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Das Kondolenzbuch für den verstorbenen "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher wird am Freitag in Berlin ausgelegt. Aber haben Twitter und Facebook die klassische Beleidsbekundung bereits ersetzt?

© dpa

Nach dem Tod von Frank Schirrmacher: Trauern in 140 Zeichen

Stirbt ein prominenter Mensch, gibt es schnell Beleidsbekundungen per Twitter und Facebook. Geschmacklos? Oder selbstverständlicher Teil unseres Lebens in den sozialen Medien?

Kaum lief am Donnerstagabend die Meldung vom plötzlichen Tod des „FAZ“-Herausgebers Frank Schirrmacher über den Ticker, wurden bei Twitter die Nachrufe im Sekundentakt gepostet. Trauer, ausgedrückt in 140 Zeichen. Ist das geschmacklos? Oder selbstverständlicher Teil unseres Lebens, das lückenlos in den sozialen Netzwerken dokumentiert wird, vom Beziehungsstatus über Babyfotos bis hin zum Tod, der nun mal zum Leben dazugehört. Weshalb also sollte er deshalb nicht auf Facebook und Twitter bedacht werden?

„Twitter, Facebook und Co sind sehr emotionale Medien"

Das sieht auch die Katholische Kirche in Deutschland so. Von ihrer Seite gibt es zwar keinen Leitfaden zum Umgang mit Trauer in sozialen Netzwerken, jedem Menschen bleibe es selbst überlassen, hierfür den richtigen Weg zu wählen. Aber ein solcher Weg könne auch der über die sozialen Medien sein. „Twitter, Facebook und Co sind sehr emotionale Medien, sie fragen ja sogar den emotionalen ,Status‘ ab. Daher gehört Trauer natürlich dorthin“, sagt Stefan Förner, Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats Berlin.

Diese Ansicht teilt die Evangelische Kirche. „Schon immer waren Beileidsbekundungen auch kurz, denn in der Trauer wird oft nicht viel gesprochen. Wer eine Beileidskarte schreibt, wählt vielleicht Formulierungen, wie: ,Herzliches Beileid‘ oder ,Ich denke an Sie‘. Auch das ist kürzer als 140 Zeichen“, betont Heike Krohn von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Bedeutet Trauer nicht auch einen Moment des Innehaltens?

Aber bedeutet Trauer nicht auch einen Moment des Innehaltens? Des persönlichen Gedenkens, bevor der Tweet rausgejagt wird? Oder geht es am Ende wieder mal nur darum, im inoffiziellen Wettbewerb um den originellsten Spruch der Erste zu sein?

Niemand wird gezwungen, sich an einem solchen Rennen zu beteiligen. Jeder Nutzer darf selbst entscheiden, ob er überhaupt einen Satz postet. Doch wer das tut, will seinen Gefühlen auch auf diesem Weg Ausdruck verleihen – und ist beim Blick auf seine Timeline dankbar zu sehen, dass es anderen Menschen ähnlich geht. Weniger Bedeutung hat ein Trauer-Tweet nicht, wenn er im Stream plötzlich zwischen Fotos vom Badesee auftaucht oder dem Status: „Lecker, der Kollege hat Kuchen gebacken“. Im Gegenteil. Spiegelt die Timeline doch die wichtigen und nichtigen Momente des Lebens wider.

Längst gibt es virtuelle Friedhöfe im Netz

Ohnehin ist das Netz längst auch ein Ort der Trauer geworden. Auf virtuellen Friedhöfen wird Verstorbener gedacht, Facebook-Profile bleiben auf Wunsch der Angehörigen online, weil sie den Toten nicht „löschen“, sondern Posts und Bilder als Dokumente seines Lebens sichtbar lassen wollen. Trauer muss öffentlich sein und sein dürfen. Deshalb ist das Netz als öffentlicher Raum der richtige Ort dafür.

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