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Liken, sharen und kommentieren. Begriffe, die fast wie selbstverständlich in unseren Sprachgebrauch übergehen. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter?

© dapd

Mut zum Widerspruch: Schade, ich habe nur noch Recht

Ohne Dislike-Button ist die Like-Funktion von Facebook nur die Hälfte wert. Erst das Für und Wider sagt etwas über Wahrheit und Wirklichkeit der Meinungsäußerungen aus.

Fangen wir mal einer Wette an. Sie fußt auf einer Behauptung: Wenn Facebook außer dem „Like“-Button auch noch einen „Dislike“-Button einführen würde, dann würden – und das ist die Wette – die Posts in der Mehrheit mehr „gedisliked“ als „geliked“ einfahren. Schreckliche Vorstellung, oder?

Das Gegenteil stimmt. Denn nur das Für und Wider sagt etwas über die Wahrheit und Wirklichkeit an Reaktionen, Empfindungen, an Meinungen aus. Fehlt das Wider, fehlt das Entscheidende. Wahrscheinlich provoziert diese Feststellung sofort Widerspruch. Zahlreiche, vielleicht die meisten Onliner sind doch genervt von denen, die immer und über all dagegen sind. Sie ärgern sich darüber, dass ihre Meinungen attackiert, gekontert, lächerlich gemacht werden. Der „Troll“ ist der ärgste Feind des Freiheit, Frieden und Freudekuchen liebenden Onliners.

Joachim Huber
Joachim Huber

© Kitty Kleist-Heinrich

Da ist schon was dran. Wer Debatten zerstören will, der zeigt nur: dass er Debatten zerstören will und wahrscheinlich auch zerstören kann. Prinzipielles Dagegensein ist nicht subversiv, das ist destruktiv. Trolle sind aber nur die ärgerlichen Nebengeräusche einer wachsenden Netzbewegung. Auf Widerspruch, auf die abweichende Meinung eines anderen wird mit Abwendung reagiert. Entfreunden, blockieren, wegdrücken, so wird die fremde Meinung sanktioniert, umgekehrt die eigene Meinung salviert wird. Toleranz ist längst nicht mehr die Freiheit der Andersdenkenden, Toleranz ist das Tolerieren-Lassen der eigenen Gedanken. Freunde werden Fans, hurra.

Debatten anzustoßen, daran teilzunehmen, sich auszutauschen und zu ertragen, ist anstrengend, ja nervenaufreibend. Geht es freilich anders, wenn ein Produkt, eine Idee, eine Utopie auf Tauglichkeit und Relevanz getestet werden soll? Alle im Online-Sektor wären doch empört, sofern die Automobilindustrie auf den Crashtest ihrer Neuentwicklungen verzichten würde. Der Dummy ist der größte Feind der Unfallstatistik, er ist der Held, der für andere den Kopf hinhält.

Eine Ich-Gesellschaft als Netz-Versammlung endet im Ego-Shooting. Das große Netz wird so zum kleinen Reservat, die Emigration ins Ich führt zum Selbstgespräch. Das sind so gewinnbringende Plaudereien wie jene mit der Wand oder dem eigenen Hund. Der nächste Schritt ist das Verstummen. Ich klicke, schreibe und poste nicht mehr. Haben die anderen auch gar nicht verdient, die haben schon früher einfach nicht kapieren wollen, welche Gedankenperlen ihnen da entgangen sind. Jetzt habe ich nur noch Recht. 24 Stunden, sieben Tage, ein Jahr. Isolation ist der Preis.

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