieren und zu formulieren. Geschweige denn für den Normalnutzer, ein solches zu verstehen.

Markus Beckedahl von der Bürgerrechtsorganisation Digitale Gesellschaft glaubt daher, dass der Entwurf zu Rechtsunsicherheit führen wird. "Die Nutzerinnen und Nutzer können die Bestimmungen eines Leistungsschutzrechtes nicht überblicken und kaum ein Blogger oder Facebooknutzer könnte sich ein langwieriges Gerichtsverfahren gegen die großen Medienkonzerne leisten, selbst wenn diese ihn zu Unrecht angingen."

Was zu der Frage führt, ob das alles den Aufwand lohnt. Denn worum geht es eigentlich? Es geht darum, dass Google bei seinem Dienst News den Inhalt eines verlinkten Textes mit 230 bis 250 Zeichen (inklusive Leerzeichen) erläutert, damit Nutzer wissen, was sie erwartet. Bei der Verlinkung in der Suche von Google ist dieser Zusatztext noch kürzer, im Schnitt 100 bis 130 Zeichen. Die Texte erzeugt die Suchmaschine, indem sie den Anfang des jeweiligen Presseerzeugnisses kopiert – oder indem sie Zusammenfassungen nutzt, die Verlage den Suchrobotern bewusst zur Verfügung stellen.

Sind 250 Zeichen schon umfassende Information?

Diese kurzen Textkopien sollen nun zum Anlass genommen werden, um Geld von Google fordern zu können. Machen kann man das durchaus, wie das "Metall-auf-Metall"-Urteil zeigt. Allerdings wirkt es auch ein wenig hilflos. Immerhin sollten Verlage ein Interesse an aussagekräftigen Links haben, um ihre Leser nicht zu enttäuschen, wenn diese auf Seiten landen, auf die sie gar nicht wollten. Je genauer ein Link beschrieben ist, desto höher die Chance, dass ein Leser findet, was er auch sucht und daher den Text dann auch wirklich liest.

Von der FDP-Bundestagsfraktion kursiert ein sogenanntes Positionspapier zum Leistungsschutzrecht, in dem die Fraktion ihre Haltung erläutert. Darin heißt es als Begründung: Suchmaschinen würden inzwischen "derart umfassende und aussagekräftige Suchergebnisse liefern, dass Besuche auf den Verlagsangeboten überflüssig werden können, weil wesentliche Teile der Darstellung schon entnommen und verwertet sind".

Das klingt eher nach einer Schutzbehauptung. Selbstverständlich kann man nach 250 Zeichen ungefähr erfassen, worum es in dem Text geht. Zumindest wenn die ersten Sätze – die Google ja nur übernimmt – das nachrichtlich beschreiben. Aber dass ein an Informationen interessierter Leser nach diesen wenigen Worten genug hat, ist unwahrscheinlich.

Trotzdem ist das letztlich die Begründung für das von vielen Juristen und Bürgerrechtlern kritisierte Leistungsschutzrecht. Es wirkt wie der Griff nach dem sprichwörtlichen Strohhalm. Wie kräftig oder schwach der Strohhalm ist, wagt das Justizministerium nicht zu sagen. Zitat aus der Entwurfsbegründung: "Das zu erwartende Vergütungsaufkommen lässt sich nicht beziffern."

Dieser Text erschien zuerst auf Zeit Online.

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